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Volume Nr. 41, 20. September 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1990, 11. Wahlperiode, 35.-47. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
41. Sitzung vom 20. September 1990 
Stellv. Präsidentin Frohnert: Für die SPD-Fraktion hat 
Herr Kollege Edel das Wort. 
[Hapel (CDU); Herr Edel weist das zurück!] 
Edel (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 
Herr Kollege, ich will nicht zurückweisen, sondern ich will 
zurückargumentieren I 
Die Rede, die Herr Krähe soeben gehalten hat, war Beweis 
dafür, daß er fachkundig durchaus Gelegenheit hatte, sich mit 
diesem Gesetzentwurf zu befassen, so daß der Vorwurf uns 
gegenüber, wir hätten Ihnen diese Chance nicht gegeben, von 
ihm widerlegt worden ist. Allerdings teilen wir nicht die 
Konsequenzen, die er aus der Befassung mit dem Gesetz 
gezogen hat. Dazu einige Bemerkungen; 
Bisher war die Bauordnung von Berlin eindeutig auf den 
Pkw-Verkehr abgestellt. Gebäude, die in der Stadt errichtet 
wurden, mußten Pkw-Stellplätze haben. 
[Dr. Krähe (CDU); Gott sei Dank!] 
In gewissem Umfang ist das richtig, und ich teile das auch so. 
Aber andere Verkehrsarten spielten in der Bauordnung von 
Berlin überhaupt keine Rolle. Es spielte überhaupt keine 
Rolle, daß viele Bürger der Stadt nicht mit dem Auto, sondern 
mit dem Fahrrad fahren, und es spielte überhaupt keine Rolle, 
daß die allermeisten Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt 
weder mit dem Auto noch mit dem Fahrrad, sondern mit der 
BVG fahren müssen oder wollen, weil sie nämlich kein Auto 
haben oder das einzige Auto der Familie der Ehemann gerade 
benutzt und irgendwo abstellt und die Ehegattin muß mit der 
BVG unterwegs sein. Daran wird deutlich, daß wir drei 
wichtige Verkehrsarten in der Stadt haben und die Bauord 
nung von Berlin bisher nur auf eine Rücksicht genommen hat, 
nämlich auf den Pkw. 
Stellv. Präsidentin Frohnert: Herr Edel, gestatten Sie eine 
Zwischenfrage? 
Edel (SPD): Wenn sie kurz ist, ja! 
Giesel (CDU): Ist Ihnen nicht bekannt, daß Stellplätze im 
Bereich baulicher Einrichtungen dazu führen, daß Kraftfahr 
zeuge nicht am Straßenrand abgestellt zu werden brauchen, 
und daß letzteres sowohl für die Radfahrer als auch für die 
Bürger, die zu Fuß gehen, vorteilhaft ist, von möglichen 
Busspuren ganz zu schweigen? 
[Beifall bei der CDU] 
Edel (SPD); Herr Kollege, wenn Sie den Versuch unterneh 
men würden, alle Pkw, die auf Berliner Straßenland stehen, 
von der Straße wegzuschaffen, müßten wir ein Eingemein 
dungsprogramm für Groß-Berlin entwickeln und würden in 
Frankfurt/Oder enden! Dies wird wohl nicht funktionieren. 
[Zuruf des Abg. Buwitt (CDU)] 
- Sie können das selbst ausrechnen, Herr Kollege Buwitt; 
vielleicht kommen Sie nicht ganz bis Frankfurt/Oder! 
ln Zukunft wird ein Bauherr dafür sorgen müssen, daß nicht 
nur Pkw auf seinem Grundstück abgestellt werden, sondern 
auch Fahrräder abgestellt werden können, und es wird eine 
wichtige Frage sein, wie das Grundstück durch den öffentli 
chen Personennahverkehr erschlossen wird. Unter Umstän 
den kann der Bauherr darauf verzichten, Stellplätze bzw. alle 
Stellplätze zu bauen, und kann sie mit einer Ablösesumme 
ablösen. Diese Wahlmöglichkeit halten wir für sehr wichtig. 
Herr Kollege Krähe hat davon gesprochen, daß in Absatz 4 
des § 48 der Bauordnung für Berlin eine ungerechte Bevorzu 
gung der öffentlichen Hand zu sehen ist. Kolleginnen und 
Kollegen von der CDU, sehen Sie nicht auch, daß der (C) 
öffentliche Financier - die Landeskasse - mit viel Geld doch 
erst einmal dafür gesorgt hat, daß einige Orte in der Stadt 
hervorragend durch den öffentlichen Personennahverkehr 
erschlossen worden sind und daß man dann nicht als der 
Bauherr eines Schwimmbades, eines Rathauses oder eines 
sonstigen Verwaltungsgebäudes noch einmal Geld dafür 
ausgeben muß, daß einige hundert Stellplätze beispielsweise 
am Fehrbelliner Platz errichtet werden müssen? Ich sehe 
darin keine Bevorzugung, sondern eine Logik, die eigentlich 
zwingend ist. 
Herr Kollege Krähe! Sie haben auch kritisiert, daß in § 76 
Absatz 8 der Bauordnung von Berlin der Senat das Recht 
hätte, mit einer Rechtsverordnung ganz Gebiete in der Stadt 
auszuweisen, wo Stellplätze ausgeschlossen worden seien. 
Sie haben befürchtet, daß durch diesen oder einen anderen 
Senat eine Verkehrspolitik durchgesetzt würde, die dem 
Parlament mißfällt. Ich möchte Sie auf die Verfassung von 
Berlin aufmerksam machen: Da gibt es den Artikel 47 Abs. 1. 
Dort können Sie das Prinzip von Rechtsverordnungen nachle- 
sen. Das Parlament gibt seine Kompetenz, eine Rechtsverord 
nung zu erlassen, an den Senat ab. Die letztendliche Kontrolle 
hat aber auch in Zukunft - so steht es mit gutem Recht in der 
Verfassung - das Parlament. Das heißt, Ihnen und uns wird 
nichts weggenommen. Wir geben eine Kompetenz ab und 
haben die Kontrolle, bis diese Rechtsverordnung im Parla 
ment wieder angelangt ist. Ich denke, Ihr Argument fällt damit 
in sich zusammen. 
Die letzte Bemerkung, die ich aufgreife, betrifft die Ablöse 
summen, die nun auch für den öffentlichen Personennahver 
kehr verwendet werden könnten und nicht nur für Parkhäuser 
und Stellplätze. Ich finde das richtig. Denn wo kämen wir hin, 
wenn wir das Auto nicht verdammen wollen - da bin ich 
vielleicht im Dissens mit den Kollegen von der AL, ich will (D) 
keine autofreie Stadt, weil ich sie für unrealistisch halte. 
[Vereinzelter Beifall bei der CDU und den REP - 
Dr. Krähe (CDU): Bravo!] 
Ich fahre selbst Auto und weiß, was ich teilweise davon habe. 
Aber - und ich bitte Sie, das selbst zu überlegen - es kann 
doch nicht sein, daß diejenigen, die ein Auto haben, glauben, 
die Stadt und die Flächen wären nur für sie da, und das Geld 
dürfte nur für sie ausgegeben werden. 
[Pagel (REP): Gehen Sie doch mit gutem Beispiel 
voran!] 
Deshalb ist unser Antrag ein vernünftiger, durchdachter und 
gut ausformulierter Kompromiß, den wir auch durchsetzen 
werden - selbst dann, wenn Sie es nicht für nötig halten. 
Vielen Dank! 
[Beifall bei der SPD] 
Stellv. Präsidentin Frohnert: Für die Fraktion GRÜNE/AL 
- Herr Michaelis, bitte! 
Michaelis (GRÜNE/AL); Frau Präsidentin! Meine Damen 
und Herren! Ich möchte mit einem kurzen Rückblick beginnen: 
1938 wurde von den Nazis die Reichsgaragenordnung erlas 
sen. Dies war ein Gesetz zur Förderung des Autoverkehrs. Die 
Fortsetzung dazu bildete die Stellplatzverordnung, die wir 
heute endlich korrigieren. Dies ist ein Erfolg der rot-grünen 
Politik, den ich ausdrücklich begrüße. 
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD] 
Wir haben es in der rot-grünen Koalition in Berlin geschafft, an 
einer Schnittstelle zwischen Bau- und Verkehrspolitik einen 
tragfähigen Kompromiß zu schließen. 
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