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Volume Nr. 41, 20. September 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1990, 11. Wahlperiode, 35.-47. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
41. Sitzung vom 20. September 1990 
(A) Momper, Regierender Bürgermeister: Herr Abgeordneter 
Sander! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stimme 
Ihnen vollkommen zu. Es sind gerade die weltpolitische 
Dynamik und die Prozesse, in welche die Vereinigten Staaten 
nach Libyen und Grenada einbezogen waren, die dazu 
beigetragen haben, sowie die Veränderung in der Sowjet 
union - die dazugehörige spiegelbildliche Voraussetzung -, 
daß dieser weltpolitische Wandel erst möglich geworden ist. 
Wir sollten auch nicht die Bedeutung der Friedensbewegung 
in Europa und besonders in der Bundesrepublik und in der 
DDR vergessen. Von da her ist diese ganze Bewegung auch in 
Europa begleitet worden. Das ist das eine. 
Das zweite, das möchte ich hier einmal ausdrücklich 
anmerken, weil es eine Stärke von Politikern ist, wenn sie auf 
Veränderungen in der Welt - gerade wie Sie, Herr Kollege 
Sander es angesprochen haben - reagieren: Es ist gerade der 
amerikanische Präsident-der 40. Präsident Ronald Reagan 
gewesen, der mit SDI, mit Grenada, mit der Bezeichnung der 
Sowjetunion als dem „Reich des Bösen“, mit dem Raid auf 
Libyen angefangen hat. Er hat dann gleichwohl mit den 
Mittelstreckenabkommen, mit Reykjavik, mit den dort einge 
leiteten Entwicklungen seine Amtszeit beschlossen. Es ist 
gerade der amerikanische Präsident gewesen, der selbst 
diese große - man darf das als jüngerer Mensch vielleicht 
einmal sagen - Lernfähigkeit bewiesen hat. Ich muß ganz 
persönlich sagen, daß bei aller Kritik, die ich selbstverständ 
lich in der Vergangenheit an der Politik des damaligen 
Präsidenten geübt habe, dieses mich an dem Mann bis heute 
fasziniert. Er hat auf diese Entwicklungen in der Weltpolitik 
aktiv reagiert. Er hat letzten Endes den Weg für die Ost-West- 
Entspannung und für die deutsche Einheit durch das Abkom 
men zur Abschaffung der Mittelstreckenraketen zusammen 
mit der Sowjetunion freigemacht. Ich finde, diese Lernfähig- 
keit soll man nicht immer - wie von Seiten der CDU - durch 
' ' Zwischenrufe-wie Wendelhals oder ähnliches-kommentie 
ren. 
[Landowsky (CDU); Sie sind ja größenwahnsinnig!] 
Ich finde, daß das unangemessen ist und der Rolle von 
Präsident Reagan in seiner aktiven Zeit und bis heute nicht 
gerecht wird. 
[Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Mom- 
pers Doppelsalto!] 
Stellv. Präsidentin Frohnert: Zur nächsten Zusatzfrage 
hat der Kollege Dr. Lehmann-Brauns das Wort. 
Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Herr Regierender Bürger 
meister! Dieses ganze lange Herumreden nützt doch nichts. 
Ich frage Sie, warum Sie nicht wenigstens vor diesem Abge 
ordnetenhaus im Interesse der politischen Glaubwürdigkeit 
sagen, daß sie sich geirrt haben, oder haben Sie jedes Gefühl 
dafür verloren, daß Ihr fortwährender Erklärungsopportunis 
mus dieser Stadt massiv schadet? 
[Beifall bei der CDU] 
Stellv. Präsidentin Frohnert: Zur Antwort hat der Regie 
rende Bürgermeister das Wort. 
Momper, Regierender Bürgermeister: Herr Lehmann- 
Brauns I Ich muß Ihnen sagen, daß das Niveau des Wahlkamp 
fes in diesem Hause durch Ihre Frage ziemlich auf den Hund 
gekommen ist. Ich hätte von Ihnen intelligentere Wahlkampf 
beiträge als das Abfragen älterer Äußerungen erwartet. 
Herr Kollege Lehmann-Brauns, ich will Ihnen noch einmal 
sagen, daß ich zu der Kritik stehe, die ich in der Vergangenheit 
an der Politik der Vereinigten Staaten, der DDR oder der 
Sowjetunion geübt habe. 
[Landowsky (CDU): Sie hatten ja keine Kritik!] 
Ich habe überhaupt keinen Anlaß, etwas davon zurückzuneh 
men. Aber ich stehe auch zu dem, was ich am 18. Juni 1987 in 
der Einschätzung und in der politischen Bewertung der 
damaligen Rede von Präsident Reagan in diesem Abgeordne 
tenhaus gesagt habe. Ich habe keinen Anlaß, von damaligen 
Einschätzungen etwas abzustreichen. 
[Landowsky (CDU): Rauschender Beifall!] 
Stellv. Präsidentin Frohnert: Die letzte Zusatzfrage stellt 
der Kollege Staffelt. 
Dr. Staffelt (SPD): Herr Regierender Bürgermeister! Stim 
men Sie mir zu, wenn ich behaupte, daß die Ernsthaftigkeit der 
Fragestellung von Herrn Führer wohl durch eine Mündliche 
Anfrage in Zweifel zu ziehen ist, daß es sich hierbei eher um 
Effekthascherei und Wahlkampf handelt? Würden Sie viel 
leicht meinen Vorschlag akzeptieren, hier im Abgeordneten 
haus - vielleicht in der nächsten Sitzung - eine längere 
Regierungserklärung über Abrüstungs- und Friedenspolitikzu 
halten? 
[Heiterkeit bei der SPD und bei GRÜNE/AL] 
Herr Regierender Bürgermeister, glauben Sie - wie ich -, daß 
die von Herrn Führer gewählte Formulierung, daß es sich bei 
Wildwestfilmen um simple Strickmuster handele, nicht mit 
Herrn Wohlrabe abgestimmt sein kann? 
[Beifall bei der SPD und bei GRÜNE/AL] 
Stellv. Präsidentin Frohnert: Zur Antwort hat der Regie 
rende Bürgermeister das Wort. 
Momper, Regierender Bürgermeister; Herr Kollege Staffelt! 
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letzteres ist ein 
offenkundiger Vorgang, der allerdings die CDU-internen Ver 
hältnisse berührt, so daß ich mich eines Kommentars enthal 
ten will. Aber wir erleben es öfter, daß der Kollege Wohlrabe 
mit großen Teilen seiner eigenen Fraktion auseinanderfällt. 
Man muß auch sagen - was glaube ich der CDU nicht dienlich 
ist-, daß der Generalsekretär Landowsky auch nicht mehr der 
Alte ist. 
Zum zweiten, Herr Kollege Staffelt, nehme ich Ihre Anre 
gung gerne auf, wenn genügend Zeit sein sollte. 
[Landowsky (CDU): Er kommt wieder zurück auf 
seine Normalgröße!] 
Wer glaubt, daß er die Politik der Vereinigten Staaten in den 
letzten 10 Jahren, die wahrlich kompliziert war und genügend 
Anlaß zur Kritik geboten hat und auch Irrwege gegangen ist, 
im Stil von Wahlkampfanfragen hier abhandeln kann, der irrt. 
Es wäre wirklich der weltpolitischen Rolle der Vereinigten 
Staaten, aber auch der Bedeutung der Friedensbewegung 
hier und in der DDR und der Rolle der Sowjetunion, besonders 
der Präsident Gorbatschows, angemessen, wenn dieses Ab 
geordnetenhaus gerade nach dem 3. Oktober sich sorgfältig 
und ernsthaft damit und auch mit der Frage auseinandersetz 
te. wer welchen Betrag mit welcher Wirkung dazu geleistet 
hat. Ich sage dazu ganz klar, daß ohne die Bewegung des 
Volkes in Osteuropa und übrigens auch in Amerika - sprich 
der Friedensbewegung - so oder so der 3. Oktober nicht das 
Ergebnis gewesen wäre. 
[Beifall bei der SPD] 
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