Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
40. Sitzung vom 13. September 1990
Schmidt
(A) Wenn hier von der Klimakatastrophe gesprochen wird - die
von Herrn Behrendt so gern hervorgehoben wird dann kann
ich nur daran erinnern, daß das Bundeskabinett am 13. Juni
ein Gesetz beschlossen hat, mit dem die C0 2 -Steuer einge
führt worden ist. Wir werden sehen, daß dies greift und der
CQ 2 -Gehalt bis zum Jahr 2005 um 25 % gesenkt sein wird.
[Behrendt (SPD): Glauben Sie, das reicht?]
Das bedeutet 217 Millionen Tonnen jährlich, und das ist eine
gewaltige Menge. Wenn man die Kurven für die Stromerzeu
gung und die C0 2 -Emissionen betrachtet, kann man feststel
len, wie sie auseinander gehen, wie der C0 2 -Gehalt im
Verhältnis zu der erbrachten Leistung in Kilowatt immer
weniger wird. Das entsteht dadurch - das muß man auch
ehrlich sagen -, daß zum Beispiel die Kernkraftwerke in der
Bundesrepublik Deutschland ein Minus von 144 Millionen
Tonnen C0 2 bewirkt haben, die Wasserkraftwerke ein Minus
von 20 Millionen Tonnen C0 2
[Behrendt (SPD): Die CDU hat im Bundestag
die Wasserkraft immer verhindert, Herr Schmidt!]
und die erneuerbaren Energiequellen ein Minus von 7 Millio
nen Tonnen C0 2 . Das ist von der Technik her schon interes
sant, aber daß Diplom-Politologen darüber natürlich nicht
gern referieren, Herr Behrendt, ist mir schon klar.
[Behrendt (SPD): Ich habe von der Umgebung
Berlins gesprochen!]
Solarenergie in Berlin - ja, dafür sind wir natürlich. Aller
dings muß man wissen, daß die maximale Leistung pro
Quadratmeter Zelle nur 0,7 Kilowatt beträgt. Das ist für den
Haushalt anwendbar, aber für die Industrie würden viel zu
viele Flächen benötigt.
Zur Wasserkraft ist festzustellen, daß sie wohl nicht für
Berlin in Frage kommt. Wo sollte man hier Stauseen anlegen ?
- Das ist im Sauerland und im Harz möglich, aber nicht in
Berlin. Was Sie dazu vorgebracht haben, Herr Behrendt, war
alternatives Wunschdenken.
Die Bewag hat über 2 Milliarden DM für den Umweltschutz
eingesetzt; das ist eine Summe, die seinerzeit auch schon die
Enquete-Kommission gefordert hat. Es sind Wirbelschicht-
Befeuerungen und Erdgas als Einsatzstoff vorgesehen, und
zwar in Heizkraftwerken, also gekoppelte Heizkraftwerke, so
daß wir damit der Umwelt mit Sicherheit einen großen Nutzen
bieten.
[Behrendt (SPD): Das ist ja schon beachtlich!]
Wir stehen jedenfalls zu dieser Form der Energiepolitik.
Zu den Kohleheizkraftwerken, in denen deutsche Steinkohle
verfeuert wird, gibt es ein Projekt in Hannover, bei dem die
Brennstoffnutzungsgrade bis zu 80 % heraufgesetzt werden
konnten. Damit wird eine CQ 2 -Minderung erreicht, wie sie uns
bisher nicht bekannt war. Das wird mit Sicherheit ein Projekt
sein, das wir in Groß-Berlin verwirklichen können. Denn wir
brauchen mehr Energie - Sie haben es vom Senator gehört,
die Zuwachsrate beträgt 6,6 %, und die Ansiedlung von
Unternehmen in Groß-Berlin wird diese Zahl noch höher
schrauben-, und werden daher eines Tages auf dieses Projekt
zurückgreifen. Es wird zudem sicher auch eine Entlastung der
Umwelt bewirken.
Energieverbund - ja; die Stromtrasse ist vonnöten
[Haberkorn (GRÜNE/AL): Aber nicht durchs Stadt
gebiet!]
gerade jetzt in der Übergangszeit bis zu dem Zeitpunkt, zu
dem wir dann in und um Berlin tatsächlich neue Kraftwerke
haben werden. Als Techniker weiß ich, daß uns in der Zukunft
der Supraleiter diese Diskussionen ersparen wird. Ich bin
sicher, daß wir mit dem Supraleiter in 20 Jahren ganz andere
Wirkungsgrade haben werden.
[Behrendt (SPD): Immer alle Probleme in die (C)
Zukunft verlagern! Die Zukunft bringt’s!]
- Das machen Sie, Herr Behrendt. Sie sind kein Realist, das ist
bekannt.
Was hat der Senat eigentlich bisher getan, um die Dreck
schleudern in der DDR zurückzufahren? - Dazu haben Sie,
Herr Senator, kein Wort gesagt, obwohl es um Berlin Kraftwer
ke mit einem sehr großen Schadstoffausstoß gibt. Es ist sehr
enttäuschend, daß Sie darüber nicht ein Wort verloren haben.
Mit Sicherheit hätte man dagegen auch schon etwas unterneh
men müssen, aber das ist leider versäumt worden. Dazu
verlange ich von Ihnen noch eine Stellungnahme.
[Dr. Wruck (CDU): Das sind die Versäumnisse von
Rot-grün! - Behrendt (SPD); Was hätten Sie denn
unternommen, Herr Schmidt?]
Natürlich sind wir auch für den Einsatz von Blockheizkraft
werken. Wir haben einmal prüfen lassen, wo in Berlin Block
heizkraftwerke in welcher Größenordnung eingesetzt werden
können. Es liegt ein Gesamtpotential von etwa 50 MW vor; das
heißt, das sind die Bedürfnisse West-Berlins-die Bedürfnisse
der anderen Seite können wir ja noch nicht erfassen. Es wären
1 000 Anlagen mit 20 KW, 50 Anlagen mit 200 KW und 10
Anlagen mit 2 MW möglich, letzeres etwa für die Größenord
nung eines Krankenhauses. Aber wir wissen, daß wir damit
bis zum Jahr 1994 warten müssen; dann wird man angesichts
der Bedürfnisse zweifellos ein solches Blockheizkraftwerk
einsetzen. •
Schließlich geht es um die Versorgungssicherheit. Wenn
man dazu jedoch in einer entsprechenden Broschüre liest,
daß zum Beispiel mit den Spänen einer Tischlerei Dampf
erzeugt wird, um Energie und Wärme zu gewinnen, und dann
eine Versorgungssicherheit festgestellt wird, dann habe ich
große Sorge, was geschieht, wenn dort keine Kisten mehr
hergestellt werden, bei denen Späne abtallen. Dann wird man
wohl ein paar Leute zum Sägen anstellen müssen, um Tag und
Nacht die Versorgungssicherheit herzustellen, Herr Behrendt.
[Dr. Wruck (CDU): So machen es die Sozis!]
So einfach, Herr Behrendt, ist es wohl wirklich nicht. Das
Rückspeisen in das Netz ist im übrigen sehr aufwendig, eine
solche Anlage ist sehr teuer und wird daher auch nicht
wirtschaftlich sein.
Letztendlich erwarten wir eine ausgewogene Energiepoli
tik, Herr Senator, die sich auf die neuen politischen Gegeben
heiten, auf die neue Ansiedlungspolitik und auf die Neubau
wohnungen einsteilt, die - so hoffe ich - wir alle bald
bekommen werden. Dazu benötigt man aber auch Energie.
Wir erwarten, daß der Großraum Berlin sowohl mit elektri
scher als auch mit gasförmiger Energie ausreichend ausgerü
stet wird; denn die Zukunft gestalten wir heute für das Morgen.
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsidentin Frohnert: Für die GRÜNEN/Alternative
Liste hat der Kollege Berger das Wort.
Berger (GRÜNE/AL): Ich wundere mich, wie Kolleginnen
und Kollegen von der CDU und soeben erneut Herr Schmidt es
immer wieder schaffen, daß auch bisher kritische Stimmen in
der AL zu unserer derzeitigen politischen Situation doch
wieder zu entschiedenen Befürwortern dieser Koalition wer
den.
[Dr. Wruck (CDU); Wollen Sie die Wende mit der
PDS machen?]
Denn das Szenario, das Sie mit „Wir brauchen mehr Energie
für Berlin" gemalt haben, Herr Schmidt, wollen wir nicht. Wir
wissen, daß das eine tatsächlich lebensbedrohende Politik ist,
und sind unter anderem deshalb in dieser Koalition, weil wir in
2055