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Volume Nr. 33, 14. Juni 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
33. Sitzung vom 14. Juni 1990 
1762 
Michaelis 
(A) Und nun zum Stichwort „soziale Stadtplanung“. Was heißt 
das? - Die soziale Stadtplanung muß in erster Linie die planeri 
sche Vorsorge stellen, daß jeder ein Dach über dem Kopf hat 
und daß jeder die Möglichkeit hat, einen Arbeitsplatz zu finden. 
Das ist bei einem Wohnungsfehlbestand von 170 000 Wohnun 
gen gewiß einfacher so formuliert als umgesetzt. Aber wir müs 
sen tatsächlich die vorhandenen Steuerressourcen sozial treffsi 
cherer als bisher einsetzen. Konkret heißt das für uns, daß 
keinesfalls die Mittel für Modernisierung und Instandhaltung 
gekürzt werden dürfen. Es ist absolut erforderlich, in dem Rah 
men wie bisher weiter zu verfahren. 
Zur sozialen Stadtplanung gehört auch der Erhalt von inner- 
städtischem Grün- und Freiflächen. Es ist eben keine Spinne 
rei, wenn ein Park am Potsdamer Bahnhof erhalten werden soll. 
Das ist für das Leben in der Stadt eine absolute Notwendigkeit. 
Es geht nicht nur um das Neuanlegen von Parkanlagen, es geht 
auch darum, daß die Freiflächen, die noch da sind in der Stadt, 
nicht zugebaut werden. Zum Beispiel wird meine Fraktion sich 
dafür einsetzen, daß die Lübarser und die Spandauer Felder 
erhalten werden. 
[Vereinzelter Beifall bei der AL und der SPD - 
Küche (SPD): Und das Tempelhofer Feld!] 
Selbstverständlich muß soziale Stadtplanung auch die alliier 
ten Flächen miteinbeziehen. Und auch die Vorratsflächen müs 
sen jetzt in die Stadtplanung miteinbezogen werden. Es gibt 
reichlich Standorte der Sowjets im Umland, und auch die müs 
sen - wenn man die Region insgesamt plant - miteinbezogen 
werden. 
Demokratische Stadtplanung meint in Berlin - aus der Sicht 
dieses Hauses insbesondere daß selbstverständlich viel nach 
haltiger als bisher die Ostberliner und Ostberlinerinnen und die 
dortigen Institutionen, die ja nun demokratisch legitimiert sind, 
miteinbezogen werden. Ein Beispiel: Eine aus jeder Sicht her 
ausragende Standortentscheidung wie die von Daimler-Benz 
darf nicht über die Köpfe der Menschen in dieser Stadt hinweg 
(B) getroffen werden. Gerade am Potsdamer Platz ist eine sehr 
nachhaltige Beteiligung des Magistrats gefordert, wie anderer 
seits Herr Nagel auch am Leipziger Platz munter seinen Kom 
mentar abgibt. 
[Landowsky (CDU): Na, Herr Nagel, 
das ist doch Ihr Mann!] 
Nach dem, was bisher bekannt ist, sind die Zeitvorstellungen 
des Senats absolut nicht ausreichend. Es muß für die Planung 
am Potsdamer Platz auch ein größerer räumlicher Bereich mit 
einbezogen werden. 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Herr Michaelis, Ihre 
Redezeit ist abgelaufen, ich bitte Sie, jetzt zum Schluß zu kom 
men. 
Michaelis (AL); Ich komme zum Schluß. Die Stadtplanung ist 
gefordert, die Voraussetzungen für ein dramatisch wachsendes 
Berlin zu schaffen. Die AL wird sich dafür einsetzen, daß die 
negativen Seiten des anstehenden Häutungsprozesses wie die 
Zersiedlung des Umlandes und die Verdrängung sozial Schwa 
cher aus angestammten Wohngegenden soweit wie möglich 
vermieden wird. - Danke schön! 
[Beifall bei der AL - Dr. Heide (CDU); 
Und die Kaninchen auf der Wiese?] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Herr Abgeordneter Pagel 
hat jetzt für die Fraktion der Republikaner das Wort. 
Pagel (REP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 
Nach dem bisherigen Verlauf unserer Diskussion bzw. den mei 
stens hier gehaltenen Monologen traue ich mich kaum noch, hier 
Ausführungen zu diesem Thema zu machen, 
[Löhe (SPD): Ja, dann lassen Sie es doch!] 
weil ich nicht den Eindruck habe, daß hier überhaupt noch irgend (0) 
jemand von seiten der Abgeordneten oder auch von seiten der 
Presse aufnahmebereit ist. Ich will mich deshalb auf einige 
unserer Ansicht nach besonders kritische Punkte konzentrieren. 
Wir sind der Meinung, daß der Senat hinsichtlich der Stadt 
entwicklung im Großraum Berlin den Entwicklungen hinterher 
hinkt. Wenn Frau Senatorin Schreyer sagt, daß wir einen neuen 
Flächennutzungsptan für Gesamtberlin brauchen, so hat sie 
recht. Wir hoffen, daß der Senat die Vorbereitungen hierzu mög 
lichst schnell beginnen wird. Aber der Senat wird nicht umhin 
können, für ganz konkrete Projekte auch kurzfristige Entschei 
dungen zu treffen, insbesondere dann, wenn es um Gewerbean- 
siedlungen geht. Wir wissen, daß wir bereits in wenigen Jahren 
einen Fehlbestand an Arbeitsplätzen von 300 000 im Groß 
raum Berlin haben werden. Nach der Meinung des DGB sind es 
vielleicht auch 500 000. Wir können nicht zukünftige Investoren 
darauf vertrösten, daß irgendwann einmal in zwei, drei oder fünf 
Jahren Entscheidungen getroffen werden. Diese Entscheidun 
gen müssen früher getroffen werden. Und wir können auch nicht 
darauf warten, daß der Senat sich irgendwann einmal mit seinen 
streitbaren Koalitionspartnern einigt. Das muß wesentlich 
schneller gehen. Und wenn solche Zukunftsentscheidungen 
getroffen werden, dann muß auch klar sein, daß wir den politi 
schen Willen haben, daß Berlin die Hauptstadtfunktion wieder 
erlangt. Dann müssen wir auch ganz konkret sagen können 
wohin denn nun all diese Gebäude, die eine Hauptstadt benö 
tigt, gestellt werden sollen. Auch von dieser Seite hört man vom 
Senat bislang nichts Konkretes. 
Ein weiterer Schwerpunkt ist die behutsame Stadterneue 
rung im Westen wie im Osten. Hier hat die Frau Senatorin 
gesagt, das solle so weiterverfolgt werden wie bisher. Auch hier 
verspricht die Senatorin wesentlich mehr, als der Senat insge 
samt halten kann. 
Tatsache ist, daß die Mittel für die behutsame Stadtentwick 
lung für den Westteil unserer Stadt bereits um 20 Millionen DM 
gekürzt worden sind. Nach der mittelfristigen Finanzplanung (□) 
sollen die Gelder um viele weitere Millionen DM zurückgefahren 
werden; wo doch bereits alle Bezirke in West-Berlin gerade in 
der Innenstadt nach weiteren Mitteln in Höhe von über 100 Millio 
nen DM schreien. 
Wer einmal in Ost-Berlin - am Prenzlauer Berg und in anderen 
Bezirken - gewesen ist, weiß auch, daß dort weitere 100 Millio 
nen DM notwendig sind, damit nicht gesamte Berliner Mitte ver 
fällt. Wenn wir die Haltung vom Senator Nagel kennen, der alle 
Mittel in den Wohnungsneubau stecken will und die Stadter 
neuerung und die Modernisierung vernachlässigt, dann wissen 
wir, daß Frau Schreyer hier mit ihrem richtigen Appell für die 
behutsame Stadterneuerung auf verlorenem Posten steht. 
Die Senatorin hat uns versprochen, daß sie sich dafür einset 
zen will, daß die Kleingärten und Grünflächen erhalten bleiben. 
Das ist außerordentlich erfreulich, auch wir unterstützen dies. 
Wir glauben aber nicht, daß Frau Schreyer im Senat noch den 
notwendigen Rückhalt dafür findet. Wir glauben, daß hier längst 
Herr Nagel das Regiment übernommen hat. Ihm ist das relativ 
egal. Er ist auch bereit, Kleingärten zu vernichten, wenn er seine 
ehrgeizigen Neubauprojekte verwirklichen kann. 
[Frau Holzhüter (SPD): Ist ja gar nicht wahr!] 
Wir sind der Auffassung, daß der Senat schnell eine Entschei 
dung zu treffen hat für eine Regionalentwicklungsgesellschaft 
Berlin-Brandenburg. Frau Schreyer hat dazu heute keine klare 
Antwort geben können. Oder aber der Senat entschließt sich, 
die notwendigen Planungen in eigener Verantwortung durchzu 
führen. Wir alle wissen, wie langfristig Planungen durchgeführt 
werden müssen. Das dauert Jahre allein für die Planung, für die 
Umsetzung dauert es noch viel länger. Deswegen muß irgend 
wann einmal der Grundstein hierfür gelegt werden. 
Wir brauchen für die Planungen innerhalb der Stadt, für die 
Berliner Mitte, sehr schnell Wettbewerbe. Wir haben den Ein 
druck, daß der Senat hier viel zu kleinteilig plant. Es gibt einen 
Wettbewerb für den Potsdamer und Leipziger Platz. Es sind sich 
nach den Anhörungen im zuständigen Ausschuß alle Experten
	        
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