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Volume Nr. 33, 14. Juni 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
33. Sitzung vom 14. Juni 1990 
1729 
(A) 
(B) 
Frau Sen Volkholz 
Aus dem letzten Lagebericht geht hervor, daß im Zeitraum 
März und April 1990 in den Direktionen 16 Delikte der Gruppen 
gewalt an Schulen registriert wurden und 7 auf dem Schulweg. 
Aus kriminalpolizeilicher Sicht dürfte die Anzahl der Delikte auf 
den Schulwegen höher liegen. Diese Tatörtlichkeit wird jedoch 
überwiegend mit öffentlichem Straßenland in den Anzeigen 
bezeichnet, weswegen keine eindeutige zahlenmäßige Bestim 
mung erfolgen kann. Bei den Bedrohungen handelt es sich um 
Raub, Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Bedro 
hung, Sachbeschädigung und Nötigung. Man sollte hinzufügen, 
daß auch Aktivitäten bekanntgeworden sind, die mitunter mit 
sogenannten Jugendbanden in Zusammenhang gebracht wer 
den, obwohl es sich dabei um Streitereien und Auseinanderset 
zungen handelt, die altersgemäß üblich und entwicklungspsy 
chologisch begründbar sind. 
[Zurufe von der CDU und den REP] 
Diese hat es auch schon früher gegeben. 
Zu Frage 2: Wir können nicht ausschließen, daß Schülerinnen 
und Schüler aus Furcht vor weiteren Belästigungen solche Tät 
lichkeiten oder Überfälle trotz unserer Aufforderung nicht mel 
den. Aus der Kenntnis einzelner Fälle halten wir eine Dunkelziffer 
unbekannter Größe im Schulbereich für möglich. 
Wie bereits in meiner Antwort vom 22. März 1990 auf die 
Mündliche Anfrage Nr. 23 des Abgeordneten Dieter Flapel dar 
gestellt, ist das Problem der Gruppengewalt und Jugendbanden 
kein spezifisch an die Schule gebundenes Phänomen. Gewalt 
ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das die Schule 
weder verursacht noch allein lösen kann. Die Ursachen sind viel 
fältig und können hier sicherlich in diesem Zeitrahmen nicht 
angemessen dargestellt werden. Angesichts der Bedeutung, die 
wir diesem Phänomen und seiner präventiven Bekämpfung bei 
messen, wurden alle Schulleiter der Oberschulen und die Schul 
aufsichtsbeamten in Leiterkonferenzen darüber informiert und 
gebeten, die Verbindung zur Polizei zu suchen und die Senats 
verwaltung sofort zu informieren, damit ein Überblick über Um 
fang und Art der Delinquenz erarbeitet und die pädagogische 
Reaktion darauf koordiniert werden kann. Zugleich wurden die 
Pädagogen und die Pädagoginnen aufgefordert, jeder Bagatelli- 
sierung entgegenzutreten; allerdings ebenso einer Hysterie, die 
Aufklärung eher erschwert. Das Gespräch sollte gesucht wer 
den mit den Schülerinnen und Schülern sowie deren Erziehungs 
berechtigten, damit konkrete Hilfestellung verbessert wird und 
Aufklärung statt Angst im Mittelpunkt steht. 
Soweit gemeldet, haben die Schulen auf die genannten Vor 
fälle angemessen reagiert. Mitunter wurden Strafanträge gestellt 
und Ordnungsmaßnahmen durch die schulischen Gremien 
beschlossen. Die Zusammenarbeit mit der Polizei wurde in allen 
Fällen positiv bewertet. Das Schwergewicht der schulischen 
Maßnahmen allerdings liegt immer in dem Versuch, die Konflikte 
innerschulisch zu klären. 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Präsident Wohlrabe: Frau Kollegin Schneider, bitte! 
Frau Schneider (SPD): Frau Senatorin! In der Ausschußsit 
zung, auf die diese Anfrage zurückgeht, wurde gesagt, daß die 
Zusammenarbeit mit der Polizei noch nicht optimal ist. Welche 
Möglichkeiten sehen Sie, diese Zusammenarbeit zu verbessern, 
so daß sie auch von der Polizei als zufriedenstellend angesehen 
wird? Welche Möglichkeiten sehen Sie aber auch, um andere 
Bereiche - etwa den Jugendbereich - heranzuziehen, um die 
Zusammenarbeit zur Bewältigung dieses Problems wirklich opti 
mal zu gestalten? 
Präsident Wohlrabe: Zur Beantwortung - bitte, Frau Sena 
torin! 
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und 
Sport: Die Zusammenarbeit ist sicherlich nicht optimal, wie über 
haupt nichts optimal geregelt ist in dieser Welt. Sie ist allerdings 
in einigen Teilen erheblich verbessert worden. Es gibt ca. 80 
Schulen, die regelmäßige Kontakte mit den zuständigen Direktio 
nen haben. Es gibt Versuche - dies haben wir insbesondere auf 
der Konferenz mit Schulaufsichtsbeamten besprochen -, auch 
die Polizei gezielt in die Konferenzen einzuladen, damit die Ver 
fahrensweisen abgestimmt werden können. Häufig gibt es - um 
das ehrlich dazu zu sagen - auf Pädagoginnen- und Pädagogen 
seite Vorbehalte, die Polizei einzuschalten, weil damit oft 
gewisse Stigmatisierungsprozesse verbunden sind. 
Mir liegt an einer Zusammenarbeit. Dafür werbe ich auch - 
das geschieht auch im Einvernehmen mit dem Innensenator und 
der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe -, um Kooperations 
formen zu finden zwischen Schule und Polizei, die diese Stigma 
tisierungsprozesse verhindern, allerdings auch Pädagogen deut 
lich macht; Wenn pädagogische Maßnahmen nicht mehr greifen, 
muß die Polizei eingeschaltet werden. Ich denke, daß wir auf 
diesem Weg ganz eindeutige Verbesserungen erreicht haben. 
Präsident Wohlrabe: Noch einmal Frau Schneider, bitte! 
Frau Schneider (SPD): Frau Senatorin, gibt es Erfahrungen 
über das Alter, den sozialen Hintergrund, die Nationalität und 
den Umfang solcher Gruppen? 
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und 
Sport; Es gibt Erkenntnisse - die nur mit Vorsicht verwertet wer 
den können -, daß es ungefähr 8 oder 9 Jugendbanden gibt. 
Insgesamt wurden 355 Tatverdächtige gemeldet. Diese sind 
nach Nationalitäten aufgeschlüsselt worden: Es handelt sich um 
200 türkische, 112 deutsche, 23 jugoslawische und 8 libanesi 
sche Staatsangehörige; weitere 12 Tatverdächtige haben eine 
unterschiedliche Staatsangehörigkeit. Ich muß allerdings - um 
das zu relativieren - dazu sagen, daß von den insgesamt 457 
Straftaten, die im Zeitraum März und April verübt wurden, 16 im 
unmittelbaren Umfeld der Schule stattgefunden haben. 
Präsident Wohlrabe: Herr Abgeordneter Löhe ist der näch 
ste Fragesteller. 
Löhe (SPD); Herr Präsident! Frau Senatorin! Meine Kennt 
nisse zur Drogensituation an den Schulen und der Haltung vieler 
Schulleiter dazu veranlassen mich zu folgender Nachfrage: Stellt 
die Schulverwaltung - über die von Ihnen geführten Bespre 
chungen hinaus - durch geeignete Maßnahmen sicher, daß alle 
Vorfälle, die an den Schulen bekannt werden, der zuständigen 
Schulaufsicht gemeldet werden? Stellt die Schulaufsicht Ihnen 
diese Informationen zur Verfügung, damit in Ihrem Hause eine 
realistische Beurteilung über Art und Schwere der Vorfälle vor 
genommen werden kann? 
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und 
Sport: Wir können die Schulen auf Ihre FTlicht, dies zu melden, 
nur immer wieder hinweisen. Falls Ihnen ein konkretes Beispiel 
bekannt sein sollte, daß dies nicht geschehen ist, bitte ich Sie, 
meine Verwaltung davon in Kenntnis zu setzen. Wir werden 
solchen Hinweisen nachgehen. Es handelt sich hier um eine 
Pflicht, die wir auch einfordern. 
Präsident Wohlrabe: Herr Kollege Sander, bitte! 
Sander (SPD): Frau Senatorin! Die Jugendgruppierungen, 
die sich in der Stadt gebildet haben - halten Sie die von Herrn 
Landowsky angezettelte Angstkampagne — 
[Pagel (REP): Fahren Sie doch mal U-Bahn! 
Das haben Sie doch gemacht, Sie Schwätzer! 
Sie sitzen doch bloß auf Ihrem Arsch 
und klopfen Sprüche! - Unruhe bei CDU und REP] 
Präsident Wohlrabe: Darf ich nun wieder um Ruhe bitten, 
meine Herren von der Rechten! Lassen Sie ihn doch bitte seine 
Frage stellen! 
(C) 
(D)
	        
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