Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
32. Sitzung vom 31. Mai 1990
1688
Berger
(A) um Berlin auf der Basis der Gesetze, die Sie beschlossen haben,
verbrannt wird. Wir können nur hoffen, daß Sie - ich meine
bundespolitisch - möglichst bald von der Regierung abgelöst
werden können, damit diese skandalöse Bestimmung, die Ver
brennung überall und irgendwie erlaubt, rückgängig gemacht
werden kann.
[Beifall bei der AL]
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Für die Fraktion der CDU
hat für vier Minuten der Kollege Wronski das Wort!
Wronski (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren I
Wenn heute von Frau Kollegin Zillbach über den Langfristver
trag, der 1974 abgeschlossen wurde - ich möchte zu Ihrer Infor
mation sagen: vom sozialdemokratischen Finanzsenator Striek
und seinem Senatsdirektor Schwäbl -, geredet wird, von dem
die Verbringung von Sondermüll ein Teil ist, so muß man heute
wie damals dankbar anerkennen, daß unsere Stadtväter der
SPD, die ich aufgezählt und in Erinnerung gebracht habe, Berlin
aus einem generellen Müllnotstand herausgeführt und dem
damaligen Stand der Entsorgungstechnik entsprechend Ver
träge abgeschlossen haben.
Frau Senatorin! Wenn - das ist von Ihnen wenigstens nicht
bestritten worden - hier von einem Vertragspartner Vertrags
bruch begangen wird, dann liegt es im legitimen Interesse des
anderen, sozusagen düpierten Vertragspartners auf Nachbesse
rung durch den Vertragsbrecher zu dringen. Denn - und da liegt
der Zusammenhang zwischen dem gesamten Verbringungsver
trag - die Preise, die wir für normalen Hausmüll in Berlin abneh
men, sind eine Mischkalkulation zwischen Sondermüll und Haus-
müli. Es wäre logisch gewesen - wenn sie ein wenig von Handel
verstehen würden -, Ihrem Vertragspartner diese Zusammen
hänge klar zu machen und darauf zu pochen, daß nicht Sie mit
der Sorge für Berlin (West) hängengelassen werden, sondern
daß sich die Vertragsbrecher an der gemeinsamen Suche nach
(g) Ausweichmöglichkeiten beteiligen. Diesen Vorwurf muß ich
Ihnen machen!
Es ist interessant, daß Sie es für vertretbar halten, für diesen
Sondermüll Zwischenlagerungen in Berlin (West) vorzuneh
men auf einem Terrain, das pikanterweise erst vor kurzem saniert
und entgiftet wurde. Für den eigenen problematischen Notstand
halten Sie Zwischenlagerung für legitim. Eine Zwischenlagerung
für abgebrannte Brennstäbe aus dem Hahn-Meitner-Institut für
zehn Jahre in England halten Sie für einen Hinderungsgrund für
die Betriebsgenehmigung des Hahn-Meitner-Institutsl Wo ist da
Ihre Logik, verehrte Frau Senatorin!
[Beifall bei der CDU und den REP]
Noch eine Anmerkung: Wir reden aneinander vorbei, Herr Kol
lege Berger, wenn heute die Verbrennung als etwas Schlimmes
dargestellt wird. Die Teerluft schwebt überall herum. Wenn die
Untermischung in bestehende Verbrennungsanlagen zugelassen
wird und die Randbedingungen der Großfeuerungsanlagenver
ordnung eingehalten werden - Vernichtung von Dioxinen bei ent
sprechender Rammenführung in soundsoviel Nanosekunden -,
spielt es im Grunde keine Rolle, wie ich verbrenne. Wichtig ist
nur, daß die verbleibenden Abgase den gesetzlichen Randbedin
gungen entsprechen. Insofern führen Sie hier ein Scheingefecht
gegen Verbrennungen überhaupt. Ich vertrete wie mein Kollege
den Standpunkt, die schnellste und richtigste Bewältigung des
akuten Notstands ist die, technisch das zu machen, was wir
machen können: nämlich die Installierung weiterer Verbren
nungsanlagen, die - ihre technischen Randbedingungen voraus
gesetzt -
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Herr Wronski, Ihre Rede
zeit ist bereits abgelaufen - ich bitte Sie, zum Schlußsatz zü kom
men!
Wronski (CDU): Ja! - heute interessanterweise durch Sie
eine andere Beurteilung erfahren als vor zwei oder drei Jahren,
als Sie eine hysterische Kampagne gegen die 15 000-Tonnen-
Verbrennungsanlage in Schöneiche geführt haben. Heute wird
die Verbrennungsanlage als etwas Nützliches erkannt und (C)
gepriesen, und das zu Recht. Gehen Sie auf diesem Weg weiter,
denn das ist der schnelle und wirksame Weg.
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Weitere Wortmeldungen
liegen nicht vor. Die Große Anfrage hat damit ihre Erledigung
gefunden.
Wir haben aber noch über den Antrag zur Sondermüllverbren
nungsanlage Schöneiche abzustimmen. Der Ausschuß emp
fiehlt, den Antrag Drucksache 11/631 abzulehnen. Jetzt bitte auf
passen! Wer dem Antrag Drucksache 11/631 seine Zustimmung
zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die
Gegenprobe I - Das war die Mehrheit, damit ist der Antrag abge
lehnt.
[193
Ich rufe auf
lfd. Nr. 9, Drucksache 11/786:
Große Anfrage der Fraktion der CDU über Müll
berge
Der Ältestenrat empfiehlt für die Begründung eine Redezeit bis
zu zehn Minuten pro Fraktion. Erhebt sich dagegen Wider
spruch? - Das ist nicht der Fall. Dann gebe ich dem Kollegen
Kittner das Wort zur Begründung.
Kittner (CDU): Frau Präsidentin! Müll ist nicht gleich Müll,
Müll muß sortiert werden. Also haben wir zwei Große Anfragen,
eine zum Sondermüll und eine zu den Müllbergen. Der Senat ist
jetzt ein Jahr im Amt, so daß es Zeit zu fragen wird, was in dieser
Frage passiert ist. Sie wissen, daß zu Beginn der Legislaturperi
ode dieser Senat viel bejubelt worden ist. Die Insider sprachen
von einer Jahrhundertchance für Berlin. Wer die Koalitionsverein- (W
barung gerade zur Müllentsorgung las, dem wurde warm ums
Herz, der staunte, was da alles in sehr kurzer Zeit passieren
sollte. Berlin sollte praktisch zu einem Mekka der Müllentsorgung
werden. Ich kann einige Dinge zitieren, vielleicht sind Sie gar
nicht so erpicht darauf, einiges aus der Koalitionsvereinbarung
zu hören. Es heißt da:
Zwischen AL und SPD besteht Einigkeit, daß die einseitige
auf Abfallbeseitigung ausgerichtete Politik des Umgangs
mit den in Berlin anfallenden Abfällen dahin gehend geän
dert werden muß, daß das Prinzip der Abfallvermeidung Vor
rang haben muß und daß ein Landesabfallgesetz zu erlas
sen ist. Auf den Bau der Müllverbrennungsanlage ist zu ver
zichten.
Dann geht es weiter, da gibt es Stufenpläne über die Müllmen
gen, die dann nur noch anfallen sollten, über die Reduzierungen.
Dann gibt es Konzepte zur konsequenten Abfallvermeidung und
-Verwertung, und es werden dann mehrere Punkte zur Beseiti
gung des Mülls in Berlin angeführt. Es wurden dann Verspre
chungen gemacht, was man alles im Bundesrat machen wollte.
All das wurde laufend auf Wiedervorlage gelegt, dies hören wir
dann in Berichten. Dann gibt es Absichtserklärungen, die immer
wieder Vorkommen, alles wortwörtlich aus der Koalitionsverein
barung abgeschrieben. Geändert hat sich jedoch nichts.
Was haben wir denn heute? Heute wird uns beim Lesen
dieser Koalitionsvereinbarung schlecht, weil da Versprechungen
gemacht wurden, die nicht eingehalten worden sind. Selbst der
Kollege Berger in seiner Kleinen Anfrage sieht das so. Ich
möchte diese Kleine Anfrage, die auch heute durch die Presse
gegangen ist, nicht besprechen. Das macht die Frau Kollegin
Kollotschek, die nach mir reden wird. Der Kollege Berger von der
AL kritisiert die Frau Senatorin von der AL und den Senator von
der SPD sowie den ganzen Senat auf das Harscheste. Es ist
also nicht so, daß die Müllpolitik von der bösen CDU kritisiert
wird, sondern es besteht wohl ein relativer Konsens zwischen
der CDU und der AL darüber, daß in der Müllpolitik anders ver
fahren werden muß.