Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
32. Sitzung vom 31. Mai 1990
1681
Sen Frau Dr. Schreyer
(A) sicher auch senatsgemacht. Zu fragen ist natürlich nur, welchen
Senat Sie eigentlich im Auge haben. Den gegenwärtigen können
Sie jedenfalls nicht meinen. Die Nichtbehandlung des Themas
Sondermüll, die Tatsache, daß dieses Thema einfach nur in den
Schubladen abgelegt wurde, mußte ich bei meinem Amtsantritt
leider sehr bitter erfahren. Es war doch erst dieser Senat, der
erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme der abfallwirt
schaftlichen Rahmenbedingungen und Situation in Berlin veran-
laßte. Auch erst dieser Senat hat die in meiner Verwaltung zuvor
über mehrere Bereiche zerstreute Zuständigkeit für Abfallwirt
schaft in einem Abfallreferat zusammengefaßt, das allerdings lei
der noch nicht mit hinreichendem Personal ausgestattet werden
konnte.
Ich beantworte die Frage zu 2 c wie folgt: Die zusätzlichen
Verkehrsbelastungen lassen sich in etwa wie folgt quantifizie
ren: Zur Zeit werden durch ein privates Unternehmen, das über
entsprechende Genehmigungen verfügt, jährlich rund 5 000
Tonnen Öl-Wasser-Gemische - das sind ca. 250 Transporte -
zur Behandlung ins Bundesgebiet gebracht. Nach dem jetzigen
Abfallaufkommen in Berlin müssen weitere ca. 20 000 Tonnen
nichtbrennbarer Stoffe zu Behandlungsanlagen bzw. zu Depo
nien im Bundesgebiet verbracht werden. Das sind rund
1 000 Transporte. Bei insgesamt rund 1 250 Sonderabfalltrans
porten jährlich - also drei bis vier Transporten pro Tag im Durch
schnitt - ergibt sich dadurch nur eine geringfügige zusätzliche
Belastung der Transitstrecken.
Bei den zu befördernden Sonderabfällen handelt es sich aller
dings zum Teil um Gefahrgut mit den entsprechenden Risiken.
Zu diesen Transporten gibt es aber derzeit keine Alternative.
[Wronski (CDU): Abfalltourismus!]
- Herr Wronski, eigentlich müßten Sie das besser wissen. Nach
dem Recht war genau die Verbringung in die DDR, ins Umland,
Abfalltourismus. Nach dem Abfallgesetz ist die Inlandsverbrin
gung kein Abfalltourismus, obgleich es in der besonderen Situa
tion Berlins natürlich sinnvoller ist, mit dem Umland in Koopera-
tion zu treten. Allerdings haben Sie es versäumt, im Umland dar
auf hinzuwirken, daß solche Deponien entstehen, auf die man
verantwortlicherweise - Sondermüll lagern kann, wenn man ihn
schon nicht vermeiden kann.
[Wronski (CDU): Der Vertrag ist 1974
geschlossen worden, Frau Senatorin!]
Zu 3 a und 4 b antworte ich wie folgt: Es ging zu keinem Zeit
punkt um die Frage, ob der Senat Betriebsschließungen in
Kauf nimmt. Wenn keine Entsorgungsmöglichkeiten bestehen,
ist die Stillegung des abfallentsorgenden Betriebes vielmehr
eine zwingende Folge. Der Senat hat daher alles in seiner Macht
Stehende getan, um Betriebsschließungen zu vermeiden. Aber
es ist zweifelsfrei auch unabdingbar, daß die Wirtschaft das Ihr
dazu tut, nämlich Sonderabfälle vermeidet.
Nach der Schließung der Deponie Vorketzin für Sonderabfälle
durch die DDR hat der Senat kurzfristig eine Zwischenlage
rungsmöglichkeit für diese Sonderabfälle in Berlin-West einge
richtet, die es ermöglicht, das anfallende Sondermüllaufkommen
bis zu einer Verbringung nach Westdeutschland zu lagern. Ande
renfalls wären Produktionsstillegungen unumgänglich. Das
Lager in der Flottenstraße, das bis zu tausend Tonnen aufneh
men kann, ist zunächst bis zum 31. August genehmigt. Bis dahin
wird das neue Lager aut dem ehemaligen BKR-Gelände, das
inzwischen teilweise in Betrieb gegangen ist, ganz fertig gestellt
sein.
[Wronski (CDU): Auf einem vorher sanierten Gebiet!
Das hätten mal andere machen sollen!]
Es weist eine Kapazität von 1 200 Tonnen auf und kann im
Bedarfsfall noch erweitert werden.
[Wronski (CDU): Auch das noch!]
Hier möchte ich auf Ihren Antrag, der noch besprochen wird,
hinweisen. Er enthält unsinnige Bemerkungen, nämlich die, daß
dann, wenn die Sonderabfallverbrennungsanlage direkt in vol
ler Kapazität hätte in Betrieb genommen werden können, solche
Zwischenlagerungen nicht notwendig seien. Ich weiß gar nicht,
wie Herr Dr. Hassemer als ehemaliger Umweltsenator einen (C)
solchen Unsinn unterschreiben kann. Denn natürlich gibt es
Abfälle, Sonderabfälle, die nicht brennbar sind.
[Dr. Heide (CDU): Seit wann wollen
Sie verbrennen? -
Kittner (CDU); Sie sind ein Wendehals!]
Für diese nicht brennbaren, zu deponierenden Sonderabfälle ist
das Zwischenlager geschaffen worden. Es war auch, Herr Kitt
ner, auf der Umweltministerkonferenz die Situation, daß ich nicht
um Verbrennungskapazitäten, sondern um Deponiekapazitäten
ersuchen mußte. Diese haben wir nicht. Deshalb ist der Hinweis
auf Verbrennungskapazitäten an dieser Stelle wenig hilfreich.
[Beifall bei der AL]
Dieses Zwischenlager in der Flottenstraße auf dem BKR-
Gelände entspricht in jeder Hinsicht höchsten Sicherheitsanfor
derungen und wurde gleichwohl in Rekordzeit errichtet. Der
Senat hat also alles Erforderliche getan, um Betriebsstillegun
gen zu vermeiden. Aber ich betone nochmals, daß es auch unab
dingbar ist, daß die Wirtschaft alles in ihren Möglichkeiten Lie
gende und das nach dem Gesetz Erforderliche tun muß, um Son
derabfälle zu vermeiden.
Zudem waren im Rahmen der Möglichkeiten die Beamten der
Senatsverwaltung für Arbeit, Verkehr und Betriebe sowie der
Senatsverwaltung für Wirtschaft tätig, um die Entsorgung der
von Produktionseinschränkungen bedrohten Betriebe zu
sichern. Bisher ist es daher in keinem Fall zu Betriebsschließun-
gen gekommen. Der Senat ist der Überzeugung, daß dies auch
in Zukunft verhindert werden kann. Die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und Umweltschutz wird aber in Zukunft strikte
Auflagen entsprechend dem Bundes-Immissionsschutzgesetz
erlassen, um Reststoffe zu vermeiden.
Zu 4: Die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Umweltschutz vorgeschlagene Sonderabfallentsorgungsge
sellschaft ist weder als Konkurrenz zur BSR gedacht, noch
sollen deren Entwicklungsmöglichkeiten in irgendeiner Weise (D)
behindert werden. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, daß
die Kapazität der von der BSR geplante Anlage zur chemisch-
physikalischen Behandlung von Sonderabteilen beispielsweise
über das in Berlin erforderliche Maß hinaus konzipiert ist. Mit
Unterstützung einer solchen Gesellschaft könnte eine solche
Anlage besonders wirtschaftlich betrieben und optimal genutzt
werden. Die Sonderabfallentsorgung in Berlin muß dringend neu
organisiert werden. Ich schlage deshalb die Errichtung einer
Gesellschaft zur Unterstützung der Vermeidung und der Entsor
gung von Sonderabfällen vor, an der die BSR sowie private
Unternehmen der Entsorgungswirtschaft und auch Vertreter der
industriellen Abfallerzeuger beteiligt sein sollten. Dieses Modell
berücksichtigt die positiven Erfahrungen, die andere Bundeslän
der - auch CDU-regierte Länder wie Niedersachsen und Hes
sen, die damals noch CDU-regiert waren - mit solchen Modellen
und Organisationen gemacht haben. Ein Gutachten dafür ist von
der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz in
Auftrag gegeben worden. Wir haben es ausgewertel, und ein
erstes Thesenpapier befindet sich in der Abstimmung zwischen
den beteiligten Senatsverwaltungen.
Nach meiner Auffassung ist das Land Berlin ohne eine solche
neue Form der Organisation zur Bewältigung seiner Überwa
chungspflichten angesichts des in der ganzen Bundesrepublik
und auch in der DDR herrschenden Sonderabfallnotstandes mit
den gegenwärtig vorhandenen Strukturen nicht ausreichend in
der Lage, seiner Verantwortung als für die Abfalientsorgung im
Sinne des Abfallgesetzes zuständige Körperschaft gerecht zu
werden. Dies gilt sowohl für die BSR als auch für die Abfallbe
hörden. Nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen ist eine
Unterstützung insbesondere bei folgenden Aufgaben erforder
lich :
[Unruhe bei der CDU -
Frau Wiechatzek (CDU): Die liest ja nur vor!]
Durchsetzung des Verwertungsgebots nach dem Abfallgesetz, -
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Ich bitte um etwas Ruhe.