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Volume Nr. 25, 22. Februar 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
32. Sitzung vom 31. Mai 1990 
1681 
Sen Frau Dr. Schreyer 
(A) sicher auch senatsgemacht. Zu fragen ist natürlich nur, welchen 
Senat Sie eigentlich im Auge haben. Den gegenwärtigen können 
Sie jedenfalls nicht meinen. Die Nichtbehandlung des Themas 
Sondermüll, die Tatsache, daß dieses Thema einfach nur in den 
Schubladen abgelegt wurde, mußte ich bei meinem Amtsantritt 
leider sehr bitter erfahren. Es war doch erst dieser Senat, der 
erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme der abfallwirt 
schaftlichen Rahmenbedingungen und Situation in Berlin veran- 
laßte. Auch erst dieser Senat hat die in meiner Verwaltung zuvor 
über mehrere Bereiche zerstreute Zuständigkeit für Abfallwirt 
schaft in einem Abfallreferat zusammengefaßt, das allerdings lei 
der noch nicht mit hinreichendem Personal ausgestattet werden 
konnte. 
Ich beantworte die Frage zu 2 c wie folgt: Die zusätzlichen 
Verkehrsbelastungen lassen sich in etwa wie folgt quantifizie 
ren: Zur Zeit werden durch ein privates Unternehmen, das über 
entsprechende Genehmigungen verfügt, jährlich rund 5 000 
Tonnen Öl-Wasser-Gemische - das sind ca. 250 Transporte - 
zur Behandlung ins Bundesgebiet gebracht. Nach dem jetzigen 
Abfallaufkommen in Berlin müssen weitere ca. 20 000 Tonnen 
nichtbrennbarer Stoffe zu Behandlungsanlagen bzw. zu Depo 
nien im Bundesgebiet verbracht werden. Das sind rund 
1 000 Transporte. Bei insgesamt rund 1 250 Sonderabfalltrans 
porten jährlich - also drei bis vier Transporten pro Tag im Durch 
schnitt - ergibt sich dadurch nur eine geringfügige zusätzliche 
Belastung der Transitstrecken. 
Bei den zu befördernden Sonderabfällen handelt es sich aller 
dings zum Teil um Gefahrgut mit den entsprechenden Risiken. 
Zu diesen Transporten gibt es aber derzeit keine Alternative. 
[Wronski (CDU): Abfalltourismus!] 
- Herr Wronski, eigentlich müßten Sie das besser wissen. Nach 
dem Recht war genau die Verbringung in die DDR, ins Umland, 
Abfalltourismus. Nach dem Abfallgesetz ist die Inlandsverbrin 
gung kein Abfalltourismus, obgleich es in der besonderen Situa 
tion Berlins natürlich sinnvoller ist, mit dem Umland in Koopera- 
tion zu treten. Allerdings haben Sie es versäumt, im Umland dar 
auf hinzuwirken, daß solche Deponien entstehen, auf die man 
verantwortlicherweise - Sondermüll lagern kann, wenn man ihn 
schon nicht vermeiden kann. 
[Wronski (CDU): Der Vertrag ist 1974 
geschlossen worden, Frau Senatorin!] 
Zu 3 a und 4 b antworte ich wie folgt: Es ging zu keinem Zeit 
punkt um die Frage, ob der Senat Betriebsschließungen in 
Kauf nimmt. Wenn keine Entsorgungsmöglichkeiten bestehen, 
ist die Stillegung des abfallentsorgenden Betriebes vielmehr 
eine zwingende Folge. Der Senat hat daher alles in seiner Macht 
Stehende getan, um Betriebsschließungen zu vermeiden. Aber 
es ist zweifelsfrei auch unabdingbar, daß die Wirtschaft das Ihr 
dazu tut, nämlich Sonderabfälle vermeidet. 
Nach der Schließung der Deponie Vorketzin für Sonderabfälle 
durch die DDR hat der Senat kurzfristig eine Zwischenlage 
rungsmöglichkeit für diese Sonderabfälle in Berlin-West einge 
richtet, die es ermöglicht, das anfallende Sondermüllaufkommen 
bis zu einer Verbringung nach Westdeutschland zu lagern. Ande 
renfalls wären Produktionsstillegungen unumgänglich. Das 
Lager in der Flottenstraße, das bis zu tausend Tonnen aufneh 
men kann, ist zunächst bis zum 31. August genehmigt. Bis dahin 
wird das neue Lager aut dem ehemaligen BKR-Gelände, das 
inzwischen teilweise in Betrieb gegangen ist, ganz fertig gestellt 
sein. 
[Wronski (CDU): Auf einem vorher sanierten Gebiet! 
Das hätten mal andere machen sollen!] 
Es weist eine Kapazität von 1 200 Tonnen auf und kann im 
Bedarfsfall noch erweitert werden. 
[Wronski (CDU): Auch das noch!] 
Hier möchte ich auf Ihren Antrag, der noch besprochen wird, 
hinweisen. Er enthält unsinnige Bemerkungen, nämlich die, daß 
dann, wenn die Sonderabfallverbrennungsanlage direkt in vol 
ler Kapazität hätte in Betrieb genommen werden können, solche 
Zwischenlagerungen nicht notwendig seien. Ich weiß gar nicht, 
wie Herr Dr. Hassemer als ehemaliger Umweltsenator einen (C) 
solchen Unsinn unterschreiben kann. Denn natürlich gibt es 
Abfälle, Sonderabfälle, die nicht brennbar sind. 
[Dr. Heide (CDU): Seit wann wollen 
Sie verbrennen? - 
Kittner (CDU); Sie sind ein Wendehals!] 
Für diese nicht brennbaren, zu deponierenden Sonderabfälle ist 
das Zwischenlager geschaffen worden. Es war auch, Herr Kitt 
ner, auf der Umweltministerkonferenz die Situation, daß ich nicht 
um Verbrennungskapazitäten, sondern um Deponiekapazitäten 
ersuchen mußte. Diese haben wir nicht. Deshalb ist der Hinweis 
auf Verbrennungskapazitäten an dieser Stelle wenig hilfreich. 
[Beifall bei der AL] 
Dieses Zwischenlager in der Flottenstraße auf dem BKR- 
Gelände entspricht in jeder Hinsicht höchsten Sicherheitsanfor 
derungen und wurde gleichwohl in Rekordzeit errichtet. Der 
Senat hat also alles Erforderliche getan, um Betriebsstillegun 
gen zu vermeiden. Aber ich betone nochmals, daß es auch unab 
dingbar ist, daß die Wirtschaft alles in ihren Möglichkeiten Lie 
gende und das nach dem Gesetz Erforderliche tun muß, um Son 
derabfälle zu vermeiden. 
Zudem waren im Rahmen der Möglichkeiten die Beamten der 
Senatsverwaltung für Arbeit, Verkehr und Betriebe sowie der 
Senatsverwaltung für Wirtschaft tätig, um die Entsorgung der 
von Produktionseinschränkungen bedrohten Betriebe zu 
sichern. Bisher ist es daher in keinem Fall zu Betriebsschließun- 
gen gekommen. Der Senat ist der Überzeugung, daß dies auch 
in Zukunft verhindert werden kann. Die Senatsverwaltung für 
Stadtentwicklung und Umweltschutz wird aber in Zukunft strikte 
Auflagen entsprechend dem Bundes-Immissionsschutzgesetz 
erlassen, um Reststoffe zu vermeiden. 
Zu 4: Die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und 
Umweltschutz vorgeschlagene Sonderabfallentsorgungsge 
sellschaft ist weder als Konkurrenz zur BSR gedacht, noch 
sollen deren Entwicklungsmöglichkeiten in irgendeiner Weise (D) 
behindert werden. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, daß 
die Kapazität der von der BSR geplante Anlage zur chemisch- 
physikalischen Behandlung von Sonderabteilen beispielsweise 
über das in Berlin erforderliche Maß hinaus konzipiert ist. Mit 
Unterstützung einer solchen Gesellschaft könnte eine solche 
Anlage besonders wirtschaftlich betrieben und optimal genutzt 
werden. Die Sonderabfallentsorgung in Berlin muß dringend neu 
organisiert werden. Ich schlage deshalb die Errichtung einer 
Gesellschaft zur Unterstützung der Vermeidung und der Entsor 
gung von Sonderabfällen vor, an der die BSR sowie private 
Unternehmen der Entsorgungswirtschaft und auch Vertreter der 
industriellen Abfallerzeuger beteiligt sein sollten. Dieses Modell 
berücksichtigt die positiven Erfahrungen, die andere Bundeslän 
der - auch CDU-regierte Länder wie Niedersachsen und Hes 
sen, die damals noch CDU-regiert waren - mit solchen Modellen 
und Organisationen gemacht haben. Ein Gutachten dafür ist von 
der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz in 
Auftrag gegeben worden. Wir haben es ausgewertel, und ein 
erstes Thesenpapier befindet sich in der Abstimmung zwischen 
den beteiligten Senatsverwaltungen. 
Nach meiner Auffassung ist das Land Berlin ohne eine solche 
neue Form der Organisation zur Bewältigung seiner Überwa 
chungspflichten angesichts des in der ganzen Bundesrepublik 
und auch in der DDR herrschenden Sonderabfallnotstandes mit 
den gegenwärtig vorhandenen Strukturen nicht ausreichend in 
der Lage, seiner Verantwortung als für die Abfalientsorgung im 
Sinne des Abfallgesetzes zuständige Körperschaft gerecht zu 
werden. Dies gilt sowohl für die BSR als auch für die Abfallbe 
hörden. Nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen ist eine 
Unterstützung insbesondere bei folgenden Aufgaben erforder 
lich : 
[Unruhe bei der CDU - 
Frau Wiechatzek (CDU): Die liest ja nur vor!] 
Durchsetzung des Verwertungsgebots nach dem Abfallgesetz, - 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Ich bitte um etwas Ruhe.
	        
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