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Volume Nr. 30, 10. Mai 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
30. Sitzung vom 10. Mai 1990 
1603 
Diepgen 
(A) Normalerweise hätte ich erwartet, daß der Regierende Bürger 
meister angesichts der Streitigkeiten im Senat Stellung nimmt. 
Ich habe auch mit den Fraktionskollegen darüber nachgedacht, 
ob wir uns bemühen sollten, den Regierenden Bürgermeister in 
dieser Debatte noch zu hören. Ich weiß, daß er in Ost-Berlin ist 
und die Opposition akzeptieren muß, daß es Termine gibt, auf 
grund derer ein Regierender Bürgermeister hier nicht anwesend 
sein kann. Die Alternative wäre, daß wir die Debatte unterbre 
chen, andere Tagesordnungspunkte vorziehen und dann den 
Regierenden Bürgermeister hören. Ich weiß, daß ein solches 
Vorgehen, das ich eigentlich für sachlich richtig halte, bei der 
Regierungsfraktion offenbar auf Widerstand stößt; ich nehme 
das zur Kenntnis; ich habe das quer durch die Reihen gehört. 
Deswegen verzichte ich auf dieses Verfahren. 
Es bleibt allerdings, daß wir - ich nannte bereits die entspre 
chenden Artikel und Paragraphen - gegen die Senatorin für 
Stadtentwicklung und Umweltschutz einen Mißtrauensantrag 
einbringen. 
[Beifall bei der CDU - 
Frau Künast (AL): Welch eine Ehre für siel] 
Die Begründung für einen Mißtrauensantrag liegt darin, daß wir 
den Eindruck haben, hier wird bewußt ein notwendiges Verfah 
ren, die notwendige Genehmigung, zum Nachteil des Landes 
Berlin und der wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt verzö 
gert. 
[Beifall bei der CDU] 
Wir haben aus dieser Debatte nicht den Eindruck gewinnen kön 
nen, daß es tatsächlich nur darum geht, für zwei Monate ein wei 
teres Anhörungsverfahren durchzuführen. Dabei komme ich auf 
die unterschiedlichen Rechtspositionen, die dargestellt worden 
sind. 
[Frau Künast (AL): Was beantragen Sie denn jetzt?] 
- Den Mißtrauensantrag bringe ich ein. 
(B) [Zurufe] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Herr Diepgen spricht 
zu § 45 der Geschäftsordnung - dabei geht es um einen Miß 
trauensantrag -, was er jederzeit machen kann, wenn das in 
einem sachlichen Zusammenhang zu dem steht, was wir vorher 
debattiert haben. Insofern kann er fünf Minuten dazu reden; bis 
jetzt hat er drei Minuten gesprochen. 
[Dr. Staffelt (SPD): Ich wollte nur wissen, 
wie lange er schon redet!] 
Diepgen (CDU): Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Dr. Staffelt, 
daß Sie akzeptieren, daß man die geschäftsordnungsmäßigen 
und verfassungsmäßigen Rechte hier nutzt. 
[Zuruf von der AL] 
- Wenn Sie das wissen wollen, unterbrechen Sie mich doch 
nicht, denn dann dauert das noch länger. 
Unser Eindruck ist also, daß auch nach zwei Monaten das 
selbe Verfahren und dieselbe Arbeitsweise des Senats wieder 
deutlich werden. Es gibt wieder einen Beschluß, wieder eine Ver 
schiebung und wieder den Beschluß. Rechtliche oder andere 
Bedenken werden vorgeschoben, ohne zu einer Entscheidung 
zu kommen, die für Berlin wichtig ist. 
[Beifall bei der CDU] 
Es ist nicht nur eine Entscheidung, die für das HMI wichtig ist, es 
ist eine Entscheidung, die für die gesamte Wissenschaftsland 
schaft und die Arbeitsplätze in Berlin wichtig ist. 
[Beifall bei der CDU] 
Die unterschiedlichen Rechtspositionen sind darin deutlich 
geworden, daß ich jedenfalls aus dem Gesamtkontext der Aus 
sagen von Frau Senatorin Schreyer - jeder, der sorgfältig zuge 
hört hat, wird dem zustimmen müssen - den Eindruck habe, daß 
sie generell die Einrichtung Hahn-Meitner-Institut nicht für 
genehmigungsfähig hält, weil sie eine schadlose Verwertung 
wegen des Zusammenhangs mit dem angeblichen Rüstungs- (C) 
kreislauf nicht für möglich hält. Das ist ihre Position, und offen 
sichtlich wirbt sie für diese Position außerparlamentarisch und in 
der Verwaltung in Verletzung ihrer Amtspflichten. Deswegen ist 
ein Mißtrauensantrag notwendig, damit Schaden von dieser 
Stadt gewendet werden kann. 
[Starker Beifall bei der CDU] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Ein Mißtrauensantrag 
kann jederzeit im Zusammenhang mit dem Sachverhalt einge 
bracht werden; hier soll Frau Senatorin Schreyer das Vertrauen 
entzogen werden. Wir müssen nach unserer Geschäftsordnung 
darüber beraten. Die Fraktionen sollten sich untereinander dar 
über verständigen, wie wir vergehen wollen, ob dies bei der 
nächsten turnusmäßigen Sitzung geschehen soll. 
[Kern (SPD); Gleich zum Antrag äußern I] 
Ich schlage vor, daß sich alle Fraktionen noch zu diesem 
Antrag äußern können. Problematisch ist nur, daß wir uns mitten 
in einer Debatte - mit einer noch offenen Wortmeldung - befin 
den. Wir sollten gegebenenfalls in der Debatte fortfahren und die 
Fraktionen sich danach zu dem Antrag äußern. 
[Landowsky (CDU): Kann dann noch 
jede Fraktion sprechen?] 
- Natürlich kann zu einem Mißtrauensantrag auch gesprochen 
werden. Insofern müßten wir uns nur verständigen, ob und in 
welcher Reihenfolge gesprochen wird. Ich meine, es wäre den 
anderen Fraktionen gegenüber fair, dies in diesem Zusammen 
hang zu tun. Dann hätte Frau Dr. Schramm jetzt die Möglichkeit, 
dazu zu reden. - Bitte, Frau Dr. Schramm! 
Frau Dr. Schramm (AL): Herr Diepgen hat gerade dazu auf 
gefordert, nach Willkür zu entscheiden. Er hat dazu aufgefordert, 
daß Frau Schreyer diese Frage nach politischem Gutdünken klä 
ren soll, obwohl die Voraussetzungen für die Genehmigung nach 
Recht und Gesetz nicht gegeben sind. Sie haben überhaupt 
keinen Versuch gemacht, diese zu prüfen. Sie haben einfach (D) 
gesagt, es wird durch die Verzögerung Schaden für das Land 
Berlin entstehen. Wenn ein Forschungsreaktor gegen Recht und 
Gesetz genehmigt werden würde, 
[Diepgen (CDU): Stimmt überhaupt nicht!] 
wäre das ein viel größerer Schaden, der auf das Land Berlin 
zukäme. 
[Beifall bei der AL] 
Sie folgen blind Herrn Riesenhuber ex cathedra, der - obwohl er 
für die Genehmigung nicht zuständig ist - sich eine Kompetenz 
anmaßt, die er nicht hat. Ich habe von der CDU bisher in allen 
Debatten noch keine Begründung gehört, inwiefern die Voraus 
setzungen für die Genehmigung vorliegen, inwiefern ein Entsor 
gungsnachweis gegeben ist. Sie drücken sich in einem Maß vor 
der inhaltlichen Auseinandersetzung, daß das nicht mehr mit 
anzusehen ist. Ich habe den Eindruck, wer immer von Ihnen bis 
her geredet hat, versteht überhaupt nicht, worum es sich handelt. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Auf der Grundlage von Ignoranz und „Augen zu und durch“ 
wurde jetzt dieser Mißtrauensantrag gestellt, der absurd ist, 
weil Frau Schreyer nichts anderes macht als das, was vorge 
schrieben ist. 
[Schütze (CDU); Wissen Sie denn überhaupt, 
wovon Sie reden?] 
- Ich weiß genau, wovon ich rede. 
[Diepgen (CDU): Wenn Sie wissen, wovon Sie reden, 
dann lügen Sie!] 
Solange niemand weiß, was in dieser Entsorgungsanlage Doun- 
reay los ist, ob eine Wiederaufarbeitung möglich ist, ob das ein 
Zwischenlager ist, kann doch nicht in völliger Blindheit gesagt 
werden, wir schicken die Brennstäbe nach dort. Das geht doch 
nicht und wäre leichtfertig und mit Recht und Gesetz nicht ver 
einbar. 
[Beifall bei der AL]
	        
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