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Volume Nr. 30, 10. Mai 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
30. Sitzung vom 10. Mai 1990 
1601 
Frau Sen Dr. Schreyer 
(A) hat lediglich darauf hingewiesen, daß Kernwaffen-Staaten, die 
dem Nichtverbreitungsvertrag und dem Euratom-Vertrag beige 
treten sind, das Material eigenverantwortlich verwenden können. 
Diese bisherige Verwendung für den militärischen Brennstoff 
kreislauf ist nach meiner Auffassung nicht eine schadlose Ver 
wertung im Sinne des Atomgesetzes. Das ist im übrigen nicht 
nur meine Meinung, sondern ich teile sie beispielsweise auch mit 
Teilen der SPD, die auf dieser Argumentation den Normenkon- 
trollantrag der SPD-Fraktion 1988 aufgebaut hat. 
Das Atomgesetz schreibt eine schadlose Verwertung vor 
bzw. für solche Brennstäbe, für die es eine solche schadlose Ver 
wertung nicht gibt oder bei denen sie zu teuer oder technisch 
nicht möglich ist, daß eine geordnete Beseitigung erfolgt. Des 
halb ist es meines Erachtens in der Tat unglaublich - Herr Ber 
ger, Sie haben das schon erwähnt -, welche Position der 
Bundesforschungsminister innehat, der sagt, daß das Schicksal 
der Brennelemente nicht zu interessieren hätte. Eine solche 
Position ist schier unglaublich; ich teile sie nicht. 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Ich komme jetzt auf das Schreiben des Bundesumweltministe 
riums zu sprechen, das von Herrn Schütze erwähnt wurde, auf 
das Herr Wagner auch ausführlich einging, das Schreiben, 
wonach die bisher vorgelegten Verträge des HMI - das heißt, 
der NUKEM - mit Großbritannien mit den Grundsätzen für 
einen Entsorgungsnachweis übereinstimmen. Diese Grund 
sätze zum Entsorgungsvorsorgenachweis wurden 1977 als 
übereinstimmende Meinung der Bundesländer und der Bundes 
regierung formuliert. Sie wurden als Mindestvoraussetzung for 
muliert; man hat damals - wegen der völlig ungeklärten Entsor 
gungslage und der völlig ungeklärten Frage, welche Anlagen in 
der Bundesrepublik gebaut werden sollen - formuliert, daß für 
mindestens sechs Jahre nachgewiesen werden soll, daß die 
bestrahlten Brennelemente irgendwo sicher aufbewahrt werden. 
Es war damals - 1977 - noch eine offene Frage, was die bes- 
(B) sere Lösung ist - eine Wiederaufarbeitung oder die Endlage 
rung. In den 80er Jahren hatte sich die Bundesregierung für die 
Wiederaufarbeitung von Brennelementen ausgesprochen, wäh 
rend die SPD-geführten Länder - 1984 - Nordrhein-Westfalen, 
Hamburg, Bremen und Hessen auf der Grundlage einer gemein 
sam von den Bundesländern in Auftrag gegebenen Studie über 
alternative Entsorgung zu dem Schluß kamen, daß der Endiage- 
rung der Vorzug zu geben ist. 
Aus diesem Grund haben dann die SPD-Länder immer wieder 
den Vorstoß gemacht, die Grundsätze zur Entsorgung neu zu 
formulieren. 1985 hat der damalige Ministerpräsident Börner 
das gegenüber der Bundesregierung versucht, aber er wurde 
abgebügelt. Dann hat Ministerpräsident Rau auf der Ministerprä 
sidentenkonferenz im Februar 1988 den Vorstoß gemacht, mehr 
mals auch im Jahr 1989. Schließlich ist es auf der Ministerpräsi 
dentenkonferenz im Oktober 1989 gelungen, daß die Bundesre 
gierung und die CDU-geführten Länder darin eingewilligt haben, 
daß die Bundesländer auf Staatssekretärebene wieder Zusam 
mentreffen, um die Grundsätze für die Entsorgung neu zu formu 
lieren. Ich bin der Meinung, daß es deshalb, weil das Problem der 
weiteren Verwendung und der Entsorgung der hochangereicher- 
ten Brennstäbe aus Forschungsreaktoren nicht nur ein Berliner 
Problem ist, auch auf die Staatssekretärkonferenz gehört und 
daß dort gemeinsam besprochen werden muß, welcher Entsor 
gungsnachweis als ausreichend anerkannt wird für die Entsor 
gung von hochangereicherten Brennelementen oder welche 
nicht. Ich meine, daß es nicht angehen kann, daß man sich beim 
heutigen Erkenntnisstand damit zufrieden gibt, daß der Verbleib 
der Brennelemente nur für sechs Jahre geregelt werden muß, 
und darüber hinaus die Fragestellung völlig offen ist, was man 
anschließend mit den Materialien macht. 
[Beifall bei der AL] 
Ich halte es vor allen Dingen auch für keine Lösung, wenn die 
Brennelemente länger in Wannsee gelagert werden oder gar 
auf eine unbestimmte Dauer. Das ist meines Erachtens kein 
zufriedenstellender Entsorgungsnachweis. Ich halte das nicht für 
kompatibel im Sinne des Atomgesetzes. 
Ich betone nochmals, daß ich tatsächlich Schwierigkeiten (C) 
habe, das Rechtsverständnis des BMFT und des Herrn Profes 
sor Riesenhuber nachzuvollziehen, wonach das Schicksal der 
Brennelemente nicht zu interessieren hätte. Ich als Umweltsena 
torin und Atombehörde halte es für meine Pflicht, mich um das 
Schicksal der Brennelemente zu kümmern. Ich bekunde meinen 
unbeugsamen Willen, dieses auch zu tun! 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Frau Dr. Riedmüller-Seel 
hat jetzt das Wort. 
Frau Dr. Riedmüller-Seel, Senatorin für Wissenschaft und 
Forschung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und 
Herren! Herr Schütze, ich bin nicht für alle Sünden verantwort 
lich, die Sie vorgetragen haben. Was meinen Schwur anbelangt, 
so habe ich gesagt, daß ich zu meinem Wort stehe, allerdings 
kommt es mir auf ein oder zwei Monate nicht an, weil - wie Sie 
auch wissen - noch eine ganze Reihe von Fragen - Kollegin 
Schreyer hat sie vorgetragen - zu klären sind. Inzwischen kön 
nen wir in aller Ruhe das Potsdamer Beteiligungsverfahren 
durchführen. Ich denke, daß es zwar rechtlich nicht zwingend, 
aber politisch geboten ist. 
[Schütze (CDU); Frau Schreyer hat 
etwas ganz anderes gesagt!] 
Deshalb hat sich der Senat für die Potsdamer Beteiligung ent 
schieden, weil sie politisch geboten, rechtlich aber nicht zwin 
gend ist. 
Ich möchte ganz kurz etwas zu der neuesten Attacke aus Bonn 
sagen. Herr Schütze, während Sie mit Herrn Riesenhuber 
gesprochen haben, war ich im Forschungsausschuß und habe 
Herrn Riesenhuber dort vermißt. Wir hatten dort eine sehr sachli 
che Diskussion - viele Argumente hier kann man so nicht 
bezeichnen. Wir haben die forschungspolitische Bedeutung des 
HMI - - (D) 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Frau Dr. Riedmüller-Seel, 
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wronski? 
Frau Dr. Riedmüller-Seel, Senatorin für Wissenschaft und 
Forschung: Nein, nein! Ich bin sehr in Eile, es tut mir leid. - 
[Unruhe bei der CDU] 
Ich muß sagen, daß trotz der forschungspolitischen Bedeu 
tung, die unumstritten ist und nach der Öffnung der Grenzen 
auch noch an Bedeutung zugenommen hat, die auch in der euro 
päischen Dimension gewachsen ist - es befinden sich heute 
europäische Wissenschaftler zu einer Tagung im HMI -, die 
Sicherheitsfrage des Reaktors in der Entscheidung des 
Senats immer Vorrang gehabt hat. Wir prüfen nach Recht und 
Gesetz, auch der Regierende Bürgermeister hat das immer wie 
der betont. Und die Beteiligung der Potsdamer Bürger erfolgt 
nach Recht und Gesetz, denn sie ist nach dem Atomgesetz mög 
lich, nicht zwingend in dieser Phase, aber eben möglich. Diese 
Beteiligung ist im Konsens mit dem HMI und dem Betreiber 
beschlossen worden. 
[Schütze (CDU): Das ist schlicht falsch! 
Sie sagen die Unwahrheit!] 
Das kann ich sagen: Sie ist im Konsens beschlossen worden, 
weil ich, schon bevor diese Diskussion begann, mit dem HMI 
über eine freiwillige Auslegung in Potsdam gesprochen habe, 
die auch bereits begonnen wurde. Ich meine, es ist ein guter 
Schritt, nach der Öffnung der Grenzen auch die Interessen der 
Bürger in der DDR ernst zu nehmen und sie nicht immer nur zu 
beschwören. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Ich möchte abschließend sagen, daß die Drohung des Bun 
des, aus dem Institut auszusteigen, einen Vertragsbruch dar 
stellen würde. Der Bund hat jetzt diese Möglichkeit nicht; er 
hätte sie allerdings Ende 1991. Aber bis zu diesem Zeitpunkt
	        
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