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Volume Nr. 28, 5. April 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
28. Sitzung vom 5. April 1990 
1529 
(A) Präsident Wohlrabe: Das Wort hat jetzt der Kollege Löffler. 
Löffler (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen 
und Herren! Die Sozialdemokratische Fraktion kann nicht auf ihr 
nicht vorliegende Agenturmeldungen hin eine sofortige 
Beschlußfassung aussetzen und eine Beratung im Bundesaus 
schuß vornehmen, die keine Substanz hat, wie Sie selbst gesagt 
haben, denn in der Sache wollen Sie ja zustimmen. Das Problem 
ist von so entscheidener politischer Bedeutung, daß es keine 
Rolle spielt, ob wir ein großer oder nicht so großer Landtag sind. 
Wir stehen an der Nahtstelle der Entwicklung, und es steht uns 
gut an, unzweifelhaft unseren Willen zu bekunden, wie der 
Antrag lautet. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Präsident Wohlrabe: Es hat sich dazu noch der Kollege 
Gramer gemeldet. 
Gramer (AL); Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ins 
besondere meine Damen und Herren der CDU! Es ist bekannt, 
daß in Ihren Reihen unterschiedliche Positionen zur Anerken 
nung der polnischen Westgrenze existieren. 
[Frau Dr. Laurien (CDU): Nicht in unserer Fraktion!] 
Es ist ferner bekannt, daß in dieser Frage ein größerer Teil von 
Ihnen der Position der Katholischen Kirche und der von Bundes 
präsident von Weizsäcker eher zuneigt als der von Kanzler Kohl. 
[Buwitt (CDU): Das ist doch Quatsch! - 
Frau Dr. Laurien (CDU): Unsinn!] 
Das Bekenntnis zur Anerkennung der polnischen Westgrenze ist 
überfällig, auch um den europäischen Einigungsprozeß nicht zu 
gefährden. Wir alle und mit uns unsere Nachbarn könnten aufat- 
men, wenn es in dieser Frage einen breiten Konsens im Parla 
ment und in der Gesellschaft gäbe. Deshalb möchte ich Sie, 
meine Damen und Herren der CDU, darum bitten, stimmen Sie 
(B) dem vorliegenden Antrag zu! 
[Beifall bei der AL] 
Präsident Wohlrabe: Das Wort hat der Abgeordnete Kend- 
zia. 
Kendzia (REP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Uber die Notwendigkeit einer deutsch-polnischen Aussöhnung 
gibt es keinen Zweifel. Es gibt auch keinen Zweifel darüber, daß 
das polnische Volk ein Recht hat, in gesicherten Grenzen zu 
leben. Nur - wer da meint, dies zu bewirken, wenn er hier Fahnen 
demontiert und eine Demarkationslinie als Grenze anerkennt, der 
irrt. Erstens kann diese Grenze niemals im völkerrechtlichen 
Sinne eine rechtmäßige Grenze werden, weil sie mit Gewalt, 
Menschenrechtsverbrechen, Vertreibung und Mord erzwungen 
wurde. Zweitens gibt es noch einiges andere, was zwischen 
dem deutschen und dem polnischen Volk ausgeräumt und 
geklärt werden muß, nicht nur die Grenzfrage. Eine Generalbe 
reinigung zwischen diesen Völkern ist angesagt, 
[Dr. Staffelt (SPD): Was sind denn das für Vokabeln? - 
Pfui Teufel!] 
um einen dauerhaften Frieden zu erreichen. Wenn wir also mit 
dem Völkerrecht nicht weiterkommen, müssen gerechte und 
ausgleichende Lösungen für die Aussöhnung sorgen und diese 
bewirken. Wer da meint, heute mit dringlichen Anträgen - sozu 
sagen als Nacht- und Nebelaktion - etwas zu bewirken, 
[Dr. Staffelt (SPD): Lächerlich, was Sie sagen!] 
um angeblich damit eine historische Tat zu begehen, leistet der 
Sache an sich einen Bärendienst. 
[Beifall bei den REP] 
Einseitige Verzichtserklärungen und Unterwerfungen gefährden 
den Frieden, den wir hier anstreben und den unsere in der Ver 
gangenheit so geschundenen Völker wahrlich verdienen. Nur, 
damit erreichen Sie das nicht. 
[Beifall bei den REP] 
Präsident Wohlrabe: Das Wort hat der Abgeordnete Lan- (C) 
dowsky! 
Landowsky (CDU): Bei einer sachgerechten Diskussion 
dieses Themas sind die Republikaner nicht hilfreich. 
[Vereinzelter Beifall bei der SPD] 
Ich wundere mich allerdings über die Hybris, mit der hier seitens 
der Regierungskoalition an dieses Thema herangegangen wird, 
als wären wir diejenigen, die zu entscheiden hätten, wie der 
Inhalt der Erklärung der beiden Regierungen und der beiden 
nationalen Parlamente ist. Das Problem ist für uns unstrittig. Die 
Hektik, mit der Sie diesen Antrag betreiben, entspringt nicht 
einem Gewissenskonflikt. Sonst wäre es kein dringlicher Antrag 
gewesen, sonst wäre es ein Antrag gewesen, der Sie lange 
bewegt hätte; denn aktuell hat zur Einbringung dieses Antrags 
nichts beigetragen. Deshalb haben wir darum gebeten; Lassen 
Sie uns zeitgleich mit den beiden anderen Parlamenten diesen 
Antrag behandeln und diesen Willen auch bekunden. 
Ich und meine Fraktion haben mit der Formulierung überhaupt 
keine Schwierigkeiten, vom Inhalt her. Von uns aus wissen die 
Polen auch, da gibt es auch keine — Sehen Sie, da lachen Sie 
bei diesen Themen, also man merkt schon, wie banal Sie mit 
einem solchen Thema umgehen. 
[Beifall bei der CDU - 
Frau Korthaase (SPD): Wir lachen überhaupt nicht!] 
Weil Sie auf anderem politischem Gebiet gemeinsam nichts 
mehr leisten können, machen Sie einen Ausflug in die Außenpoli 
tik. Das ist doch die Ersatzvornahme für Politik. Wir haben Sie 
gebeten, diesen Antrag im Bundesauschuß zu dikutieren, 
[Frau Künast (AL): Was wollen Sie da diskutieren?] 
und dann wäre er als Beschlußempfehlung wieder hierher 
gekommen. Wir hätten dem Antrag und dem Appell dann auch 
zugestimmt, was völlig klar ist. Die endgültige und rechtsverbind 
liche Verpflichtung für Deutschland insgesamt werden dann das (D) 
im nächsten Jahr zu wählende gesamtdeutsche Parlament und 
die daraus zu bildende gesamtdeutsche Regierung eingehen. 
Hier handelt es sich wieder nur um eine Zwischenlösung, die - 
glaube ich - die Diskussion nicht endgültig beendet, sondern wir 
werden uns bis zur endgültigen Beendigung der Diskussion bis 
zu einer gesamtdeutschen Regierung und einem gesamtdeut 
schen Parlament noch begnügen müssen, leider auch unsere 
polnischen Nachbarn. 
ln der Sache sage ich: Ich habe gegen den Inhalt dieses 
Appells keine Bedenken. Ich finde es nur vermessen, daß Sie — 
[Zuruf des Abg. Dr. Statz (AL)] 
- Ach, Herr Statz, mit Ihnen rede ich über das Thema eigentlich 
gar nicht, eher mit den Sozialdemokraten. 
[Frau Künast (AL): Soli er jetzt rausgehen? - 
Dr. Staffelt (SPD): Kille, kille!] 
- Natürlich, mache ich immer, Herr Staffelt! - Das kann sein, das 
kommt eben auf den Inhalt an, das hängt vom Inhalt ab. Sehen 
Sie, das ist Ihr Stil der Diskussion, mit solchen Themen „kille, 
kille“ umzugehen, ich weiß, daß Sie das Thema innerlich über 
haupt nicht bewegt. Sie glauben, bei uns finden Sie abwei 
chende Meinung. Dabei wissen Sie ganz genau, daß die Union in 
dieser Frage einheitlich denkt. 
[Gelächter links] 
Sie können mich dabei überhaupt nicht aus der Ruhe bringen, es 
zeugt nur von der Banalität bei diesem Problem, wie Sie damit 
umgehen. 
Die Union und die unionsgeführte gesamtdeutsche Regierung 
wird dem polnischen Volk mit dem Bundestag oder mit einem 
gesamtdeutschen Parlament garantieren, daß sie in sicheren 
Grenzen leben, so wie die Grenzen heute sind. Davon können 
Sie verbindlich ausgehen, und die polnische Regierung tut das 
auch im Gegensatz zu Ihnen. Sie werden also jetzt vor der Frage 
stehen, ob Sie diese Hybris der Aufforderung an die beiden 
Nationalparlamente, ob Sie darauf bestehen wollen oder nicht
	        
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