Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
28. Sitzung vom 5. April 1990
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Hopmann
(A) zepte vorgelegt worden oder in der Realisierung - es wird also
etwas getan aber es fehlt die Gesamtsicht und die Ordnung
nach Prioritäten.
Durch die einseitige Sicht der Fachressorts gerät der
Gesichtspunkt der Beschäftigungswirksamkeit und der Konditio
nen von Arbeitsplätzen regelmäßig aus dem Blickfeld. Eine
beschäftigungsorientierte Investitionsplanung gerät so zuneh
mend unter die Räder. Bei dieser Kritik schließe ich ausdrücklich
die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz
mit ein. - Dies alles geschieht, obwohl der rotgrüne Senat von
Anfang an der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit höchste Priorität
gegeben hat!
Ich gebe deshalb auch der SPD-Fraktion noch einmal zu
bedenken, den von uns vorgeschlagenen Antrag für ein integrier
tes Konzept zu unterstützen, damit wir ihn gemeinsam einbringen
können. Ich habe nun als Einwand gehört, daß das ein Showan
trag wäre oder die Senatsverwaltung schon so verfahren werde
und es sowieso zu lange dauern würde, bis das alles durch das
Parlament geht - ich hätte nichts dagegen, wenn der Senat
schon vorher beginnt, dem Antrag entsprechend zu verfahren,
und das Programm „Arbeit ’90“ enthält in vielem auch Ansätze
dazu -, aber die SPD-Fraktion wird mir darin zustimmen, wenn
ich sage, daß unter dem Stichwort „Arbeit und Umwelt“ bzw.
„ökologischer und sozialer Stadtumbau“ - mehr zu verstehen ist.
Warum sollen wir das nicht endlich auch als Antrag unter wirt-
schafts-, arbeitsmarkt- und bildungspolitischer Sicht präzise fas
sen? Auch als Auftrag an den Senat, an dem er sich messen las
sen muß! - Ich kann für mich jedenfalls sagen, daß ich mit
einigem in der Vergangenheit nicht einverstanden war. Und dieje
nigen, die glauben, daß für die Zukunft alles zum besten bestellt
ist, sollten den Antrag dann eben als solidarische Unterstützung
der Senatspolitik verstehen.
Als zweites zum Bildungsurlaubsgesetz! Das ist nicht - wie
Herr Palm behauptet - eine Gefährdung von Unternehmen, son
dern es ist - im Gegenteil - als Beitrag zur Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit zu verstehen, denn Arbeitszeitverkürzung - bei
Lohnausgleich - ist insofern auch ein Mittel zur Schaffung von
Arbeitsplätzen, bei 10 Tagen Urlaub und voller Ausschöpfung
von allen. Das müßte erst einmal von Gewerkschaften durchge-
setzl werden. Das ist keine schlechte Forderung; es ist ein sehr
fortschrittliches Gesetz. Es ist auch bekannt, daß es den Wider
stand von Unternehmern gibt - es wäre auch verwunderlich,
wenn es nicht so wäre -, und es ist auch bekannt, daß der Sena
tor für Wirtschaft blockiert, wie das eben auch schon Herr Palm
bemerkt hat. In diesem Zusammenhang schlage ich vor - da das
eine unbestrittene Vereinbarung zwischen SPD und AL war -,
daß man das Gesetz von den beiden Fraktion einbringen sollte,
wenn es weiter blockiert wird. Da hätte man einen einfachen
Weg, um in dieser Sache zu einer Entscheidung zu kommen.
Zum Schluß möchte ich noch einen Zusammenhang zeigen,
der oft nicht gesehen wird, der aber eine große Bedeutung hat -
gerade auch im Hinblick auf die DDR -. Das ist der Zusammen
hang von demokratischen Rechten im Betrieb und Bekämpfung
von Arbeitslosigkeit. — Es gibt eine Reihe von Rechten in der
DDR, und es sind einige Gesetze verabschiedet worden, die
eine sehr weitgehende Mitbestimmung und demokratische
Rechte im Betrieb gewährleisten. Es sind allerdings teilweise
Rechte, die in der Vergangenheit nicht genutzt worden sind, und
sicher ist es auch so, daß es zwar Vollbeschäftigung in der Ver
gangenheit gab, daß aber die Produktivität in den Betrieben viel
zu niedrig ist. Es fehlen eben die modernen Maschinen.
Nun frage ich aber, ob die Produktivität eigentlich nur dadurch
zu erhöhen sei, daß demokratische Rechte in Betrieben und Ver
waltungen abgebaut werden oder daß - wie von Herrn Pieroth
gefordert - das Aussperrungsverbot, das gerade erst in die Ver
fassung aufgenommen worden ist, schon wieder beseitigt wer
den soll. - Es gibt ein für mich erstaunlichens, aber in der DDR
weit verbreitetes Mißverständnis, das da meint, wenn die D-Mark
stark ist, dann ist auch unser Betriebsverfassungsgesetz stark. -
Die Bürger der DDR werden noch lernen müssen, daß hohe Pro
duktivität und Demokratie nicht identisch sind! Muß das aber so
sein? Ist es nicht eine Schande, daß ein wirtschaftlich so starkes
Land wie die Bundesrepublik eine solch hohe Arbeitslosigkeit (C)
hat und auch einen so geringen Kündigungsschutz - dieser Kün
digungsschutz hat jedenfalls nicht ausgereicht, die Arbeitslosig
keit zu begrenzen - und daß es diese hohe Arbeitslosigkeit eben
schon seit Jahren gibt, und auch bei anhaltender Hochkonjunk
tur?
Ich sage das auch für die Zukunft, denn anscheinend haben
viele die Auffassung, daß so, wie jetzt verfahren wird, das letzte
Wort sein sollte. In nächster Zeit wird es darum gehen, das
Schlimmste zu verhindern; es ist heute öfter gesagt worden, daß
mit einer hohen Arbeitslosigkeit bei Einführung der D-Mark
gerechnet wird, aber unsere Hoffnung auf eine Zukunft ohne
Arbeitslosigkeit und Angst um den Arbeitsplatz, unsere Hoffnung
auf eine demokratische Zukunft, die lasse ich mir nicht nehmen!
[Beifall bei der AL und des Abg. Dr. Körting (SPD)]
Stellv. Präsidentin Frohnert: Damit ist die Große Anfrage
erledigt.
Wir kommen zur
lfd. Nr. 6, Drucksache 11/583:
Große Anfrage der Fraktion der SPD und der Frak
tion der AL über Sport und Wohnen in Berlin
Hier haben sich die Fraktionen geeinigt, daß diese Große
Anfrage zur gemeinsamen Besprechung an die Ausschüsse
Sport und BauWohn überwiesen werden. Hierüber stimmen wir
ab. Wer dem die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich
um das Handzeichen. - Das ist dann so beschlossen. Damit ist
dann hier die Große Anfrage erledigt.
Wir kommen dann zur
lfd. Nr. 7:
a) Drucksache 11/635:
Große Anfrage der Fraktion der CDU Uber Berliner
Chancen durch Vollendung des Europäischen Bin
nenmarktes 1992
b) Drucksache 11/693:
Große Anfrage der Fraktion der SPD und der Frak
tion der AL über die zukünftige wirtschaftliche
Entwicklung Berlins
Hier empfiehlt der Ältestenrat für die Begründung der beiden
Großen Anfragen eine Redezeit von je 10 Minuten. Erhebt sich
dagegen Widerspruch? - Das sehe ich nicht. Zur Begründung
sprechen zunächst CDU und SPD; von der CDU Herr Dr. Haase.
- Bitte schön, Sie haben das Wort.
Dr. Haase (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her
ren! Nachdem wir durch diese geschickte Geschäftsführung
einige Stunden gewonnen haben, will ich nicht versuchen, sie
uns durch eine längere Begründung wieder zu nehmen.
Unsere politische Arbeit konzentriert sich gegenwärtig sicher
lich zu Recht insonderheit auf die Zusammenarbeit in beiden
Teilen Deutschlands, insbesondere hier in Berlin. Wir sind der
Auffassung - deshalb haben wir diese Große Anfrage einge
bracht -, daß dabei die europäische Dimension nicht vernachläs
sigt werden darf. So sind die mit der Vollendung des Europäi
schen Binnenmarktes zusammenhängenden Fragen sicherlich
auch für die Berliner Wirtschaft von aktuellem Gewicht. Das Ifo-
Institut in München hat jüngst in einer Untersuchung darauf hin
gewiesen, daß die deutsche Wirtschaft auch Schwachstellen
auf dem Weg nach Europa aufweist. In Berlin verdeutlicht eine
Umfrage des Wirtschaftsrats der CDU bei 500 kleinen und mitt
leren Unternehmen das anhaltende Informationsbedürfnis.