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Band Nr. 17, 10. November 1989

Volltext: Plenarprotokoll (Public Domain) Ausgabe 1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
17. Sitzung vom 10. November 1989 
785 
(A) Präsident Wohlrabe; Das Wort hat der Abgeordnete Diep 
gen! 
[Zurufe von den REP: Hallo, hallo! - 
Kern (SPD): Einer dafür, einer dagegen!] 
- ich bin dahin gehend belehrt worden, daß er es darf! 
[Dr. Köppl (AL); Die Geschäftsordnung!] 
Diepgen (CDU): Meine Damen und Herren! Wenn es jetzt 
eine Geschäftsordnungsdebatte geben sollte, werde ich auf 
meinen Redebeitrag verzichten und es außerhalb des Parla 
ments sagen. 
[Beifall von der CDU] 
Ob das der Würde des Hauses entspricht - da mache ich ein 
Fragezeichen. - Herr Dr. Staffelt, soll ich? 
[Dr. Staffelt (SPD): Gerne!] 
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich nur 
mit einem Punkt der eben vorgetragenen Argumentation ausein 
andersetzen. Worum geht es im Augenblick? 
[Zurufe von der SPD und der AL] 
Geht es um Bevormundung der Menschen? Geht es um Bevor 
mundung der Menschen in der DDR, wenn es hier heißt: 
Wir wollen hinwirken auf freie Selbstbestimmung und auf 
die Verwirklichung von Einheit und Freiheit in freier Selbst 
bestimmung. 
Doch wahrlich nicht! Ich zitiere das hier, was damals Herr Brandt 
auch formuliert hat und was Einigkeit, eine einheitliche Position 
im Deutschen Bundestag gewesen ist. Es geht hier um etwas 
anderes, und das bedaure ich. Deswegen ist es wichtig, daß 
jeder bei der Abstimmung hier im Haus sich das vor Augen hält. 
Es geht nicht nur darum, was andere wollen, die selbstverständ 
lich ihre Freiheit und ihre Selbstbestimmung verwirklichen sollen 
(B) und sich gegebenenfalls auch gegen Einheit entscheiden kön 
nen, sondern hier und heute geht es darum, ob Sie die Einheit 
der Stadt, ob Sie die Einheit Deutschlands wollen oder nicht. 
Das ist der Unterschied. 
[Beifall bei der CDU und den REP - 
Kern (SPD): Welche Einheit?] 
Wenn Sie jetzt von der bisherigen Formulierung abweichen, 
dann geben Sie die Zielsetzung der Einheit insgesamt in 
Deutschland auf. Das ist die Feststellung, die ich treffen muß. 
[Starker Beifall bei der CDU und den REP] 
Präsident Wohlrabe: Das Wort hat jetzt der Kollege Pagel 
von der Fraktion den REP! 
Pagel (REP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In 
der Fraktion der Republikaner hat ebenfalls eine sehr intensive 
Diskussion stattgefunden über den hier angestrebten gemein 
samen Antrag aller vier Fraktionen. Wir waren bereit, trotz einiger 
Bedenken auch unsererseits, diesem gemeinsamen Antrag zuzu 
stimmen, weil er ein Bekenntnis aller Parlamentsparteien zu dem 
Ziel der deutschen Einheit enthält. 
[Zurufe von der SPD] 
Wir haben weitergehende Vorstellungen. Wir wollten in einem 
Dringlichkeitsantrag zur heutigen Sitzung konkrete Schritte für 
einen Weg zur deutschen Einheit Vorschlägen, denn ein solcher 
Prozeß muß vorbereitet werden. Wir wollten auch Vorschlägen, 
daß eine gemeinsame Sitzung des Abgeordnetenhauses 
von Berlin mit dem Stadtparlament von Ost-Berlin stattfindet. 
[Edel (SPD), zum John-F.-Kennedy-Platz deutend, 
von wo Pfiffe zu hören sind: Hören Sie das Volk!] 
Wir wollten auch, daß eine Sitzung des Deutschen Bundesta 
ges nach vielen Jahren wieder in Berlin, in der Hauptstadt 
Deutschlands, durchgeführt wird. Trotz dieser Bedenken, daß 
uns dieser Antrag nicht weit genug ging, haben wir gesagt; Wir (C) 
sind bereit zuzustimmen, 
[Kern (SPD), zum John-F.-Kennedy-Platz deutend, 
von wo Pfiffe zu hören sind: Da ist die Abstimmung!] 
denn hier bekennen sich - oder wollten sich nach der Papier 
form - auch SPD und AL zum Ziel der Einheit. Dies ist jetzt - ich 
nehme einmal an, wieder durch den Druck der Alternativen Liste 
- den Sozialdemokraten unmöglich geworden, wenn sie nicht 
sogar - und dafür sprechen ja sehr viele Äußerungen von Herrn 
Momper - dieses Ziel längst aufgegeben haben. 
Ich sage Ihnen heute eines; Sie haben Angst vor der Wieder 
vereinigung I Sie haben fürchterliche Angst vor der Wiederverei 
nigung; Sie befürchten, daß damit Ihre Pfründe, Ihre sicheren 
Pfründe schwinden. 
[Gelächter bei der SPD und der AL] 
Ich fordere Sie auf - und ich bitte Sie -: Geben Sie doch den 
Menschen in allen Teilen Deutschlands eine Chance, überhaupt 
ihr Selbstbestimmungsrecht auszuüben! 
[Zurufe von der SPD und der AL] 
Geben Sie ihnen eine Chance! Wenn sich dann die Menschen 
dort anders entscheiden, ist das ihr gutes Recht. Aber Sie wollen 
den Leuten, weil Sie Angst haben vor der Wiedervereinigung, 
den Weg dorthin überhaupt verbauen. 
Präsident Wohlrabe: Herr Pagel, vergessen Sie nicht, daß 
da draußen Tausende auf uns warten! Ich bitte Sie wirklich, sich 
kurz zu fassen! 
[Starker Beifall bei der SPD und der AL] 
Pagel (REP); Den Satz gestatten Sie mir noch: Zu Ihrem heu 
tigen Verhalten und zu Ihrem Abgehen von der deutschen Einheit 
- das, was Sie hier vertreten wollen - paßt auch Ihr unwürdiges (D) 
Verhalten in der heutigen Parlamentssitzung. 
[Zurufe von der SPD und der AL] 
Was ich hier heute erleben mußte bei der Rede unseres Kolle 
gen Degen, das hätte vielleicht in einen Provinzkindergarten oder 
in ein schlechtes Kabarett gepaßt, aber nicht in ein deutsches 
Parlament in dieser historischen Stunde. 
[Beifall bei den REP - Zurufe von der SPD und der AL] 
Präsident Wohlrabe: Als letzter Redner hat jetzt das Wort 
Herr Dr. Statz! Ich bitte auch, sich daran zu erinnern, daß wir 
wirklich dann abstimmen wollen und daß wir das tun, wozu wir 
uns hier versammelt haben. 
[Dr. Staffelt (SPD): So ist es! Bravo!] 
Dr. Statz (AL): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen 
und Herren I Es gilt eigentlich nur, etwas klarzustellen. Der Kol 
lege Landowsky hat, als wir über den Antrag gesprochen haben, 
den Vorschlag gemacht, folgenden Satz erst einmal zu streichen, 
weil er ihn für überflüssig hielt: 
Die Menschen in der DDR bestimmen Wege und Ziele der 
gesellschaftlichen und politischen Umgestaltung in der 
DDR selbst. 
[Zurufe von der AL: Hört, hört!] 
Das war so gesagt nach dem Motto: Das paßt irgendwie nicht in 
den Stil, das ist doch selbstverständlich. Selbstverständlichkei 
ten muß man manchmal kiarmachen. Es ist offen - und das ist 
der Inhalt des AL-SPD-Antrags -, ob im Dienst einer gesamteu 
ropäischen Friedensordnung Zweistaatlichkeit oder ein Deut 
scher Einheitsstaat ein Weg, das politische Ziel ist. Das ist um 
stritten. Für uns ist es nicht offen, weil wir grundsätzlich für den 
Abbau von staatlichen Strukturen sind, 
[Zurufe von der CDU; Das hatten wir alles schon!]
	        
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