Path:
Volume Nr. 27, 22. März 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin -11 .Wahlperiode 
27. Sitzung vom 22. März 1990 
1427 
Dr. Lehmann-Brauns 
Ich finde es an sich seltsam, sie ist doch politisch dafür 
verantwortlich, und an sich hätte das Parlament in der I. 
Lesung erwarten können, hier einige Grundsätze der Kultur 
senatorin zu hören. Ich muß das rügen. 
[Beifall bei der CDU] 
Dieses Gesetz will sehr moralisch sein. Da ist die Rede 
davon, daß die Anbieter dem Frieden, der internationalen 
Verständigung und dem Umweltschutz dienen müssen - 
Freiheit, soziale Gerechtigkeit ist da vergessen worden in 
der Eile. Aber wenn man so etwas Allgemeines liest, dann 
wird man mißtrauisch, weil da einer pfiffig werden will - 
ganz pfiffig. Wenn man dann die Einzelheiten liest - ich will 
einmal zwei erwähnen -, dann kommt man auch schnell 
darauf, was da gemeint ist. Bei der Zusammensetzung der 
Ratsmitglieder fehlen beispielsweise Hochschulen dieses 
Landes, die Journalistenverbände - und ich weiß nicht, ob 
der ehrenwerte Herr Häusler es gemerkt hat-, es fehlt auch 
die vierte Partei in diesem Abgeordnetenhaus. Das bedeu 
tet, die Bewährungsprobe dieses moralischen Anspruchs 
erweist sich schnell als eine pure Heuchelei. Herr Lan 
dowsky hat schon ausgeführt, daß dieses Gesetz unhand 
lich, aufgebläht, parteiabhängig und staatsinterventioni 
stisch ist. 
Aber es gibt noch einen weiteren Grund, der zu Beanstan 
dungen Anlaß gibt. Das ist nämlich neben diesen medienpo 
litischen Mängeln noch der rote Faden, der diesen ganzen 
Entwurf durchzieht. Er stammt noch aus der spießigen 
Garküche des Status quo. Die Mauer war schon gefallen, 
aber die Genossen im Haus der Senatorin im Europa-Center 
wollten das nicht wahrhaben, oder sie wollten retten, was 
nicht mehr zu retten ist: ein Sendegebiet in den Grenzen der 
Mauer! Dieser SPD-Entwurf will weder den neuen Realitäten 
in Deutschland Rechnung tragen 
[Frau Dr. Schramm (AL): Jetzt sagt er 
„SPD-Entwurf“!] 
noch sich die Mühe machen, zu einer gemeinschaftlichen, 
fairen und heute gebotenen Lösung mit dem anderen Teil 
der Stadt zu kommen. Statt dessen gibt es noch schnell dee 
Versuche, eine eigene kleinkarierte Lösung zu finden, der 
Stadt noch ein letztes Mal den rot-grünen Stempel zu 
verpassen. 
[Landowsky (CDU): Richtig!] 
Das steht natürlich auch in einem massiven Kontrast zu 
dem, was Ihr Regierender Bürgermeister hier heute vertre 
ten hat, der plötzlich von der Hauptstadt redet und von der 
großen Rolle Berlins. Dieses medienpolitische Machwerk ist 
kleinkariert und paßt nicht dazu. Sie sollten das besser 
koordinieren. 
[Beifall bei der CDU] 
Ich will hier nur einige Beispiele nennen. Das Versor 
gungsgebiet des neuen Privatrundfunks erstreckt sich ledig 
lich auf das Land Berlin, das sind zwölf Bezirke. Ferner wird 
im Entwurf Berlin-West als Inland definiert, folglich gilt 
Berlin-Ost als Ausland. Das sollte selbst Ihnen zu denken 
geben. - In Berlin wären Bewerber aus Palermo, nicht aber 
Antragsteller aus Berlin-Ost oder Potsdam zugelassen. Im 
Programm dürfen verantwortlich keine Personen mitwirken, 
die in Berlin-Ost ansässig sind. Auch sollen an der Kontrolle 
der Programme zwar die ethnischen Minderheiten West- 
Berlins beteiligt werden, nicht aber Leute aus Ost-Berlin 
oder der DDR. Dies sind Beispiele für eine politische 
Verengung, die den Geist von vorgestern repräsentieren. 
Sie können sich auf eines verlassen: Meine Fraktion wird (C) 
alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, 
damit dieses Gesetz nicht Realität wird. 
[Beifell der Frau Abg. Dr. Laurien (CDU)] 
Und selbst wenn wir es nicht verhindern könnten, Frau 
Laurien, dann wird schließlich der Gesetzgeber von ganz 
Berlin es zur Makulatur werden lassen. - Ich danke Ihnen I 
[Beifall bei der CDU] 
Präsident Wohlrabe: Das Wort hat Frau Abgeordnete 
Weißler. 
Frau WeiBler (AL): Herr Lehmann-Brauns, nur einen 
Satz; Das Gesetz wurde von einer Arbeitsgruppe von SPD- 
und AL-Fraktionären erarbeitet. So sahen es die Koalitions 
vereinbarungen vor. Das haben wir eingehalten. Daß bei 
dem gebündelten Mediensachverstand in Ihrer Fraktion ein 
solches Vorgehen als völlig unwahrscheinlich erscheint, 
kann ich nachvollziehen, ist aber in unserem Falle anders 
und eben so wie geschildert. 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Präsident Wohlrabe: Das Wort hat Herr Abgeordneter 
Lorenz. 
Lorenz (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Wenn es tatsächlich so wäre, wie die CDU es sagt - zu den (D) 
Republikanern sag ich nichts, die haben das Gesetz nicht 
begriffen, denn nicht einmal derjenige, der es ihnen aufge 
schrieben hat, hat es begriffen -, Herr Landowsky, und das 
sag ich in allem Ernst, würde ich dieses Gesetz auch 
verdammen. 
[Landowsky (CDU); Na gut, wollen wir 
nicht drüber reden!] 
Es ist aber nicht so. 
Sehen Sie, wir haben gerade auch in den Passagen, die 
Sie als besonders einengend empfinden, eigentlich nicht 
sehr viel mehr getan, als das Bundesverfassungsgericht in 
eine kurze Gesetzessprache zu übertragen. Und dies ist 
etwas, was nun gerade nicht provinziell ist. Darauf will ich 
kurz eingehen. Es ist nicht provinziell, das Grundgesetz und 
seine Prinzipien jetzt in einem Gesetz festzuschreiben, das 
dann auch ein gutes Gesetz für ein Deutschland ist. das Sie 
nach Artikel 23 Grundgesetz vereinen wollen. Und ich 
verstehe überhaupt nicht, wie man sagen kann; Sie dürfen 
jetzt nicht ein Gesetz nach Kriterien machen, von denen Sie 
doch auch meinen, daß sie gerade für dieses vereinte 
Deutschland dann gelten soll. - Es ist doch kein Gesetz, das 
Prinzipien des Landes Berlin festschreibt. Es steht selbst 
verständlich in allem unter dem Vorbehalt der Staatsverträ 
ge. Wer nach diesem Gesetz mit Maß urteilt, der wird eine 
Rundfunklandschaft hersteilen, die sich sehen lassen kann 
und die nicht verhindern wird, daß private Sender herkom- 
men. 
[Landowsky (CDU): Das ist nicht wahr!] 
Sie zitieren bei einem solchen Gesetz beispielsweise die 
Frage Binnenpluralität - Außenpluralität aus verschiedenen 
Paragraphen. Sie wissen selbst, daß das Bundesverfas 
sungsgericht gesagt hat, daß auch die Privaten - und zwar
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.