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Volume Nr. 27, 22. März 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin -11. Wahlperiode 
27. Sitzung vom 22. März 1990 
1425 
Günther 
(A) keit einer gesetzlichen Regelung Jedoch nicht. Ich fordere 
Sie, von der Opposition auf, sich nicht ins Eckchen zu 
drücken, in Verweigerung zu üben, sondern eigene Vor 
schläge, die bisher auch noch nicht gekommen sind, auf den 
Tisch zu legen und mitzudiskutieren. - Ich danke Ihnen. 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Präsident Wohlrabe: Herr Abgeordneter Häusler hat das 
Wort. 
Häusler (REP): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Der SPD-AL-Entwurf erinnert stark an jene unselige 
Zeit, in der das Hören von sogenannten Feindsendern mit 
schweren Strafen bedroht war. 
[Beifall bei den REP - Gelächter bei der SPD] 
Gewollt ist hier kein Privatfunkgesetz, sondern ein Privat- 
funk-Verhinderungsgesetz, nicht aber eine vernünftige Um 
setzung des Staatsauftrages, eine ausgewogene, annähernd 
objektive Information der Öffentlichkeit zu sichern. SPD und 
AL setzen die Barrieren für den Privatfunk absichtlich so 
hoch, daß es unmöglich wird, eine Ausgewogenheit dadurch 
zu erreichen, daß es genügend Rundfunk- und Fernsehsta 
tionen gibt. Das sogenannte außerpluralistische Modell, wie 
es bei Film und Presse existiert, will man gar nicht, selbst 
wenn die technischen Sendemöglichkeiten immer besser 
werden. Man ist geistig stehengeblieben bei den ersten 
Rundfunkentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. 
Man will nicht wahrhaben, daß das Bundesverfassungsge 
richt zu Beginn der Rundfunkrechtsprechung davon ausge 
hen mußte, daß schon aus technischen Gründen wegen der 
(B) fehlenden Frequenzen ein Außenpluralismus nicht möglich 
war und deshalb das binnenpluralistische Modell verlangt 
wurde, also das in sich ausgewogene Programm. Und 
dieses in sich ausgewogene Programm konnte nach damali 
ger Anschauung eben nur binnenpluralistisch sein, also 
durch Heranziehung aller gesellschaftlich relevanten Grup 
pen gebildet werden. 
Daß sich die Verhältnisse inzwischen geändert haben, 
daß auch das Bundesverfassungsgericht inzwischen diffe 
renzierte Auffassungen vertritt, das wollen die Ideologen 
von SPD und AL nicht wahrhaben. Ihre Devise lautet; 
verhindern und nicht ermöglichen! - Die geistigen Schöpfer 
dieses Gesetzentwurfes können oder wollen nicht sehen, 
daß schon die bevorstehende Möglichkeit der Glasfaserver 
kabelung die Zwangsbewirtschaftung der Frequenzen ver 
fassungsrechtlich überhaupt nicht mehr rechtfertigt, sondern 
daß nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz dann 
geradezu ein Anspruch darauf besteht, zu Rundfunk und 
Fernsehen zugelassen zu werden und eine entsprechende 
Übertragungskapazität zu behalten. 
Der SPD-AL-Entwurf ist auf dem Stand der 50er Jahre 
stehengeblieben. Aber das hat natürlich seinen Grund: denn 
man will den Außenpluralismus überhaupt nicht, weil man 
dann auf die Chance verzichten müßte, die Innenkontrolle 
der Sender durch erwünschte Gremien zum eigenen ideolo 
gischen Vorteil zu übernehmen. Wohlgemerkt: zum eigenen 
ideologischen Vorteil und nicht zugunsten einer objektiven 
Berichterstattung. 
Wie faßt denn aber nun die SPD-AL-Koalition die ur 
sprünglich vom Bundesverfassungsgericht für notwendig 
erachtete Innenkontrolle auf? Es sollten alle gesellschaftlich 
relevanten Gruppen zu Wort kommen. Dies nun nicht zum 
Selbstzweck dieser Gruppen, sondern um dem Bürger 
einigermaßen umfassende und objektive Informationen zu 
liefern und so die demokratische Meinungs- und Willensbil 
dung überhaupt erst zu ermöglichen. Wie nun das Mindest 
maß an Ausgewogenheit praktisch zu sichern ist, ist und (C) 
bleibt sowohl politisch als auch verfassungsrechtlich um 
stritten. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Man 
wird aber noch erwarten dürfen, daß gewisse Lehren aus 
den Erfahrungen gezogen werden, die man mit ersten 
Fernsehurteil von 1961 gemacht hat. War denn das Pro 
gramm tatsächlich ausreichend ausgewogen, bot es genü 
gend objektive Informationen, oder war es nicht allzuoft von 
einverständlicher Einseitigkeit? Hat denn - um weiterzufra 
gen - das personelle Monstrum Rundfunk- und Fernsehrat 
seine Arbeitsfähigkeit hinlänglich bewiesen? Oder muß man 
nicht vielmehr feststellen, daß die Größe solcher Organe 
schon strukturell mehr zur Arbeitsunfähigkeit als zur Ar 
beitsfähigkeit führt? 
Welche Folgerungen aber zieht der SPD-AL-Entwurf? - 
Überhaupt keine! Er schafft ein Monstrum von sage und 
schreibe 40 Mitgliedern, ohne zu begründen, wie er sich die 
effektive Tätigkeit eines solchen Massenorgans vorstellt. 
Welche Notwendigkeit spricht denn für eine solche Vielzahl 
an Räten? Wo liegt denn der Sinn der Regelung, wonach die 
Organisationen gezwungen werden, zur Hälfte Frauen in 
den Rat zu entsenden? Als wenn die bloße Geschlechtszu 
gehörigkeit ein Kriterium für sinnvolle Gleichberechtigung 
und Funktionstüchtigkeit eines Gremiums ist. 
[Frau Holzhüter (SPD): Es sind doch 
nicht nur Männer klug!] 
Welche Einfalt hat sich nur der Köpfe derjenigen bemäch 
tigt, die eine solche groteske Quotenregelung eingeführt 
wissen wollen? Die Frauen verlangen mit gutem Recht, 
nicht berücksichtigt zu werden, weil sie Frauen sind, 
sondern weil sie dieselben fachlichen Qualifikationen mit 
bringen wie Männer. 
(D) 
Aber noch einmal zur Größe des Gremiums: Wie will man 
hier auf das Programm im Vorfeld einwirken, also bevor es 
überhaupt über den Sender läuft? Wäre eine solche Arbeit 
nicht sinnvoller, als lediglich die spätere Kritik an bereits 
gesendeten Beiträgen? Weiter gefragt: Könnte die Ausge 
wogenheit des Programms institutionell nicht ganz anders 
gesichert werden als durch periodisch zusammentretende 
Rundfunkratsgremien? Wäre es nicht ebenso möglich, die 
Personalstruktur der Sendeabteilugen so zu verändern, zu 
ergänzen, daß nach den vom Rundfunkrat vorgegebenen 
Direktiven die Programmneutralität intern im Sendeablauf 
gesichert werden könnte? 
Dieses Personal, das das Programm ausgewogen zu 
beobachten hätte, dürfte selbst nicht journalistisch "tätig 
sein, es sollte überhaupt dem Beruf des Journalisten nicht 
nahestehen. Es dürfte von niemandem gewählt werden, 
sondern sollte allein aufgrund vorzugehender fachlicher 
Qualifikation und einem Beamten ähnlich eingestellt wer 
den. Damit wäre am ehesten eine neutrale Bewertung zu 
erreichen. Allerdings müßte man dann auf jene fast unbe 
schränkten redaktionellen Rundfunkfreiheiten verzichten, 
von denen SPD und AL in §7 des Entwurfs ausgehen. Man 
kann nur dann im Sinne der Ausgewogenheit handeln, wenn 
man die einseitige und damit unausgewogene Arbeit von 
Redaktionen oder einzelnen Journalisten einem wirksamen 
Einspruch zugänglich macht. Sonst steht die Kontrollfunktion 
des Rundfunk- und Fernsehrates nur auf dem Papier. 
Wie man sieht, haben sich SPD und AL zu den wirklich 
interessanten Fagen der Privatrundfunkordnuhg keine Ge 
danken machen wollen oder können. Das berechtigt zu der 
Frage, ob SPD und AL überhaupt eine Ausgewogenheit im 
Programm anstreben. Man darf nach Durchsicht des Gesetz 
entwurfs an dem Willen zu einer solchen Neutralität ernst 
lich zweifeln. Zwar ist im ersten Teil des Entwurfs wieder 
holt von Meinungsvielfalt die Rede und davon, daß nicht 
eine bestimmte Meinungsrichtung begünstigt werden dürfe
	        
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