Abgeordnetenhaus von Berlin -11. Wahlperiode
27. Sitzung vom 22. März 1990
1425
Günther
(A) keit einer gesetzlichen Regelung Jedoch nicht. Ich fordere
Sie, von der Opposition auf, sich nicht ins Eckchen zu
drücken, in Verweigerung zu üben, sondern eigene Vor
schläge, die bisher auch noch nicht gekommen sind, auf den
Tisch zu legen und mitzudiskutieren. - Ich danke Ihnen.
[Beifall bei der AL und der SPD]
Präsident Wohlrabe: Herr Abgeordneter Häusler hat das
Wort.
Häusler (REP): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Der SPD-AL-Entwurf erinnert stark an jene unselige
Zeit, in der das Hören von sogenannten Feindsendern mit
schweren Strafen bedroht war.
[Beifall bei den REP - Gelächter bei der SPD]
Gewollt ist hier kein Privatfunkgesetz, sondern ein Privat-
funk-Verhinderungsgesetz, nicht aber eine vernünftige Um
setzung des Staatsauftrages, eine ausgewogene, annähernd
objektive Information der Öffentlichkeit zu sichern. SPD und
AL setzen die Barrieren für den Privatfunk absichtlich so
hoch, daß es unmöglich wird, eine Ausgewogenheit dadurch
zu erreichen, daß es genügend Rundfunk- und Fernsehsta
tionen gibt. Das sogenannte außerpluralistische Modell, wie
es bei Film und Presse existiert, will man gar nicht, selbst
wenn die technischen Sendemöglichkeiten immer besser
werden. Man ist geistig stehengeblieben bei den ersten
Rundfunkentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
Man will nicht wahrhaben, daß das Bundesverfassungsge
richt zu Beginn der Rundfunkrechtsprechung davon ausge
hen mußte, daß schon aus technischen Gründen wegen der
(B) fehlenden Frequenzen ein Außenpluralismus nicht möglich
war und deshalb das binnenpluralistische Modell verlangt
wurde, also das in sich ausgewogene Programm. Und
dieses in sich ausgewogene Programm konnte nach damali
ger Anschauung eben nur binnenpluralistisch sein, also
durch Heranziehung aller gesellschaftlich relevanten Grup
pen gebildet werden.
Daß sich die Verhältnisse inzwischen geändert haben,
daß auch das Bundesverfassungsgericht inzwischen diffe
renzierte Auffassungen vertritt, das wollen die Ideologen
von SPD und AL nicht wahrhaben. Ihre Devise lautet;
verhindern und nicht ermöglichen! - Die geistigen Schöpfer
dieses Gesetzentwurfes können oder wollen nicht sehen,
daß schon die bevorstehende Möglichkeit der Glasfaserver
kabelung die Zwangsbewirtschaftung der Frequenzen ver
fassungsrechtlich überhaupt nicht mehr rechtfertigt, sondern
daß nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz dann
geradezu ein Anspruch darauf besteht, zu Rundfunk und
Fernsehen zugelassen zu werden und eine entsprechende
Übertragungskapazität zu behalten.
Der SPD-AL-Entwurf ist auf dem Stand der 50er Jahre
stehengeblieben. Aber das hat natürlich seinen Grund: denn
man will den Außenpluralismus überhaupt nicht, weil man
dann auf die Chance verzichten müßte, die Innenkontrolle
der Sender durch erwünschte Gremien zum eigenen ideolo
gischen Vorteil zu übernehmen. Wohlgemerkt: zum eigenen
ideologischen Vorteil und nicht zugunsten einer objektiven
Berichterstattung.
Wie faßt denn aber nun die SPD-AL-Koalition die ur
sprünglich vom Bundesverfassungsgericht für notwendig
erachtete Innenkontrolle auf? Es sollten alle gesellschaftlich
relevanten Gruppen zu Wort kommen. Dies nun nicht zum
Selbstzweck dieser Gruppen, sondern um dem Bürger
einigermaßen umfassende und objektive Informationen zu
liefern und so die demokratische Meinungs- und Willensbil
dung überhaupt erst zu ermöglichen. Wie nun das Mindest
maß an Ausgewogenheit praktisch zu sichern ist, ist und (C)
bleibt sowohl politisch als auch verfassungsrechtlich um
stritten. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Man
wird aber noch erwarten dürfen, daß gewisse Lehren aus
den Erfahrungen gezogen werden, die man mit ersten
Fernsehurteil von 1961 gemacht hat. War denn das Pro
gramm tatsächlich ausreichend ausgewogen, bot es genü
gend objektive Informationen, oder war es nicht allzuoft von
einverständlicher Einseitigkeit? Hat denn - um weiterzufra
gen - das personelle Monstrum Rundfunk- und Fernsehrat
seine Arbeitsfähigkeit hinlänglich bewiesen? Oder muß man
nicht vielmehr feststellen, daß die Größe solcher Organe
schon strukturell mehr zur Arbeitsunfähigkeit als zur Ar
beitsfähigkeit führt?
Welche Folgerungen aber zieht der SPD-AL-Entwurf? -
Überhaupt keine! Er schafft ein Monstrum von sage und
schreibe 40 Mitgliedern, ohne zu begründen, wie er sich die
effektive Tätigkeit eines solchen Massenorgans vorstellt.
Welche Notwendigkeit spricht denn für eine solche Vielzahl
an Räten? Wo liegt denn der Sinn der Regelung, wonach die
Organisationen gezwungen werden, zur Hälfte Frauen in
den Rat zu entsenden? Als wenn die bloße Geschlechtszu
gehörigkeit ein Kriterium für sinnvolle Gleichberechtigung
und Funktionstüchtigkeit eines Gremiums ist.
[Frau Holzhüter (SPD): Es sind doch
nicht nur Männer klug!]
Welche Einfalt hat sich nur der Köpfe derjenigen bemäch
tigt, die eine solche groteske Quotenregelung eingeführt
wissen wollen? Die Frauen verlangen mit gutem Recht,
nicht berücksichtigt zu werden, weil sie Frauen sind,
sondern weil sie dieselben fachlichen Qualifikationen mit
bringen wie Männer.
(D)
Aber noch einmal zur Größe des Gremiums: Wie will man
hier auf das Programm im Vorfeld einwirken, also bevor es
überhaupt über den Sender läuft? Wäre eine solche Arbeit
nicht sinnvoller, als lediglich die spätere Kritik an bereits
gesendeten Beiträgen? Weiter gefragt: Könnte die Ausge
wogenheit des Programms institutionell nicht ganz anders
gesichert werden als durch periodisch zusammentretende
Rundfunkratsgremien? Wäre es nicht ebenso möglich, die
Personalstruktur der Sendeabteilugen so zu verändern, zu
ergänzen, daß nach den vom Rundfunkrat vorgegebenen
Direktiven die Programmneutralität intern im Sendeablauf
gesichert werden könnte?
Dieses Personal, das das Programm ausgewogen zu
beobachten hätte, dürfte selbst nicht journalistisch "tätig
sein, es sollte überhaupt dem Beruf des Journalisten nicht
nahestehen. Es dürfte von niemandem gewählt werden,
sondern sollte allein aufgrund vorzugehender fachlicher
Qualifikation und einem Beamten ähnlich eingestellt wer
den. Damit wäre am ehesten eine neutrale Bewertung zu
erreichen. Allerdings müßte man dann auf jene fast unbe
schränkten redaktionellen Rundfunkfreiheiten verzichten,
von denen SPD und AL in §7 des Entwurfs ausgehen. Man
kann nur dann im Sinne der Ausgewogenheit handeln, wenn
man die einseitige und damit unausgewogene Arbeit von
Redaktionen oder einzelnen Journalisten einem wirksamen
Einspruch zugänglich macht. Sonst steht die Kontrollfunktion
des Rundfunk- und Fernsehrates nur auf dem Papier.
Wie man sieht, haben sich SPD und AL zu den wirklich
interessanten Fagen der Privatrundfunkordnuhg keine Ge
danken machen wollen oder können. Das berechtigt zu der
Frage, ob SPD und AL überhaupt eine Ausgewogenheit im
Programm anstreben. Man darf nach Durchsicht des Gesetz
entwurfs an dem Willen zu einer solchen Neutralität ernst
lich zweifeln. Zwar ist im ersten Teil des Entwurfs wieder
holt von Meinungsvielfalt die Rede und davon, daß nicht
eine bestimmte Meinungsrichtung begünstigt werden dürfe