Path:
Volume Nr. 27, 22. März 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin -11, Wahlperiode 
27. Sitzung vom 22. März 1990 
1418 
Frau Brinckmeier 
(A) Wer dem vom Bundesverfassungsgericht mehrfach beton 
ten Gesichtpunkt der gesellschaftlichen Kontrolle auch des 
privaten Rundfunks ernst nimmt - und ich bin sicher, daß es 
darüber in diesem Hause keine abweichende Meinung gibt — 
der kann beide Gesichtspunkte nicht grundsätzlich ableh 
nen. Daß der Entwurf hier ein Gremium vorsieht, in dem 
nach gesetzlicher Vorschrift so viele Männer wie Frauen 
sind, das müßte allgemein als Fortschritt Zustimmung 
finden. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Was auf der anderen Seite die Repräsentanz gesellschaft 
lich relevanter Gruppen angeht, so ist in einigen Vorbespre 
chungen des Entwurfs kritisch angemerkt worden, daß - 
anders als zum Beispiel im SFB-Rundfunkrat - hier keine 
Verlegervertretung vorgesehen ist. Ich glaube nicht, daß das 
ernsthaft gegen den Entwurf geltend gemacht werden kann. 
Ich hoffe sogar zuversichtlich, daß die Verleger selbst und 
ihre Interessenvertretungen anerkennen, daß ein Gremium, 
das allgemeine Interessen gegenüber Wirtschaftsunterneh 
men vertreten soll, die tatsächlich weitgehend von Verle 
gern bestimmt werden, nicht sinnvoll mit Verlegervertretern 
besetzt werden kann. 
[Beifall bei der AL] 
Die Verlegerinteressen müssen sich hier vielmehr als 
Arbeitgeberinteressen von den Arbeitgeberverbänden eben 
so vertreten lassen, wie umgekehrt die Interessen der 
Journalisten und der Medienmacher nicht durch den Jour 
nalistenverband und die IG Medien, sondern durch DGB und 
DAG vertreten werden. Das ist meines Erachtens eine faire 
Regelung, wie überhaupt die Zusammensetzung des Rates 
fair ist. 
Der Entwurf muß sich auch den Vorwurf des Bürokratis 
mus nicht gefallen lassen. Er sieht tatsächlich keine kompli 
zierten und umständlichen Entscheidungsstrukturen vor. Die 
laufenden Entscheidungen der Anstalt sind nämlich nicht 
diesem großen Rat zugewiesen, sondern einem aus ihm zu 
wählenden Geschäftsführenden Ausschuß von zehn Mitglie 
dern und einer hauptamtlichen Geschäftsführung von zwei 
Geschäftsführern bzw. Geschäftsführerinnen. Alle diejeni 
gen, die dem bisherigen Kabelrat mit seinen sieben Mitglie 
dern für ein effektives Gremium hielten, können deshalb 
gegen diese Regelung des Entwurfs mit seinem Geschäfts 
führenden Ausschuß nichts Wesentliches verbringen. Dieje 
nigen aber, die am bisherigen Kabelrat kritisieren, daß er 
auf die Einhaltung der Programmpflichten durch die privaten 
Anbieter nicht hinreichend geachtet habe, die müßten den 
Entwurf wegen der gesellschaftlichen Repräsentanz im 
großen Ratzustimmen. 
Ich kann mir vorstellen, daß kurz denkende Kritiker der 
einen wie der anderen Seite Anlaß für ihre Kritik finden. Den 
einen sieht der Entwurf vielleicht zuviel, den anderen 
zuwenig Kontrolle vor. Zu der Kritik, die zu einer früheren 
Fassung des Entwurfs vom Verband der Privatfunkanbieter 
vorgebracht worden ist, habe ich inhaltlich schon eine 
Anmerkung gemacht. Ich wiederhole also hier meine Hoff 
nung, daß die Verleger, die Privatfunkbetreiber auch ihrer 
seits bereit sind, die Normen zu akzeptieren, die das 
Bundesverfassungsgericht in seiner maßvollen Rechtspre 
chung ihrer Tätigkeit gesetzt hat. Auch der Entwurf akzep 
tiert diese Grenzen. Aber er nimmt sie - wie ich hoffe - 
ebenso auch ernst. 
Den Kritikern von der anderen Seite, die vielleicht gern 
stärkere Kontrollbefugnisse gesehen hätten, will ich nur 
einen Gesichtspunkt entgegenhalten: Das Verfassungsge 
richt verlangt gesellschaftliche - nicht staatliche - Kontrolle. 
In dem vom Entwurf vorgesehenen Rat sind die wesentli 
chen gesellschaftlichen Gruppen vertreten. Mehr Kontrolle 
über private Unternehmen, als die, auf die sich die Reprä- (C) 
sentanten der gesellschaftlichen Gruppen verständigen kön 
nen, sollte in einer Gesellschaft wie der unsrigen billiger 
weise niemand verlangen. Das Privatfunkgesetz ist keine 
Spielwiese für Systemveränderer. 
Man hat mir hier nur knappe zehn Minuten für die 
Begründung unseres Gesetzenwurfes zugebilligt, so daß ich 
mich auf wenige Aspekte beschränken mußte. Die Detailbe 
ratung wird ohnehin im Ausschuß erfolgen, wo die Fragen - 
Innenpluralismus, Außerpluralismus, innere Rundfunkfrei 
heit, Rundfunkaufsicht und dergleichen mehr - intensiv 
diskutiert werden müssen. 
Noch eine Bemerkung zur Zuordnung der Frequenzen. 
Natürlich ist es wichtig, daß dabei öffentlich rechtlicher und 
privater Rundfunk gleiche Chancen haben müssen. Wer dies 
am besten gewährleisten kann, darüber scheiden sich 
bekanntermaßen die Geister, und die Frage wird in den 
einzelnen Bundesländern deshalb auch sehr unterschiedlich 
beantwortet. In unserem Gesetzentwurf haben wir uns dafür 
ausgesprochen, daß dies das Abgeordnetenhaus künftig 
entscheiden soll, weil uns die demokratischen Gesichts 
punkte, nämlich die Legitimation aufgrund von Volkswahl, 
mehr überzeugen, als die Entscheidung in die Selbstverwal 
tung des Rundfunks zu geben. Deshalb hoffe ich auf eine 
temperamentvolle, kontroverse, aber hoffentlich immer auch 
konstruktive Diskussion im Ausschuß. - Herzlichen Dank. I 
[Beifall bei der SPD] 
Präsident Wohlrabe: Die Aussprache eröffnet die CDU. 
Das Wort hat der Abgeordnete Landowsky! 
Landowsky (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten 
Damen und Herren! Frau Kollegin Brinckmeier! Eine Me- ... 
dienmetropole wird Berlin mit diesem Gesetz gewiß nicht, 
und auch nicht das, was Herr Lorenz gestern im „Tages 
spiegel“ sagte: „Berlin werde sich in den kommenden 
Jahren zu einem europäischen Medienzentrum entwickeln.“ 
Entweder haben Sie, Herr Lorenz, diesen Gesetzentwurf 
nicht gelesen, oder Sie haben ihn doch gelesen und führen 
die Menschen hinters Licht. Politisch ist es ein Irrwitz, in der 
jetzigen gesellschaftspolitischen Situation ein solches Ge 
setz einzubringen. Es besteht überhaupt keine Notwendig 
keit, ein Privatfunkgesetz jetzt vom Abgeordnetenhaus aus 
für Berlin (West) zu regeln. Wenn das Kabelpilotprojekt nun 
ausläuft, dann hätten Sie es um ein Jahr verlängern können 
und damit dem Mischkanal und dem Offenen Kanal über 
diese Verlängerung Rechnung tragen können. Dieses Ge 
setz ist also kein Beitrag zu einem Medienzentrum Berlin. 
Es ist vielmehr aus meiner Sicht der politisch verwerfliche 
und in Teilen verfassungsrechtlich bedenkliche oder verfas 
sungswidrige Versuch, die vorhandenen Privatsender zu 
strangulieren, zum Teil zu liquidieren und neue Privatanbie 
ter nur noch zuzulassen, wenn sie Ihnen politisch genehm 
sind. 
[Beifall des Abg. Dr. Lehmann-Brauns (CDU)] 
Das ist der Inhalt dieses Gesetzes, und ich werde Ihnen dies 
nachweisen. 
Sollte die SPD-AL-Koalition das Privatfunkgesetz so ver 
abschieden, verstößt sie außerdem - ich denke, daß dies 
vorsätzlich ist - gegen die vertraglichen Verpflichtungen des 
Landes Berlin aus dem Staatsvertrag über den Rundfunk. 
Sie fügen damit automatisch nicht nur dem Land Berlin, 
sondern auch der Landesrundfunkanstalt SFB schweren 
Schaden zu, denn der SFB ist nur existenzfähig, wenn er 
sich auch in Zukunft über den Finanzausgleich auf die 
Solidarität der übrigen Bundesländer verlassen kann. 
[Beifall des Abg. Dr. Biewald (CDU)]
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.