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Volume Nr. 23, 19. Januar 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
23. Sitzung vom 18. Januar 1990 
1212 
Frau Dr. Schramm 
(A) Und da fängt es an, daß wir nicht als Einheit sprechen können. 
Es gibt unterschiedliche Optionen für die Zukunft, es gibt 
unterschiedliche Pläne, wie die Dinge zu erreichen sind, und es 
gibt unterschiedliche Strategien. 
[Wronski (CDU): Und es gibt noch Kontakte zur SED!] 
Wir können nicht als „Wir“ hier reden, und wir können uns auch 
nicht davor drücken, ein Subjekt zu nennen. Wir sind das Sub 
jekt, und deshalb, weil es keine Einheitsfront in der deutschen 
Frage gibt und schon sehr lange nicht mehr gibt, kann die Formel 
nicht mehr gesprochen werden 
[Zurufe von der CDU] 
- es sei denn, wir behalten diese Unehrlichkeit oder Dominanz 
[Anhaltende Zurufe von der CDU] 
oder Tradition bei, ohne das „Wir“ zu sprechen, ohne zu sagen, 
was wir eigentlich machen wollen. 
Wir meinen zum Beispiel - ich weiß, Sie von der CDU meinen 
etwas anderes; das ist Ihr gutes Recht; und die von der SPD 
meinen wieder etwas anderes, und wieder andere meinen ganz 
etwas anderes -, 
[Wronski (CDU): Bei wem haben Sie das alles 
gelernt?] 
daß alle Kooperationen, alle Unterstützungen, alle menschlichen, 
kulturellen, wissenschaftlichen konkreten Kontakte, auch das 
Zusammenwachsen zwischen Kulturen stattfinden kann ohne 
staatliche Einheit - das ist der einzige Unterschied. 
[Zurufe von der CDU] 
Wir meinen, daß die staatliche Einheit keine notwendige Voraus 
setzung ist für vieles, was wir zwar nicht inhaltlich, aber in der 
Form ähnlich wollen wie Sie. Ich will, daß die Wissenschaftler 
Zusammenarbeiten, 
(B) 
[Dr. Heide (CDU): Darum schaffen Sie die 
Akademie der Wissenschaften ab, ja?] 
daß Studenten dort und hier studieren können, daß der Umwelt 
schutz gemeinsam angegangen wird. Im Detail - ob man dieses 
oder jenes Projekt bevorzugt - gibt es Unterschiede, aber in der 
großen Zielsetzung, daß man die Stadtplanung, daß man dies 
alles zusammen macht, doch nicht. 
Wegen der - sage ich jetzt - außenpolitischen Komponente in 
erster Linie und weil die staatliche Einheit keine Vorbedingung 
für die Kooperation ist und wegen der ungeheuren Gefahr, daß 
das Gleichgewicht in Europa durcheinander kommt, daß die 
UdSSR isoliert wird, 
[Zurufe von der CDU: Ja! Natürlich!] 
daß - das ist jetzt ein Sprung - durch diese sehr stark mitteleuro 
päisch zentrierte Entwicklung die USA isoliert werden, fände ich 
es eine falsche Politik, wenn es zu dieser Einheit käme. Langfri 
stig gedacht, wäre die Entwicklung ungeheuer riskant, und da 
überspringt die Formel mit ihrem „Wir“, die Probleme einer staat 
lichen Einheit in einem europäischen Raum, der Friedensrege 
lung. 
[Zurufe von der CDU] 
Solange das nicht gelöst ist, solange wir nicht wissen, was 
vorrangig ist, meinen wir - Sie nicht; das ist Ihr gutes Recht; und 
die dort nicht und die anderen hier auch nicht; aber wir meinen -, 
eine staatliche Einheit ist nicht das Ziel. Und deshalb können wir 
diese Formel nicht sprechen. 
Ich bin froh, daß unterschiedliche Positionen ehrlich anerkannt 
werden. Es war nicht möglich, den Anfangssatz; „Wir bekunden 
unseren Willen, daß wir...“ - wie geht es weiter? - gemeinsam 
fortzuführen, sich in diese Realität zu fügen - das ist bitter für 
Sie, es ist eine gewisse Erleichterung für uns - und auf die For 
mel zu verzichten. Ich denke, das ist würdiger, ehrlicher 
[Landowsky (CDU); Also, Würde ist es nicht!] 
und auch der Pluralität der Meinungen angemessener als das, (C) 
was bisher hier abgelaufen ist. - Ich danke für Ihre Aufmerksam 
keit! 
[Beifall bei der AL und der SPD - 
Bartsch (REP); Ihnen sollte man die Diäten sperren!] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Weitere Wortmeldungen 
liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Die CDU fordert 
die namentliche Abstimmung. Ich bitte die Herren Führer und 
Bayer, an der Wahlurne, die gleich aufgestellt wird, den Abstim 
mungsvorgang zu kontrollieren. Und ich bitte wieder Herrn Vet 
ter, daß er die Namen verliest. 
[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten] 
Darf ich fragen, ob alle Abgeordneten die Möglichkeit hatten, 
sich an der Abstimmung zu beteiligen? - Das ist offensichtlich 
der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Beisitzer, das 
Abstimmungsergebnis festzustellen. Zuvor möchte ich noch 
bekanntgeben, daß der Herr Abgeordnete Degen eine - nach 
seiner Ansicht falsche - Stimmkarte abgegeben hat. Er hat die 
Ja-Karte eingeworfen, wollte aber mit „Nein“ stimmen. Das wird 
so bei der Auszählung berücksichtigt. - Ich bitte, nun mit der 
Auszählung zu beginnen. 
[Auszählung] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Ich bitte wieder Platz zu 
nehmen, damit ich das Abstimmungsergebnis bekanntgeben 
kann: Abgegebene Stimmen 122, davon stimmten mit ja 70, mit 
nein 52, keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag angenommen, 
daß ab sofort die Eingangsformel zur Eröffnung der Sitzung des 
Abgeordnetenhauses von Berlin entfällt. 
[Beifall bei der AL] 
Wir kommen nunmehr zur 
lfd. Nr. 26, Drucksache 11/558: (D) 
Vorlagen - zur Kenntnisnahme - gemäß Artikel 47 
Abs. 1 VvB 
Überweisungsanträge liegen nicht vor. Ich stelle somit fest, 
daß das Haus von den Verordnungen Kenntnis genommen hat. 
Lfd. Nrn. 27 bis 29 sind bereits durch die Konsensliste erle 
digt. 
Ich rufe auf 
lfd. Nr. 30; 
a) Drucksache 11/521: 
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion 
der AL über Änderung der Geschäftsordnung 
des Abgeordnetenhauses von Berlin 
b) Drucksache 11/522: 
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion 
der AL über Änderung des Geschäftsbereichs 
des Ausschusses für Bundesangelegenheiten 
und Gesamtberliner Fragen 
Mir ist signalisiert worden, daß dazu nicht gesprochen wird, so 
daß wir zur Empfehlung des Ältestenrats kommen, die Überwei 
sung beider Anträge an den Rechtsausschuß - federführend als 
Geschäftsordnungsausschuß - und an den Ausschuß für 
Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen. - So 
beschlossen. 
Lfd. Nrn. 31 bis 36 sind bereits durch die Konsensliste erle 
digt. 
Lfd. Nr. 37, Drucksache 11/539: 
Antrag der Fraktion der REP Uber Entzug des Ver 
trauens gemäß Artikel 42 Abs. 2 VvB
	        
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