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Volume Nr. 23, 19. Januar 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

23. Sitzung vom 18. Januar 1990 
Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
1178 
Dr. Statz 
(A) sind unsere demokratischen Gründe. Sie hätten damit gar keine 
Probleme, weil ihre Gründe obrigkeitsstaatlich sind, nationalisti 
sche und autoritäre sind, und deshalb setzen sie das auf die 
Tagesordnung, und nicht weil es ihnen um die Demokratie 
geht! - Danke schön! 
[Beifall bei der AL und der SPD - Buwitt (CDU): Vorhin 
haben Sie noch etwas anderes behauptet!] 
Wir sind der Auffassung, daß wir uns unabhängig von diesen 
Willkürmaßnahmen der DDR dort organisieren werden. Wir wer- 
1 ' den auch früher oder später zur Wahl zugelassen werden, und 
wir werden dann Ergebnisse erzielen, die mit Sicherheit noch 
über den Ergebnissen in Westdeutschland liegen werden. Auch 
10 °/o und 15 °/o ist durchaus dabei drin. Und daß ein Teil der 
Opposition, gerade der links orientierten Opposition, die ja auch 
der Alternativen Liste nähersteht, nicht begeistert ist von der 
Aussicht, die Republikaner in einer nennenswerten Zahl im Parla 
ment zu finden, das ist doch ganz klar. Selbstverständlich, wenn 
wir hier 15 °/o oder mehr bei den Volkskammerwahlen bekämen, 
dann fehlte natürlich dieser Teil vom Kuchen bei den anderen 
Oppositionsparteien. Und es ist dann ganz genau wie im 
Westen, dann gehen diesen Parteien eine ganz Reihe von Sitzen 
und anderen angenehmen Dingen verloren. Aber so ist das nun 
mal im Leben, und Sie können sicher sein, daß es unabhängig 
von all diesen Willkürmaßnahmen im Endergebnis nicht dafür 
ausreichen wird, die Republikaner in der DDR totzukriegen. Wir 
werden dort kandidieren und wir werden dort ganz erhebliche 
Ergebnisse erzielen können. 
Ausdruck hiermit zurück und entschuldige mich für dieses unpar 
lamentarische Verhalten. 
[Beifall bei der CDU - 
Dr. Krähe (CDU): Hervorragend!] 
Ich muß jedoch dazu sagen, daß ich mich habe provozieren las 
sen von einem infam unterstellten Vergleich, den der REP-Vorsit- 
zende zog, indem er Sozialdemokraten und Kommunisten, SED- 
Stalinisten, in einen Topf warf. Ich fordere ihn hiermit auf, diesen 
Vergleich künftig zu unterlassen! 
[Beifall bei der SPD - 
Vereinzelter Beifall bei der AL] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Zu einer persön 
lichen Bemerkung erhält Abgeordneter Degen das Wort. 
Degen (REP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 
Ich nehme die Entschuldigung des Abgeordneten an. Er hat sie 
in aller Deutlichkeit von sich gegeben. Trotzdem bleibe ich bei 
meinem Redebeitrag. Ich stehe dazu so, wie ich es gesagt habe. 
[Frau Bischoff-Pflanz (AL): Herzlichen Glückwunsch! - 
Wagner, Jürgen (SPD): Dann stehe ich auch dazu I - 
Weitere Zurufe von der SPD] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Damit ist endgültig der 
Tagesordnungspunkt erledigt. 
ich komme zu 
ifd. Nr. 7 B, Drucksache 11/567: 
Große Anfrage der Fraktion der SPD und der Frak 
tion der AL über Obdachlosigkeit 
Der Dringlichkeit haben wir bereits zu Beginn der Sitzung zuge 
stimmt. Das Wort zur Begründung hat Kollege Edel für die SPD. 
Edel (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 
„Wohnungsnot“ ist eine allgemeine Beschreibung der Lage auf 
dem Wohnungsmarkt in der Stadt. Es gibt weniger Wohnungen 
als Haushalte. Die Nachfrage übersteigt das Angebot. „Obdach 
losigkeit“ dagegen ist das Schicksal des einzelnen, das Schick 
sal eines Menschen, der keine Wohnung hat, der eine Wohnung 
sucht, aber zur Zeit keine Chance hat, sie zu finden. Deshalb darf 
der Begriff Obdachlosigkeit nicht zu eng definiert werden. 
Obdachlos sind nicht nur die Nichtseßhaften - im Amts 
deutsch -, also die Tippelbrüder, wie man sie früher nannte oder, 
wie sie manche in der Stadt nennen: die Penner vom Bahnhof 
Zoo, oder die Berber - wie sie sich selbst nennen -, die wirklich 
draußen im Tiergarten schlafen und im wahrsten Sinn des Wor 
tes kein Dach über dem Kopf haben. Obdachlos sind auch dieje 
nigen, die in den städtischen und öffentlichen Einrichtungen der 
sozialen Wohnhilfe leben. Obdachlos sind auch diejenigen, die 
in den berühmten Läusepensionen, meist sehr mieser Qualität, 
leben müssen, und_ obdachlos sind meiner Auffassung nach 
auch die Aus- und Übersiedler, die heute in Turnhallen, Blech 
containern und anderen Behelfsunterkünften wohnen, in Häu 
sern, die diese Bezeichnung gar nicht verdienen, in denen den 
Menschen vier Quadratmeter oder noch weniger pro Person zur 
Verfügung stehen. Auch dieser Personenkreis ist obdachlos, 
denn sie wohnen dort nicht nur wenige Tage und finden dann 
eine menschenwürdige Behausung, sondern wir müssen ihnen 
heute sagen, daß sie für mehrere Monate - vielleicht sogar ein 
Jahr und länger - diese Verhältnisse ertragen müssen. Frau 
Senatorin! Obdachlos sind doch wohl auch die Studenten, die 
nach Berlin kommen, einen Studienplatz aber keinen Wohnplatz 
haben und häufig aus dem Koffer leben; hier ein paar Tage, bei 
einem Freund eine Woche, und wenn der sagt: Nun reicht es; du 
mußt wieder weiterziehen! - müssen sie weiterziehen. 
Obdachlos ist doch wohl auch die Familie, über die die Presse 
vor einigen Tagen berichtet hat. Ein junges Ehepaar mit einem 
zwei Monate alten Baby wohnt - sage und schreibe - in einem 
Raum auf dem zweiten Hinterhof von sieben Quadratmeter 
Größe, ohne Küche, und die Toilette ist zwei Höfe entfernt. In der 
Im Endergebnis wird die Entwicklung Deutschlands über all 
diese Versuche mit Zählkarten, Erfassung von Besuchern, Einrei 
severweigerungen hinweggehen. All das sind doch nur Versuche 
von jemandem, mit einem kleinen Eimerchen den Ozean auszu 
schöpfen. Das muß scheitern, die Geschichte wird über derar 
tige bürokratische Dinge hinweggehen. Wir werden in wenigen 
Jahren in der Situation stehen, in der wir uns über solche Dinge 
nicht mehr zu unterhalten brauchen. 
[Beifall bei den REP] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Weitere Wortmeldungen 
liegen nicht vor. Damit ist die Große Anfrage erledigt. 
Nunmehr erteile ich dem Kollegen Wagner gemäß § 65 
unserer Geschäftsordnung das Wort zu einer persönlichen 
Bemerkung. 
Wagner. Jürgen (SPD); Ich ziehe den von mir während des 
Redebeitrags des Vorsitzenden der REP-Fraktion gewählten 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Für die Fraktion der 
Republikaner hat jetzt der Abgeordnete Pagel das Wort. 
Pagel (REP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 
Herr Statz, ich bin Ihnen zunächst einmal für einen Teil Ihrer Aus 
führungen durchaus dankbar. Richtig an Ihren Ausführungen ist, 
daß wir als Republikaner die Existenz der DDR tatsächlich radi 
kal in Frage stellen, allerdings nehmen wir damit den Willen der 
Bevölkerung auf. Die Bevölkerung will diesen Staat nicht mehr, 
sie will den Sozialismus nicht mehr, und sie will ganz offensicht 
lich in ihrer großen Mehrheit die Wiedervereinigung und damit 
die staatliche Einheit. Deshalb sind wir hier nur die Ausführenden 
des Willens des Volkes 
[Beifall bei den REP - Gelächter bei der AL] 
und fühlen uns auch in dieser Rolle außerordentlich wohl. 
Zweitens ist festzustellen, daß die Einreiseverweigerungen 
gegenüber Abgeordneten und anderen Funktionsträgern der 
Republikaner doch ganz offensichtlich nur daher rühren können, 
daß man dort gegenüber dem Entstehen einer Partei, unserer 
Partei auch in der DDR, offensichtlich ganz große Angst hat. 
Denn wenn man der Auffassung wäre, wir würden dort drüben 
nicht auf große Resonanz stoßen, dann müßte man sich ja nicht 
eine derartige Mühe machen.
	        
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