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Volume Nr. 23, 19. Januar 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
23. Sitzung vom 18. Januar 1990 
1177 
Dr. Statz 
(A) Ich denke, wir müssen ganz deutlich darauf hinweisen und for 
dern, daß die DDR dieses Recht auf ihre eigene Wirtschafts 
grenze hat. Wenn wir das nicht tun, dann transportieren wir über 
die Forderung, diese Wirtschaftsgrenze aufzugeben, letztendlich 
die Einverleibungs- und Ausverkaufspolitik, die die Rechte in 
diesem Land auf allen Ebenen zu betreiben versucht. 
Das heißt aber nicht, daß wir uns nun nicht gemeinsam mit der 
DDR darüber unterhalten und verständigen müssen, wie denn 
dieses Grenzregime aussieht. 
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Wer ist denn die DDR?] 
Es soll nach Möglichkeit so liberal, so frei sein wie es irgend 
geht. Auch das ist gar nicht in Frage zu stellen. Aber auch wir 
haben eine Verantwortung, was den Grenzverkehr angeht, was 
die Grenze als Wirtschaftsgrenze angeht, wenn wir nicht eine 
offensive Politik der Destabilisierung betreiben wollen. 
Deshalb begrüße ich es zum Beispiel außerordentlich, daß der 
Regierende Bürgermeister bei der Frage der Arbeitsmigration, 
der Arbeitsaufnahme hier und bei der Frage etwa des Lohndum 
pings, das damit verbunden ist, zu einer Position gefunden hat, 
daß beide Seiten hier im gegenseitigen Interesse eine Handhabe 
dieser Wirtschaftsgrenze zu finden haben. Ich glaube, daß dieser 
Ausgangspunkt in der Frage, was das Grenzregime angeht, fest 
zuhalten ist, und zwar ganz unabhängig davon, ob wir zu einer 
Vertragsgemeinschaft, zu einer Konföderation kommen. Das wird 
noch - egal, wie man dazu steht - Jahre dauern. Und wenn man 
das Reden von der Konföderation wirklich ernst meint - ich 
bezweifle, daß sehr viele das tun, die das sagen -, dann heißt 
Konföderation die gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen 
zwei Völkerrechtssubjekten. Dazu gehört die Konsensbildung 
über ein Grenzregime unter der Bedingung, daß diese nationalen 
Souveränitäten der beiden deutschen Staaten anerkannt wer 
den. 
[Dr. Krähe (CDU): Statz rettet den Sozialismus!] 
Es ist eben so, meine Damen und Herren von der Rechten, 
(B) daß das Völkerrecht gilt -, und das ist gut so -, ungeachtet der 
innenpolitischen Verhältnisse, daß das geradezu ein Existenz 
grund des Völkerrechts ist; denn, wenn es nicht so wäre, wäre 
jede politische Kritik, an welchen innenpolitischen Verhältnissen 
auch immer, ein Grund für die Intervention und ein Grund für die 
Durchbrechung des Völkerrechts. Es ist ein wirklich zivilisatori 
scher Fortschritt, daß das Völkerrecht mit einem solchen poli 
tisch neutralen Begriff der Souveränität umgeht, weil alles 
andere letztendlich Kriegstreiberei und ideologischer Imperialis 
mus ist. 
[Unruhe bei der CDU - Degen (REP): Das ist dumm!] 
Ich stehe zu diesem völkerrechtlichen Grundsatz, den alle Staa 
ten dieser Welt anerkennen. Dies tut wohlweislich auch die 
Bundesregierung, weil sie sich der Konsequenzen bewußt ist, 
wenn diese Grundlage des Völkerrechts nicht mehr akzeptiert 
wird. 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Ich möchte abschließend noch ganz kurz etwas zu einem 
anderen Teil der Anfrage der Republikaner sagen, der die Ein 
reiseverbote betrifft, denn ich denke, daß wir als Alternative 
Liste in diesem Fall auch Ihnen und der Öffentlichkeit eine Posi 
tion schuldig sind, gerade auch deshalb, weil wir lange von Ein 
reiseverboten betroffen waren. Ich gestehe gern zu, daß dieser 
Punkt bei uns in der Alternativen Liste umstritten ist, daß wir hef 
tige Debatten darüber geführt haben, wie gleichberechtigt die 
Republikaner behandelt werden sollen, etwa im parlamentari 
schen Rahmen, genau weil wir selber die Erfahrung der Diskrimi 
nierung gemacht haben. Und die Initiative etwa - was von den 
Republikanern kritisiert worden ist -, daß niemand im Präsidium 
dieses Hauses von Seiten der Republikaner sitzt, ist nicht von 
uns ausgegangen - das möchte ich ausdrücklich betonen. Aber, 
und jetzt kommt ein sehr großes „Aber“, wir müssen uns genau 
betrachten, wie die innenpolitischen Verhältnisse in der DDR im 
Augenblick sind und welche Motive die DDR für Einreiseverbote 
bei Republikanern hat. Wir verurteilen diese Einreiseverbote, 
weil wir sie ganz grundsätzlich verurteilen. Wir würden es sehr 
begrüßen, wenn die DDR ein solches Ausmaß an Souveränität 
nach innen und außen besitzen würde, daß sie mit diesem Pro- (C) 
blem ohne Repression umgehen würde. Aber ihr gegenwärtiger 
Zustand ermöglicht das nicht, und ob die Haltung der DDR sich 
dann nach den Wahlen ändern wird, ist sehr zu bezweifeln. Auf 
der anderen Seite kann ich aufgrund der besonderen Situation, 
in der wir im Augenblick leben, gut verstehen, daß die DDR-Füh- 
rung in puncto Republikaner Befürchtungen hat und sehr zurück 
haltend ist. Ich kann diese Bedenken aus zwei Gründen verste 
hen: Der erste Grund ist der, daß eigentlich keine westdeutsche 
Partei so schamlos wie die Republikaner gegenwärtig in die 
innenpolitische Situation der DDR interveniert. Das ist eine so 
offensive und brutale Destabilisierungsstrategie, daß ich denke, 
daß Ängste sehr berechtigt sind, daß der Einfluß der Republika 
ner in der DDR zunehmen könnte und daß das in eine Richtung 
gehen würde, die in der Tat nur die Destabilisierung zum Ziele hat 
und nicht mehr Verhältnisse der demokratischen Selbstbestim 
mung, wie wir sie anstreben. 
Der zweite Punkt ist: Es gibt keine Partei in der Bundesrepu 
blik, die - und darauf bin ich eben schon einmal eingegangen 
- die staatliche Existenz der DDR wirklich frontal und brutal in 
Frage stellt. Und auch da, denke ich, kann es ein gewisses Ver 
ständnis dafür geben, daß ein Staat, für den diese Grundlage 
des Völkerrechts tatsächlich nicht akzeptiert wird, daß ein Staat 
da sehr sensibel reagiert, und zwar - das möchte ich betonen 
- die Gesamtheit der Bevölkerung. Es gibt ja keine der gegen 
wärtigen Oppositionsgruppierungen - von der SED will ich • 
schweigen, weil deren Antifaschismus von unserer Seite aus 
immer kritisiert worden ist, 
[Frau Wiechatzek (CDU); Wo haben Sie das denn 
kritisiert?] 
auch in der funktionalen Art und Weise, wie er im Augenblick 
gehandhabt wird -, aber es gibt ja keine Gruppe in der DDR, die 
eine Zulassung der Republikaner zu den Wahlen will. Das heißt, 
es gibt einen ganz breiten gesellschaftlichen Konsens, daß eine 
Legalisierung des Rechtsradikalismus in der DDR unter den 
gegenwärtigen Bedingungen in Anbetracht der sensiblen demo- (D) 
kratischen Situation, daß eine solche Zulassung nicht ge 
wünscht wird. Und da kann ich nur sagen, wenn das auf eine so 
große Mehrheit innerhalb der DDR stößt - wir betonen ja immer 
das Recht auf Selbstbestimmung -, dann kann ich von meinem 
ganz grundsätzlichen Demokratieversländnis her wiederum nur 
sagen, ich wünschte mir eine demokratische Souveränität in der 
DDR, die damit gelassener umgehen würde, weil ich der Mei 
nung bin, daß Repression kein Umgang mit dem Neonazismus 
und Neofaschismus ist, 
[Beifall bei der SPD] 
aber dann kann ich wiederum nur sagen, ich kann das verstehen, 
daß in der gegenwärtigen sensiblen Situation die DDR so damit 
umgeht. Ich kann meine eigene Grundsatzposition dem entge 
genhalten, aber ich vermag in dieser Situation das nicht frontal zu 
kritisieren. 
Ich komme zum Schluß; 
[Zuruf von der CDU: Das ist auch besser so!] 
- Das weiß ich, das sagen Sie immer, ich könnte Sie auch noch 
ein bißchen ärgern und weiterreden, aber ich denke, das Wich 
tigste ist gesagt. Meine Redezeit ist auch zu Ende. Es ist wirklich 
nur noch ein Satz. 
[Preuss (CDU): So wichtig sind Sie auch nicht, daß Sie 
mich ärgern können!] 
- Ich meine, wenn Sie die Tatsache, ob Sie sich ärgern, davon 
abhängig machen, ob ich wichtig bin, und nicht von meinen 
Argumenten, dann ist das Ihr Problem. Sie sollten zuhören, das 
wäre mir viel lieber, als daß Sie mich für wichtig halten. 
Mein letzter Satz ist der: Die Argumentationslinie der Republi 
kaner ist doch keine demokratische, sie ist eine national-obrig 
keitsstaatliche, und das ist der Unterschied! Wir sind ja aus ganz 
grundsätzlichen demokratischen Gründen für die Liberalisierung, 
zum Beispiel auch dagegen, daß die Zählkarten dazu benutzt 
werden, unter Durchbrechung des Datenschutzes hier Fahn 
dung zu betreiben. Wir hatten ja gerade diesen Fall. Aber das
	        
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