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Volume Nr. 23, 19. Januar 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
23. Sitzung vom 18. Januar 1990 
1146 
Löhe 
(A) Meinen damaligen Appell, zuerst einmal abzuwarten, bis sich 
die Situation in der Stadt beruhigt hat, um dann ohne Aufgeregt 
heit über Verbesserungen im Kindertagesstättenbereich zu 
reden, 
[Preuss (CDU): Wer hat denn zum Streik aufgerufen? - 
Das war doch die Senatorin selber!] 
wurde durch die GEW zurückgewiesen mit dem Bemerken: Wir 
sind bereit, unsere Forderungen durchzusetzen, und wir lassen 
uns auch nicht gegen die vorgeschobene Übersiedlerproblema 
tik ausspielen. - Starke Worte, mit denen sie zeigte, daß man 
mich damals absichtlich falsch verstehen wollte. Nach acht 
Jahren Stillhalteabkommen in CDU-Zeiten wurde eine wahrlich 
übertriebene Eile an den Tag gelegt. Ich darf noch einmal daran 
erinnern, wie von der zuständigen Senatorin zwischen 1981 und 
1985 Kindergartenpädagogik beschrieben wurde: Was braucht 
ein Kind schon mehr als eine Buddelschippe und einen Eimer 
weißen Sand? - Da, meine Damen und Herren, habe ich starke 
Wort vermißt. 
[Landowsky (CDU): Ach!] 
Die damalige Empörung war mehr ein Sturm im Wasserglas. 
Es wird deshalb auch die Frage an die Damen und Herren der 
ÖTV erlaubt sein, weshalb gerade im letzten Vierteljahr 1989 die 
Situation so bedrohlich war - so bedrohlich, daß heute 45 000 
Kinder seit Tagen regelrecht ausgesperrt werden, um diesen 
sogenannten Tarifvertrag durchzusetzen, 
[Preuss (CDU): Daß Erzieher fremde Kinder mit in 
Demonstrationen schleppen - das ist infam!] 
einen Vertrag, mit dem lediglich nur noch die augenblickliche 
Bemessungszahl festgeschrieben werden sollte, mit einem Ver 
trag also, der Verbesserungen nicht gebracht hätte. Ich habe für 
meine Fraktion nie Zweifel daran gelassen, daß wir nicht für 
einen solchen Tarifvertrag sind, wenn zum Beispiel im schlüssel 
gebundenen Bereich, das heißt die Personalberechnung für Kin 
dertagesstätten nicht mehr von diesem Parlament und von 
seinen Fachausschüssen diskutiert und beschlossen wird, son 
dern wenn sie einzig und allein aufgrund von Tarifverhandlungen 
zwischen Gewerkschaften und Innensenator festgelegt werden 
würde. Ich kann nur jeden Parlamentarier bitten, diese Frage 
noch einmal zu überdenken. Dies gilt besonders für die fachlich 
zuständige Senatorin. Sehr geehrte Frau Klein, Solidarität zu 
gewerkschaftlichen Forderungen ist mir nicht fremd. Aber sie 
darf nicht dazu führen, daß man eigene Verantwortlichkeiten auf 
gibt. Sie, Frau Klein, sind zuständig für die pädagogischen Kon 
zepte; so etwas läßt man sich nicht aus der Hand nehmen. 
Eines ist dieser Senat wahrlich nicht: Er ist nicht stur, und es 
fehlt ihm auch nicht an sozialem Verständnis. Die Haushaltsbera 
tungen, insbesondere die Verhandlungen über einen Nach 
schlag aus Bonn, zeigen, wie eng der finanzielle Rahmen ist, in 
dem sich dieser Senat bewegt. Auch diese nun beschlossenen 
Verbesserungen müssen im Haushaltsplan für 1991 aufgefan 
gen werden. Die SPD-Fraktion steht dazu, und sie begrüßt aus 
drücklich die Beschlüsse dieses Senats. 
Folgende Maßnahmen werden wir unverzüglich in Angriff neh 
men: Noch in dieser Legislaturperiode sollte ein Kindertages 
stättengesetz geschaffen werden, das zum Beispiel die Fragen 
der Aus-, Weiter- und Fortbildung, der Elternmitbestimmung, der 
Kindermitbestimmung sowie die unterschiedlichen Aufgaben 
unserer Kindertagesstätten beschreibt. 
[Beifall bei der SPD - Löffler (SPD): Sehr richtig!] 
Dazu bitte ich schon heute um die aktive Mitarbeit der Gewerk 
schaften, weil sie hier etwas für die Arbeitssituation der Erziehe 
rinnen und Erzieher tun können. 
[Beifall bei der SPD] 
Im Rahmen des von meiner Fraktion vorgeschlagenen Stufen 
plans werden ab 1. Januar 1991 alle Gruppen in Krippen, Kin 
dertagesstätten und Kindergärten mit 1,5 Stellen ausgestattet. 
Dann stehen für zwei Gruppen jeweils drei Erzieher bzw. Erziehe 
rinnen zur Verfügung. 
[Zuruf der Frau Abg. Wiechatzek (CDU)] 
Damit endet endlich die Rechnerei in Bruchzahlen und wird dar- (C) 
über hinaus - nach meiner Auffassung - die Verantwortung der 
Erzieherinnen und Erzieher für ihre eigene Gruppe gestärkt. 
[Frau Wiechatzek (CDU): Das ist doch kein 
Fortschritt!] 
Ferner werden wir vom 1. Januar 1991 an die Hortbetreuung 
einer Gruppe auf 1,25 Stellen aufstocken. Das sind 25 % mehr; 
damit stehen dann für vier Gruppen fünf Erzieherinnen oder 
Erzieher zur Verfügung. Das Argument, das von diesem Perso 
nenkreis immer wieder vorgebracht worden ist, daß gerade aus 
dem Kindertagesstättenbereich immer die Löcher im Hort hätten 
gestopft werden müssen, ist damit aufgegriffen worden - ich 
denke, das ist ein sehr wichtiges Argument. 
Uns liegt heute ein dringlicher Antrag vor, in dem die CDU- 
Fraktion fordert, die SPD solle etwas unternehmen, um den 
Streik abzuwenden, den sie angeblich mit ihren Versprechungen 
angezettelt habe - Herr Preuss hat eben noch einmal darauf hin 
gewiesen. Dazu muß jedoch angemerkt werden, daß in den letz 
ten Jahren nichts im Bereich der Kindertagesstätten passiert ist. 
[Beifall bei der SPD - Kern (SPD): Das ist wahr! 
Dr. Staffelt (SPD): Das mußte mal gesagt werden! - 
Widerspruch bei der CDU] 
- Herr Landowsky, dabei geht es mir nicht um die Quantität. Ihre 
Partei hat in den letzten beiden Legislaturperioden zum Beispiel 
regelmäßig versucht, die Kita-Berater um 50 % zu kürzen, und 
dies ist immer nur an den Elternprotesten und an dem Wider 
stand der damaligen Opposition gescheitert. 
[Beifall bei der SPD - Buwitt (CDU): 
... Es sind 20 000 Ganztagsplätze geschaffen 
worden!] 
Auch die Stellenkürzungen im Kindertagesstättenbereich um 
3 °/o sind erst auf Druck der Opposition zurückgenommen wor 
den. Wenn die CDU-Fraktion jetzt Krokodilstränen über die 
schwierige Lage in den Kindertagesstätten vergießt, dann ist (D) 
festzustellen, daß sie ihre Glaubwürdigkeit längst verloren hat, 
um sich dazu überhaupt noch zu Wort zu melden. 
[Beifall bei der SPD] 
Über Ihren Schaufensterantrag werden wir im Ausschuß aus 
führlich reden. Trotzdem will ich noch einmal deutlich machen: 
Dieser Senat ist mit seiner für den Hort beschlossenen Verbes 
serung nicht nur über die Forderung der Gewerkschaften hin 
ausgegangen, sondern wird damit seine Versprechungen aus 
der Koalitionsvereinbarung vorzeitig - ich sage: vorzeitig - erfül 
len. 
[Buwitt (CDU): Das stimmt doch überhaupt nicht! ...] 
- Wenn Sie Schwierigkeiten mit dem Lesen haben sollten, dann 
lese ich Ihnen das gern einmal vor, Herr Buwitt. Sie sollten nicht 
herumschreien, sondern erst einmal nachlesen. Ein Blick ins 
Gesetz erleichtert die Rechtsfindung! 
[Buwitt (CDU): Ich habe es gelesen! Deshalb ist das, 
was Sie sagen, falsch!] 
Ab 1991 wird der Senat darüber hinaus auch seinen Plan ver 
wirklichen, Erzieherinnen und Erzieher umzuschulen, die über 
zehn Jahre im Beruf und älter als 53 Jahre sind, damit sie auf 
weniger streßgeplagten Arbeitsplätzen beschäftigt werden kön 
nen. Der Bedarf an Fort- und Weiterbildung ist anerkannt und 
wird ausgebaut. Mit den zusätzlichen Stellen wird es eine 
beträchtliche Ausweitung des Angebots geben. 
Die Koalitionsfraktionen werden diese Maßnahmen und noch 
einmal in einem Antrag formulieren und einbringen; damit wollen 
wir deutlich machen, daß dies alles auch parlamentarisch abge 
sichert wird, und insbesondere die Sorgen der Eltern an dieser 
Stelle abbauen. 
[Beifall bei der SPD] 
Wenn über qualitative Verbesserungen gesprochen wird, muß 
man aber auch auf das Programm „Kleine Kindertagesstät 
ten“ hinweisen. Mit den Bau wohnungsnaher und übersicht-
	        
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