Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
23. Sitzung vom 18. Januar 1990
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Löhe
(A) Meinen damaligen Appell, zuerst einmal abzuwarten, bis sich
die Situation in der Stadt beruhigt hat, um dann ohne Aufgeregt
heit über Verbesserungen im Kindertagesstättenbereich zu
reden,
[Preuss (CDU): Wer hat denn zum Streik aufgerufen? -
Das war doch die Senatorin selber!]
wurde durch die GEW zurückgewiesen mit dem Bemerken: Wir
sind bereit, unsere Forderungen durchzusetzen, und wir lassen
uns auch nicht gegen die vorgeschobene Übersiedlerproblema
tik ausspielen. - Starke Worte, mit denen sie zeigte, daß man
mich damals absichtlich falsch verstehen wollte. Nach acht
Jahren Stillhalteabkommen in CDU-Zeiten wurde eine wahrlich
übertriebene Eile an den Tag gelegt. Ich darf noch einmal daran
erinnern, wie von der zuständigen Senatorin zwischen 1981 und
1985 Kindergartenpädagogik beschrieben wurde: Was braucht
ein Kind schon mehr als eine Buddelschippe und einen Eimer
weißen Sand? - Da, meine Damen und Herren, habe ich starke
Wort vermißt.
[Landowsky (CDU): Ach!]
Die damalige Empörung war mehr ein Sturm im Wasserglas.
Es wird deshalb auch die Frage an die Damen und Herren der
ÖTV erlaubt sein, weshalb gerade im letzten Vierteljahr 1989 die
Situation so bedrohlich war - so bedrohlich, daß heute 45 000
Kinder seit Tagen regelrecht ausgesperrt werden, um diesen
sogenannten Tarifvertrag durchzusetzen,
[Preuss (CDU): Daß Erzieher fremde Kinder mit in
Demonstrationen schleppen - das ist infam!]
einen Vertrag, mit dem lediglich nur noch die augenblickliche
Bemessungszahl festgeschrieben werden sollte, mit einem Ver
trag also, der Verbesserungen nicht gebracht hätte. Ich habe für
meine Fraktion nie Zweifel daran gelassen, daß wir nicht für
einen solchen Tarifvertrag sind, wenn zum Beispiel im schlüssel
gebundenen Bereich, das heißt die Personalberechnung für Kin
dertagesstätten nicht mehr von diesem Parlament und von
seinen Fachausschüssen diskutiert und beschlossen wird, son
dern wenn sie einzig und allein aufgrund von Tarifverhandlungen
zwischen Gewerkschaften und Innensenator festgelegt werden
würde. Ich kann nur jeden Parlamentarier bitten, diese Frage
noch einmal zu überdenken. Dies gilt besonders für die fachlich
zuständige Senatorin. Sehr geehrte Frau Klein, Solidarität zu
gewerkschaftlichen Forderungen ist mir nicht fremd. Aber sie
darf nicht dazu führen, daß man eigene Verantwortlichkeiten auf
gibt. Sie, Frau Klein, sind zuständig für die pädagogischen Kon
zepte; so etwas läßt man sich nicht aus der Hand nehmen.
Eines ist dieser Senat wahrlich nicht: Er ist nicht stur, und es
fehlt ihm auch nicht an sozialem Verständnis. Die Haushaltsbera
tungen, insbesondere die Verhandlungen über einen Nach
schlag aus Bonn, zeigen, wie eng der finanzielle Rahmen ist, in
dem sich dieser Senat bewegt. Auch diese nun beschlossenen
Verbesserungen müssen im Haushaltsplan für 1991 aufgefan
gen werden. Die SPD-Fraktion steht dazu, und sie begrüßt aus
drücklich die Beschlüsse dieses Senats.
Folgende Maßnahmen werden wir unverzüglich in Angriff neh
men: Noch in dieser Legislaturperiode sollte ein Kindertages
stättengesetz geschaffen werden, das zum Beispiel die Fragen
der Aus-, Weiter- und Fortbildung, der Elternmitbestimmung, der
Kindermitbestimmung sowie die unterschiedlichen Aufgaben
unserer Kindertagesstätten beschreibt.
[Beifall bei der SPD - Löffler (SPD): Sehr richtig!]
Dazu bitte ich schon heute um die aktive Mitarbeit der Gewerk
schaften, weil sie hier etwas für die Arbeitssituation der Erziehe
rinnen und Erzieher tun können.
[Beifall bei der SPD]
Im Rahmen des von meiner Fraktion vorgeschlagenen Stufen
plans werden ab 1. Januar 1991 alle Gruppen in Krippen, Kin
dertagesstätten und Kindergärten mit 1,5 Stellen ausgestattet.
Dann stehen für zwei Gruppen jeweils drei Erzieher bzw. Erziehe
rinnen zur Verfügung.
[Zuruf der Frau Abg. Wiechatzek (CDU)]
Damit endet endlich die Rechnerei in Bruchzahlen und wird dar- (C)
über hinaus - nach meiner Auffassung - die Verantwortung der
Erzieherinnen und Erzieher für ihre eigene Gruppe gestärkt.
[Frau Wiechatzek (CDU): Das ist doch kein
Fortschritt!]
Ferner werden wir vom 1. Januar 1991 an die Hortbetreuung
einer Gruppe auf 1,25 Stellen aufstocken. Das sind 25 % mehr;
damit stehen dann für vier Gruppen fünf Erzieherinnen oder
Erzieher zur Verfügung. Das Argument, das von diesem Perso
nenkreis immer wieder vorgebracht worden ist, daß gerade aus
dem Kindertagesstättenbereich immer die Löcher im Hort hätten
gestopft werden müssen, ist damit aufgegriffen worden - ich
denke, das ist ein sehr wichtiges Argument.
Uns liegt heute ein dringlicher Antrag vor, in dem die CDU-
Fraktion fordert, die SPD solle etwas unternehmen, um den
Streik abzuwenden, den sie angeblich mit ihren Versprechungen
angezettelt habe - Herr Preuss hat eben noch einmal darauf hin
gewiesen. Dazu muß jedoch angemerkt werden, daß in den letz
ten Jahren nichts im Bereich der Kindertagesstätten passiert ist.
[Beifall bei der SPD - Kern (SPD): Das ist wahr!
Dr. Staffelt (SPD): Das mußte mal gesagt werden! -
Widerspruch bei der CDU]
- Herr Landowsky, dabei geht es mir nicht um die Quantität. Ihre
Partei hat in den letzten beiden Legislaturperioden zum Beispiel
regelmäßig versucht, die Kita-Berater um 50 % zu kürzen, und
dies ist immer nur an den Elternprotesten und an dem Wider
stand der damaligen Opposition gescheitert.
[Beifall bei der SPD - Buwitt (CDU):
... Es sind 20 000 Ganztagsplätze geschaffen
worden!]
Auch die Stellenkürzungen im Kindertagesstättenbereich um
3 °/o sind erst auf Druck der Opposition zurückgenommen wor
den. Wenn die CDU-Fraktion jetzt Krokodilstränen über die
schwierige Lage in den Kindertagesstätten vergießt, dann ist (D)
festzustellen, daß sie ihre Glaubwürdigkeit längst verloren hat,
um sich dazu überhaupt noch zu Wort zu melden.
[Beifall bei der SPD]
Über Ihren Schaufensterantrag werden wir im Ausschuß aus
führlich reden. Trotzdem will ich noch einmal deutlich machen:
Dieser Senat ist mit seiner für den Hort beschlossenen Verbes
serung nicht nur über die Forderung der Gewerkschaften hin
ausgegangen, sondern wird damit seine Versprechungen aus
der Koalitionsvereinbarung vorzeitig - ich sage: vorzeitig - erfül
len.
[Buwitt (CDU): Das stimmt doch überhaupt nicht! ...]
- Wenn Sie Schwierigkeiten mit dem Lesen haben sollten, dann
lese ich Ihnen das gern einmal vor, Herr Buwitt. Sie sollten nicht
herumschreien, sondern erst einmal nachlesen. Ein Blick ins
Gesetz erleichtert die Rechtsfindung!
[Buwitt (CDU): Ich habe es gelesen! Deshalb ist das,
was Sie sagen, falsch!]
Ab 1991 wird der Senat darüber hinaus auch seinen Plan ver
wirklichen, Erzieherinnen und Erzieher umzuschulen, die über
zehn Jahre im Beruf und älter als 53 Jahre sind, damit sie auf
weniger streßgeplagten Arbeitsplätzen beschäftigt werden kön
nen. Der Bedarf an Fort- und Weiterbildung ist anerkannt und
wird ausgebaut. Mit den zusätzlichen Stellen wird es eine
beträchtliche Ausweitung des Angebots geben.
Die Koalitionsfraktionen werden diese Maßnahmen und noch
einmal in einem Antrag formulieren und einbringen; damit wollen
wir deutlich machen, daß dies alles auch parlamentarisch abge
sichert wird, und insbesondere die Sorgen der Eltern an dieser
Stelle abbauen.
[Beifall bei der SPD]
Wenn über qualitative Verbesserungen gesprochen wird, muß
man aber auch auf das Programm „Kleine Kindertagesstät
ten“ hinweisen. Mit den Bau wohnungsnaher und übersicht-