Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
18. Sitzung vom 16. November 1989
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Frau Brinckmeier
(A) bereits am vorbereitenden Prozeß der Entscheidungsfindung
wäre deshalb nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Vor
allem müßte auch sichergestellt werden, daß nicht länger Pres
sionen eines einzelnen Ministerpräsidenten ausreichen, um der
Mehrheit der Bundesländer den Willen einer Minderheit aufzu
zwingen. Ich erinnere nur an das unrühmliche Spiel von Herrn
Späth in dieser Angelegenheit. Meiner Meinung nach müßte die
KEF aufgelöst werden und an ihre Stelle eine aus unabhängigen
sachverständigen Persönlichkeiten zusammengestellte Arbeits
gruppe treten, die alle zwei Jahre den Landespariamenten über
die finanzielle Situation der Rundfunkanstalten berichtet und
Empfehlungen gibt, ob und in welchem Umfang Gebührenan
passungen erfolgen sollen.
Ich betone das deshalb im Zusammenhang mit der Vorlage
dieses Gesetzentwurfs, weil mit dem Ausschluß der Konkursun
fähigkeit natürlich allein nicht die Bestandsgarantie für den SFB
ermöglicht wird. Wir kennen alle die finanzielle Situation des
SFB - Frau Kollegin Wiechatzek hat als Vorsitzende des Rund
funkrates soeben auch darauf hingewiesen. Die Situation ist
zweifellos bedrohlich. Sie resultiert sicherlich auch aus eigenen
Fehlern, aber wir wissen auch, daß selbst bei einer sparsamen
Wirtschaftsführung die finanzielle Krise aufgrund der vorhande
nen strukturellen Mängel und der zunehmenden Konkurrenz um
den Werbekuchen im dualen Rundfunksystem nicht hätte verhin
dert werden können.
Ich meine, daß die Belegschaft des SFB das größte Kapital
ist, das der Sender besitzt. Und in den letzten aufregenden
Tagen haben sich die Mitarbeiter durch hervorragende Sendun
gen bewährt. Das Wort „frei“ im Namen der Rundfunkanstalt
Sender Freies Berlin hat sich in der Berichterstattung über die
politische Situation manifestiert, nicht nur bei der Bevölkerung
der DDR, sondern darüber hinaus auch in weiten Teilen des
Bundesgebiets. Vielleicht erinnert man sich auch beispielsweise
bei der Festsetzung des Finanzausgleichs angesichts solcher
dramatischen politischen Entwicklungen, daß der SFB für die
Darstellung Berlins mehr leistet, als sein Gebührenanteil erlaubt.
Die Hörer und Seher in der DDR, die diese Leistung freudig
annehmen, erscheinen in keinem Gebührenschlüssel des SFB.
Mit denen wäre der Sender längst saniert.
Ich sage das in Richtung der Kritiker: Wer die Staatsferne des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks will und dieses nicht nur in Lip
penbekenntnissen tut und auf die Privaten schielt, der muß auch
für die Finanzierung sorgen. Und ich meine, einige Mitglieder der
CDU - nicht Frau Wiechatzek, die ich ausdrücklich hiervon aus
nehme - sollten sich dieser Verantwortung auch als Mitglieder
des Rundfunkrates bewußt werden und sich dieser auch stellen.
[Beifall bei der SPD]
Stellv. Präsidentin Dr. Schramm: Für die Republikaner
spricht Herr Bogen.
Bogen (REP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Während in der DDR der Sozialismus im Sterben
liegt, soll der in unserer Stadt als "Rotfunk” bezeichnete Sender
Freies Berlin als konkursunfähig erklärt werden.
[Gramer (AL); Der Sozialismus blüht auf!]
Der Konkurs des links unterwanderten Senders Freies Berlin
kann natürlich vom rot-grünen Senat nicht hingenommen wer
den. Das hat eben auch der Zwischenruf bestätigt.
Vordergründig geht es nur darum, die Umlagen für das Kon
kursausfallgeld zu sparen. Das geplante Gesetz hat aber in Wirk
lichkeit einen ganz anderen Hintergrund, als lediglich die Kosten
für das Konkursausfallgeld einzusparen. Die sozialistische Miß
wirtschaft beim Sender Freies Berlin soll ungehemmt von markt
wirtschaftlichen Zwängen weiterbetrieben werden können.
Anstatt sich den Marktverhältnissen zu stellen, wie es die privat
wirtschaftlichen Sender mit durchschlagendem Erfolg vorma
chen, soll beim SFB weiterhin eine linke Politisierung mit Staats
mitteln ermöglicht werden.
[Gramer (AL): Sagen Sie das mal Herrn von Lojewskü]
Tatsächlich aber ist der Sender Freies Berlin konkursgefähr- (C)
det. Die Werbeeinnahmen sind drastisch zurückgegangen, weil
die Werbezeiten nur noch zu 35 °/o ausgebucht sind. Die wer
bende Wirtschaft richtet ihre Einschaltquoten natürlich nach der
Hörerbeteiligung. Aber nur ein kleiner Teil der Hörer akzeptiert
heute noch sozialistische Parolen. Von linker Gleichmacherei
und Randgruppenfunk wollen viele Hörer und Fernsehzuschauer
nichts mehr wissen.
[Frau Holzhüter (SPD): Da habe ich aber andere
Informationen!]
Allerdings muß dem Sender zugestanden werden, daß seit
geraumer Zeit erhebliche Anstrengungen unternommen werden,
um vom Image des Hausbesetzerrundfunks der 70er Jahre loszu
kommen. Dieser Trend in Richtung weg vom Rotfunk wird aber
von einer starken Mitarbeitergruppe des Sender Freies Berlin
hintertrieben. Es sind zum großen Teil Mitarbeiter, die in der
freien Wirtschaft noch keine einzige Mark verdient haben. Das
Weltbewerbsdenken in der freien Wirtschaft ist ihnen deshalb
völlig fremd.
[Frau Holzhüter (SPD): Das hätten Sie mal rechtzeitig
lernen sollen!]
Wer nicht durch einen Konkurs endgültig zur Verantwortung
gezogen werden kann, der wird auch nicht verantwortungsbe
wußt handeln. So ist es ganz natürlich, daß diese Mitarbeiter
ihrem Ideal, dem Klassenkampf huldigen. Diese Gruppe befürch
tet nun, durch einen Konkurs des Senders arbeitslos zu werden.
Natürlich soll nur deshalb die Konkursunfähigkeit per Gesetz
beschlossen werden.
Würde dies geschehen, müßte künftig der Staat aufgrund der
dann verstärkten Gewährsträgerhaftung das immer größer wer
dende klaffende Finanzloch des Senders Freies Berlin mit
Steuermillionen stopfen. Es ist deshalb verwunderlich, daß in der
Vorlage über das Gesetz über die Konkursunfähigkeit juristi
scher Personen unter D - Kosten - das Wort „keine“ zu finden
ist. Demnach ist zu vermuten, daß sich der Staat im Fall einer (tj)
Zahlungsunfähigkeit des SFB weigern wird, das finanzielle Loch
zu stopfen. Dann stehen die Gläubiger vor der Situation, als ob
mangels Masse ein Konkurs gar nicht erst eröffnet würde. Eine
drohende Situation dieser Art würde aber jetzt schon die Kredit
würdigkeit des Senders Freies Berlin ruinieren.
Hiermit habe ich einen Teufelskreis beschrieben, aus dem her
aus es nur einen Ausweg gibt; Die Konkursfähigkeit darf nicht
per Gesetz eingeschränkt werden! Dieses wäre das Gegenteil
einer Privatisierung und eines marktwirtschaftlichen Handelns.
Hiermit würde die Leistungsfähigkeit nur weiter untergraben
werden.
Stellv. Präsidentin Dr.Schramm: Die Redezeit ist been
det!
Bogen (REP): Wir Republikaner lehnen daher eine Konkurs
unfähigkeitserklärung für den Sender Freies Berlin ab. - Ich
danke Ihnen!
[Beifall bei den REP - Löhe (SPD): Der SFB ist etwas
anderes als eine Firma!]
Stellv. Präsidentin Dr. Schramm: Für die AL-Fraktion
spricht nun Frau Weißler!
Frau Weißler (AL): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her
ren I Die Vorlage - zur Beschlußfassung - über die Konkursunfä
higkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts - das ist ja
ein denkbar gruseliger Titel - ist wirklich ein Aschenputtel, das
es verdient hätte, Prinzessin zu werden! Die AL-Fraktion begrüßt
die Gesetzesinitiative. Damit wird endlich eine von uns lange
erhobene Forderung Realtität: Der Sender Freies Berlin als
Landesrundfunkanstalt wird konkursunfähig. Der SFB erhält
damit vom Gesetzgeber als letzte Rundfunkanstalt in der ARD
die Sicherheit seiner Weiterexistenz. Mit diesem heute zur Ver
abschiedung vorliegenden Gesetz wird der Aussage des