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Volume Nr. 21, 8. Dezember 1989

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
21. Sitzung vom 8. Dezember 1989 
1104 
Diepgen 
(A) Für uns ist der Umzug von Berlin-Pankow nach Berlin-Wedding 
eben ein Umzug - um das sehr deutlich zu formulieren. 
[Beifall bei der CDU] 
Dabei werben wir auch niemand ab, sondern wir wollen sicher 
stellen, daß für diese Menschen eine Möglichkeit besteht, hierzu 
bleiben. Frau Senatorin, ich will einen konkreten Punkt anspre 
chen: Korrigieren Sie wenigstens Ihre Anweisung in der Form, 
daß diejenigen, die zum Teil vor Jahren ihre Anträge gestellt 
haben, die vor Jahren ihren Weg - und zwar einen beschwerli 
chen Weg - in Ost-Berlin gegangen sind, die drangsaliert wor 
den sind, nicht in einen Ort abgeschoben werden, den sie noch 
nicht einmal auf der Landkarte kennen! 
[Beifall bei der CDU] 
Fünftens: Die CDU begrüßt, daß der Senat seinen Streit mit 
Bonn beendet hat. Es kommt in der Tat jetzt darauf an, daß es 
eine abgestimmte und möglichst auch gemeinsame deutsch 
landpolitische Linie zwischen Berlin und Bonn gibt. Es wäre 
verkehrt, es wäre ein Fehler, wenn die SPD jetzt der Alternativen 
Liste folgen und ausgerechnet in der Deutschlandpolitik den 
Streit mit Bonn suchen würde. Wir brauchen gemeinsame Kon 
zepte für die neue Rolle dieser Stadt in der wiederentdeckten 
Mitte Europas, und zwar Konzepte für das nächste Jahrzehnt und 
das nächste Jahrhundert. 
[Beifall bei der CDU] 
Für die Stadtpolitik haben sich aus dieser Debatte ebenfalls 
Schwerpunkte ergeben, von denen ich einige hervorheben 
möchte: 
Wir brauchen - das ist der erste und wichtigste Punkt - min 
destens 100 000 Wohnungen bis zum Ende des kommenden 
Jahrzehnts. Dieses Ziel werden wir nur erreichen, wenn der 
Senat bereit ist, unbürokratisch und vernünftig mit Ausnahmen 
und Befreiungen zu arbeiten. Ich fordere Sie noch einmal mit 
aller Deutlichkeit auf; Lassen Sie die freien und privaten Unter- 
(B) nehmen endlich bauen! Reden Sie nicht, Herr Nagel, sondern 
handeln Sie - das ist das Entscheidendste! 
[Beifall bei der CDU] 
Zweitens: Die Arbeitslosenzahlen gehen wieder hoch, Herr 
Wagner, begreifen Sie sich endlich einmal auch als Arbeitssena 
tor und nicht nur als Verkehrsverhinderungssenator! 
[Beifall bei der CDU] 
Die Konzepte, die Sie fordern, haben Sie von uns. Es sind die 
Konzepte der Qualifizierung der Menschen und des Standorts 
Berlin, der Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen vom Wirt 
schafts- bis hin zum Luftverkehr. 
Drittens: Im Umweltschutz muß es in Zukunft nicht um 
Bedürfnisbefriedigung für mehr Vorschriften, sondern es muß 
um wirklichen Umweltschutz gehen. 
[Dr. Niklas (SPD): Ja, der ist Ihnen noch nicht 
rot-grün genug!] 
Bis jetzt jedenfalls waren wir gezwungen, die Verschmutzung 
unserer Umwelt ungeteilt zu ertragen. Gemeinsame Verantwor 
tung in Ost und West ist jetzt aber möglich, und diese Chance 
müssen wir unbedingt wahrnehmen. 
Viertens, zur Sozialpolitik: Lösen Sie sich - das ist meine For 
derung an Sie - endlich von Ihrer kalten - es ist eine kalte - Ver 
teilungsmentalität, und schauen Sie auf die wirklich Bedürftigen! 
[Beifall bei der CDU - 
Roß (SPD): Das ist eine Frechheit!] 
Wir jedenfalls fordern von Ihnen; Erweitern Sie das Familiengeld 
so, wie es vorgesehen war! Führen Sie das Familiendarlehen 
wieder ein! Setzen Sie unser Programm zum Ausbau einer 
behindertengerechten Stadt fort! Ermuntern Sie die Menschen 
zum Mittun, und fördern Sie auch wieder das freiwillige soziale 
und ökologische Jahr! 
[Beifall bei der CDU] 
In der Ausländerpolitik sind die Rückkehrhilfen jetzt wieder not- (C) 
wendig. 
Damit will ich zu einem letzten Punkt kommen. 
[Kern (SPD): Das ist gut!] 
Hören Sie auf - das ist meine Aufforderung an die Sozialdemo 
kratie und die Alternative Liste -, immerzu allen Menschen etwas 
vorschreiben zu wollen! Nehmen Sie zur Kenntnis, daß Politik am 
meisten dann etwas bewirkt, wenn sie sicherstellt, daß die Men 
schen selbst etwas auf die Beine stellen können! 
[Beifall bei der CDU] 
Die allerletzte Bemerkung: Die lustlos vorgetragene Rede des 
Regierenden Bürgermeisters von gestern - aus Versatzstücken 
und alten Reden und Erklärungen zusammengestoppelt - 
[Kern (SPD); Waren Sie nicht im Saal?] 
war typisch für das Verhalten des Senats in der letzten Zeit. Kon 
zeptionslos und widersprüchlich gehen Sie die Themen nicht 
wirklich an. Damit werden Sie der historischen Lage, in der wir 
uns befinden, nicht gerecht. 
[Frau Bischoff-Pflanz (AL): Nein, das können 
sowieso nur Siel] 
Eigentlich, Herr Momper, müßten Sie - das ist auch das Ergeb 
nis der Aussagen von Frau Stahmer - ganz von vom anfangen 
oder jetzt aufhören. Das wäre jedenfalls das ehrliche Fazit der 
Politik des Senats nach diesem ersten Jahr seiner Regierungs 
zeit! 
[Starker Beifall bei der CDU] 
Präsident Wohlrabe: Das Wort hat Herr Abgeordneter 
Dr. Staffelt. 
Dr. Staffelt (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten ^ 
Damen und Herren! Werter Herr Diepgen! Von Aufhören kann, 
glaube ich, überhaupt nicht die Rede sein. Wir fangen heute erst 
richtig an! 
[Starker Beifall bei der SPD - 
Diepgen (CDU): Was Sie noch nicht angefangen haben!] 
Ich darf Sie, Herr Diepgen, an die Abschlußdebatten in den letz 
ten zwei Jahren erinnern, die von abwertenden, zum Teil tatsäch 
lich miesen Beiträgen der Herren Rasch und Landowsky geprägt 
waren. 
[Landowsky (CDU): Was? - Ich habe noch nie 
zum Schluß gesprochen!] 
Sie werden sich alle erinnern - diejenigen, die hier im Parlament 
gesessen haben -, daß es Ziel war, den damaligen Oppositions 
führer und seine Fraktion auf billige Weise abzuwerten und zu 
demontieren. Wir haben damals geantwortet - und ich sa|e das 
heute noch einmal -: Hochmut kommt vor dem Fall! 
[Beifall bei der SPD, der CDU und der AL - 
Zurufe von der CDU: Sehr gut! - BravoI] 
Herr Rasch und Herr Generalsekretär Landowsky - ich würde 
übrigens überlegen, ob Sie vor dem Hintergrund der Entwick 
lung in der DDR den Titel nicht ändern - 
[Beifall bei der SPD - Landowsky (CDU); 
Herr Staffelt, sagen Sie einfach General zu mir!] 
haben ihre Quittung durch die Berlinerinnen und Berliner erhal 
ten. Ich sage an dieser Stelle sehr bewußt: Wir wollen als heu 
tige Regierungsfraktion einen solchen Stil der Auseinanderset 
zung nicht. 
[Zurufe von der CDU] 
- Ja, das sage ich sehr bewußt! 
Dennoch hat die Haushaltsdebatte einigen Aufschluß über 
den Zustand der CDU-Fraktion gegeben. Wir haben erlebt einen
	        
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