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Volume Nr. 20, 7. Dezember 1989

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
20. Sitzung vom 7. Dezember 1989 
969 
Frau Bischoff-Pflanz 
(A) hen. Worum geht es dabei? - Es geht dabei um den Abschluß 
eines Tarifvertrags, der auch Arbeitsbedingungen mit beinhaltet 
und nicht nur Lohn- und Gehaltsbestandteile. Dieses ist uns 
unheimlich wichtig. Wir sagen, daß so ein Tarifvertrag gerade 
hier in Berlin abgeschlossen werden sollte. 
[Beifall bei der AL] 
Es ist notwendig, daß in dem gesamten Tarifvertragswesen 
endlich ein entscheidender Schritt gemacht wird hin zu besseren 
Arbeitsbedingungen. Ich kann dabei der Logik weder des Innen 
senators noch der Fraktion der SPD folgen, die sagen, wir 
würden damit aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder aus- 
scheiden. Wir sollten Vorreiter sein im Durchkämpfen dieser 
Angelegenheit! Gleichzeitig macht der Fraktionsvorsitzende der 
SPD, Herr Staffelt, einen Vorschlag, der tatsächlich etwas mit 
dem Tarifvertrag und dem Tarifrecht zu tun hat. Er sagt wörtlich 
- ich zitiere ihn: 
Eine Überprüfung der Eingruppierung der Erzieher und 
Erzieherinnen und damit Steigerung der Attraktivität des 
Berufs, würde die SPD empfehlen. 
[Beifall bei der SPD] 
Ich empfehle dazu, weil ich das auch richtig finde, den BAT - das 
ist der Bundesangestelltentarifvertrag - in diesem Bestandteil 
dann auch zu kündigen 
[Löhe (SPD): Das ist doch eine Frage der Bewertung!] 
und sich massiv dafür einzusetzen, daß dieser Berufsstand end 
lich einmal aufgewertet wird. 
Nun kurz zur Situation und warum wir für den Abschluß eines 
Tarifvertrages sind. Wir sehen in der Haltung der SPD einen 
erheblichen Fehler und eine Fehleinschätzung, die sich seit Jahr 
zehnten immer wieder eingeschlichen hat, nämlich die Frage 
nach der Quantität, das heißt: Ausbau von Kindertagesstätten 
vor qualitativen Verbesserungen in diesem Bereich. Dies begann 
/g. bereits 1961 beim Mauerbau. Nach 28 Jahren - beim Mauerbau 
- haben wir wieder eine Situation, in der gesagt wird: Vorrang 
hat der Ausbau von Kindertagesstätten. Wir alle wollen den Aus 
bau, aber ich habe Angst, daß wir nachher viele Kindertagesstät 
ten haben, aber die Kinder darin leider nicht betreuen können, 
weil es keine Erzieherinnen und Erzieher mehr gibt. 
[Löhe (SPD): Das hat doch nichts mit dem Schlüssel zu tun!] 
- Das hat mit Arbeitsbedingungen sehr wohl etwas zu tun, 
ebenso wie mit einem Personalschlüssel, der so schlecht ist, 
daß die Kinder in unseren Kindertagesstätten nicht mehr ausrei 
chend betreut werden. Wir können nicht davon reden, daß das 
eine Bildungseinrichtung ist, sondern die Kinder werden aufbe 
wahrt. Da haben wir eine Verantwortung: daß mit diesem Aufbe 
wahren auch ein Ende gemacht wird! Für meine Begriffe ist es 
nicht richtig, wiederum an die Verantwortung der betroffenen 
Erzieherinnen und Erzieher, an die Eltern der Kinder zu appellie 
ren, damit sie stillhalten und zusammenrücken. Zusammen 
rücken müssen alle, aber es hat auch einmal an ganz bestimmten 
Punkten eine Grenze. Wir haben auch hier, in diesem Haus 
gehört, daß Investitionen für die Kinder Investitionen für die 
Zukunft sind. Deshalb wünsche ich mir dort einen anderen 
Schwerpunkt. Ich wünsche den Erzieherinnen und Erziehern, 
den Gewerkschaften und den Eltern auch einen Erfolg und daß 
sie wirklich mit viel Selbstbewußtsein in diesen Kampf hineinge 
hen, Wie dieser Kampf aussieht und ausgehen wird, das kann 
hier niemand sagen. Deshalb mache ich auch keine Vorschläge, 
wie jetzt die Verbesserungen im einzelnen aussehen sollen. Das 
fände ich in dieser Situation falsch. 
Wie viele Verbesserungen es in den Kindertagesstätten 
geben wird, wird sich in der nächsten Zeit deutlich zeigen; dann 
werden wir sicherlich auch hier weiter darüber sprechen. Ich for 
dere die SPD auf, an diesem Punkt ihre falsche und kurzsichtige 
Haltung aufzugeben. - Danke! 
[Beifall bei der AL] 
Präsident Wohlrabe: Das Wort hat der Abgeordnete Diep 
gen. 
Diepgen (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten (C) 
Damen und Herren I Ich wollte einige Anmerkungen zu den Aus 
führungen des Regierenden Bürgermeisters machen - der leider 
nicht hier ist, 
[Buwitt (CDU): So ist es!] 
bei der Beratung seines eigenen Etats nicht anwesend ist. Die 
erste Anmerkung zu seiner Rede ist der Hinweis: Falschaussa 
gen, Wiederholungen von falschen Behauptungen helfen auf die 
Dauer nicht. 
[Haberkorn (AL): Das müssen Sie gerade sagen!] 
Sie werden von der Wahrheit eingeholt, und dem Regierenden 
Bürgermeister muß ins Stammbuch geschrieben werden: Lügen 
haben kurze Beine. Mit Sicherheit! 
[Starker Beifall bei der CDU] 
Dies betrifft die Darstellung konkreter Probleme von heute, 
betrifft die Darstellung der Entwicklungen in der Vergangenheit, 
betrifft beispielsweise das Mietrecht genauso wie die Fragen, 
die gerade zu den Kindertagesstätten angesprochen worden 
sind. Mir fällt bei den Ausführungen des Regierenden Bürgermei 
sters auf - und das ist der Denkansatz -: Er wehrt sich dagegen, 
wenn ihm vorgehalten wird, daß dieser Senat keine neuen 
Akzente setzt. Und er lobt dann in besonderer Weise, daß durch 
eine neue Smog-Verordnung an vier Tagen noch zusätzlich ein 
Fahrverbot eingeführt werden könnte. Ich kann nur sagen; Dar 
um geht es nicht! Es geht darum, daß die Luft sauberer wird, und 
zwar durch konkrete Maßnahmen und nicht durch Fahrverbote, 
die nichts verbessern. 
[Starker Beifall bei der CDU] 
Wenn ich höre, was er zum Müll sagt, dann will ich ihm nur mit 
auf den Weg geben: Herr Momper, im Saarland hat Ihr Kollege 
Lafontaine - unterstützt durch den dortigen Umweltminister - 
ebenfalls die Vorstellung vertreten: Wir müssen und können ver 
hindern, daß Müll überhaupt existiert! - Dann haben sie die 
gesamte Entsorgung verschlafen und sind inzwischen heilfroh, ' ' 
daß jenseits der Grenze in Frankreich Müllverbrennungsanlagen 
gebaut werden können - 
[Gramer (AL): Heuchler!] 
aber leider dann zu schlechteren Konditionen als in der Bundes 
republik Deutschland. 
[Dr. Staffelt (SPD): Wie bitte?] 
Das ist die Situation. Sie sollten daraus lernen! 
Aber deswegen habe ich mich nicht zu Wort gemeldet. Mir 
geht es darum, deutlich zu machen, daß uns die wichtigen 
Fragen, die uns im Augenblick zwischen Ost und West und in 
der Stadtentwicklung insgesamt bewegen, natürlich nicht davon 
abhalten können, uns auch ganz konkret mit den Fragen des poli 
tischen Alltags auseinanderzusetzen, uns weiter auseinanderset 
zen zu müssen mit der Politik der Bevormundung des Bürgers, 
uns auseinandersetzen zu müssen mit einer Politik ohne Per 
spektive für die Stadt. 
Auf der anderen Seite - da möchte ich auf das eingehen, was 
der Kollege Staffelthier vorgetragen hat - geht es darum, so weit 
wie möglich das hohe Gut der Gemeinsamkeit in der Deutsch 
landpolitik wiederzugewinnen. Dafür aber gibt es Voraussetzun 
gen, Herr Kollege Staffelt. Die Voraussetzungen liegen beispiels 
weise darin, daß der Regierende Bürgermeister nicht auf der 
einen Seite den 10-Punkte-Plan des Bundeskanzlers loben darf, 
aber in der Zielsetzung das kritisiert, was ich als Einheit der deut 
schen Nation bezeichnen möchte. 
Ich wehre mich dagegen, Herr Momper, daß Sie immer wieder 
versuchen, die Forderung nach der Einheit Deutschlands zu 
diffamieren, bis hin zu Begriffen wie „Großmannssucht“ oder 
sogar einer Formulierung wie: Die Deutschen sollten heim ins 
Reich. - Das ist eine Form von Diffamierung eines wichtigen Zie 
les, daß viele Deutsche verbindet, die einfach nicht akzeptierbar 
ist. 
[Beifall bei der CDU - Dr. Staffelt (SPD); 
Entschuldigen Sie sich für Ihre Entgleisung!]
	        
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