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Volume Nr. 18, 16. November 1989

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989/90, 11. Wahlperiode, 17.-34. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
18. Sitzung vom 16. November 1989 
797 
Dr. Köppl 
(A) bahnplanung in Berlin wieder mit Hilfe der Massenbewegung 
in der DDR durchsetzen möchte? 
[Buwitt (CDU): Man kann von Tag zu Tag klüger werden! - 
Weitere Zurufe] 
Präsident Wohlrabe: Frau Senatorin, bitte! 
Frau Dr. Pfarr, Senatorin für Bundesangelegenheiten: 
Solange der Bausenator noch nicht die Gelegenheit hatte, seine 
Gedanken inhaltlich auch hier im Abgeordnetenhaus zu begrün 
den, möchte ich das nicht bewerten. 
[Zurufe] 
Präsident Wohlrabe: Das Wort zu einer weiteren Zusatz 
frage hat Herr Abgeordneter Berger. 
Berger (AL): Frau Senatorin, da jetzt die Karten hinsichtlich 
der Grenzübergänge neu gemischt werden; Können Sie sich 
nicht auch vorstellen, daß diese Sache innerhalb der DDR, bei 
den verantwortlichen Stellen der DDR grundsätzlich überdacht 
wird, besonders, wenn man bedenkt, daß dieser Übergang Schi 
chauweg auf der anderen Seite durch neun Kilometer intakte 
Feldmark führt und bei einer relativ starken, sich deutlich artiku 
lierenden Umweltbewegung in der DDR die künftige Regierung 
sehr viel stärker auch Rücksicht auf die Umweltbelange der 
DDR-Bevölkerung nehmen muß? 
Präsident Wohlrabe: Frau Senatorin - bitte! 
Frau Dr. Pfarr, Senatorin für Bundesangelegenheiten: Ange 
sichts der Erfahrungen der letzten Tage kann ich mir sehr viel 
Lernfähigkeit innerhalb der Führung der DDR vorstellen. Ich 
hoffe, daß wir weiterhin positiv überrascht werden. Ich bin sicher, 
daß zu diesen Überraschungen auch ein gesteigertes Bewußt- 
(B) sein hinsichtlich ökologischer Fragen gehören wird. 
Präsident Wohlrabe: Das Wort zu einer letzten Zusatzfrage 
hat der Herr Abgeordnete Dr. Hassemer. 
Dr. Hassemer (CDU): Frau Senatorin, können Sie mir im 
Gegensatz zu der Tendenz der Frage von Herrn Gramer bestäti 
gen, daß, wenn man den von Ihnen zitierten Satz nutzt, es doch 
heute das Gebot der Stunde sein muß, was die Übergänge nach 
Ost-Berlin und in die DDR angeht, sich darum zu bemühen, mög 
lichst viele Wege und möglichst viele Straßen zu säen, um mög 
lichst viel Verkehr herüber und hinüber zu ermöglichen? 
Präsident Wohlrabe: Bitte, Frau Dr. Pfarr! 
Frau Dr. Pfarr, Senatorin für Bundesangelegenheiten; Ich 
würde Ihnen nicht gern zustimmen, weil ich glaube, daß es ein 
falsches Signal ist, die Bürgerinnen und Bürger der DDR und 
Ost-Berlins, die zu uns kommen, dazu aufzufordern, dieselben 
Fehler wie wir zu machen, denn wir versuchen wieder, das etwas 
geradezurücken. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Der Satz von Hans-Jochen Vogel; „Wer Straßen baut, wird 
Verkehr ernten!“ trifft zu. Er ist allerdings zu ergänzen: Wer Rei 
sefreiheit schafft, wird Verkehr ernten. 
[Zuruf von der CDU: Sie wollen also zu gängeln 
anfangen! - Weitere Zurufe von der CDU] 
Präsident Wohlrabe: Wir kommen jetzt zur Mündlichen 
Anfrage Nr. 4 über 
verfassungswidrige Äußerungen des 
Regierenden Bürgermeisters 
des Herrn Abgeordneten Bogen. 
Bogen (REP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich (C) 
frage den Senat: 
1. Gehören zu den vom Regierenden Bürgermeister als „Volk 
der DDR“ Bezeichneten auch die Einwohner des Ostsektors 
Berlins? 
2. Wenn ja: Zu welchem Volk gehören dann die Einwohner 
von Berlin (West)? 
[Zuruf von der AL: Ist das aber schwierig!] 
Stellv. Präsidentin Dr. Schramm: Zur Beantwortung hat 
Herr Staatssekretär Dr. Schröder das Wort. 
Dr. Schröder, Staatssekretär und Chef der Senatskanzlei: 
Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Bei der Benut 
zung des Wortes „Volk” weiß sich der Regierende Bürgermei 
ster Walter Momper in der Tradition von Ernst Reuter in dessen 
denkwürdigen Rede vor dem Reichstagsgebäude am 9. Sep 
tember 1948. Dort hat er unter anderem ausgeführt: 
Heute ist der Tag, an dem nicht Diplomaten und Generäle 
reden und verhandeln, heute ist der Tag, wo das Volk von 
Berlin seine Stimme erhebt. Dieses Volk von Berlin ruft 
heute die ganze Welt. 
Der Senat von Berlin ist der festen Überzeugung, daß niemand 
diese Formulierung des ersten Regierenden Bürgermeisters 
dieser Stadt zum Anlaß genommen hätte, Ernst Reuter mit der 
sogenannten Drei-Staaten-Theorie in Zusammenhang zu brin 
gen. 
[Beifall bei der SPD und der AL - 
Zuruf von der CDU: 
Das ist eine unglaubliche Frechheit! - Weiterer 
Zuruf von der CDU: Das ist nicht nur dumm, 
sondern auch dreist!] 
Es fällt schwer, zu glauben, daß jemand ernsthaft in der Benut 
zung des Wortes „Volk“ im Zusammenhang mit Erklärungen über (D) 
die Ereignisse der letzten sieben Tage eine verfassungswidrige 
Äußerung sehen könnte. 
[Beifall bei der SPD und der AL - 
Zurufe von der CDU] 
Stellv. Präsidentin Dr. Schramm: Herr Wronski hat das 
Wort. 
Wronski (CDU): Herr Staatssekretär, ist Ihnen bei der Formu 
lierung Ihrer Antwort entgangen, daß 1948 der Drosselungsver 
such der Sowjets mit Hilfe der Berlin-Blockade in der Tat das 
ganze Volk von Berlin betroffen hat? Ist Ihnen entgangen, daß 
seinerzeit die Versuche der Ostseite, die Berliner herüberzuzie 
hen in die Willfährigkeit ihrer Maßnahmen, von der hochverdien 
ten Bürgermeisterin Louise Schroeder mit dem Schlagwort defi 
niert wurde: „Brot aus dem Osten kann die Freiheit kosten"? 
Frau Schroeder war bekanntlich Sozialdemokratin. Ist Ihnen ent 
gangen, daß die Drei-Staaten-Theorie, die heute noch immer 
auch von einigen Bürgern dieser Stadt vertreten wird, erst im 
Laufe der nächsten Jahre, Jahrzehnte entwickelt wurde, so daß 
der Vergleich der heutigen Situation mit der damaligen einen 
Chef der Senatskanzlei nicht passieren dürfte? 
[Beifall bei der CDU und den REP] 
Stellv. Präsidentin Dr. Schramm: Das war weniger eine 
Frage, sondern mehr eine lange Ausführung. Wir sind aber tole 
rant. - Jetzt zur Beantwortung für den Senat - Herr Schröder! 
Dr. Schröder, Staatssekretär und Chef der Senatskanzlei; 
Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Diese Diskus 
sion, die hier in Gang gesetzt werden soll, leidet daran, daß sie 
sich eines Begriffs bedient, der juristisch keineswegs so klar ist, 
wie es die Aufgeregtheit hier unterstellt. Dieser Begriff wird für 
den Juristen erst klar, wenn Sie vom „Staatsvolk” sprechen, 
denn das ist offenbar gemeint.
	        
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