Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
19. Sitzung vom 30. November 1989
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Frau Künast
(A) - Herr Finkelnburg, das mit der alten Pappe ist das eine. Es gibt
mittelenglische Umgangsformen, und es gibt so etwas wie
Würde und Anstand vor bestimmten Problemen. -
[Beifall bei der AL und bei der SPD -
Buwitt (CDU): Das sagen Siel]
Aber ich erwarte von einem Richter am Kammergericht - ob es
nun Pappe ist oder edles Kupfer, ob edles, schweres Metall -,
[Gierich (CDU); Lächerlich!]
daß der Satz: „Den Todesopfern des Reichskriegsgerichtes“ von
ihm akzeptiert wird. Was machte die P-Staatsanwaltschaft dar
aus? - Als Volljurist am Kammergericht war er offensichtlich zu
blöde, die Sachverhalte irgendwie zu erfassen: Irrtum! - Die sag
ten, es sei so etwas wie ein zurückgelassenes Demonstrations
transparent, das sei herrenlos, und so auch diese Tafel. Ich weiß
nicht, ob Sie jemals Sperrmüll auf die Straße gestellt haben.
Wenn Sie einen Schrank auf die Straße stellen, und der Sperr
müll vergißt, den abzuholen, oder kommt wegen Glatteis und
ähnlichem partout nicht, dann ist dieser Schrank nicht herrenlos,
sondern dessen Abstellen wird Ihnen in den nächsten Tagen vor
gehalten. Und den Schrank wollten Sie garantiert nicht mehr -
im Gegensatz zu einer Gedenktafel mit diesem Inhalt!
Aber so dumm kann doch kein Jurist sein.
[Von der SPD: Doch!]
Die P-Staatsanwaltschaft schafft es auch da. Der Schrank für
den Sperrmüll ist nicht herrenlos, da müssen wir die Beseitigung
bezahlen; eine Gedenktafel mit diesem Inhalt, an dieses
Gebäude angestellt, das es einmal war, ist ganz offensichtlich
herrenlos.
Ich muß Ihnen sagen, das Problem ist für micht dabei nicht,
daß ich meine, so jemand muß bestraft werden. Was mir nur
dabei auffällt, ist, daß diese Volljuristen sich ständig StGB-rele-
vant irren. Warum gelingt uns das eigentlich nie? Warum gelingt
(B) das zwei Millionen Bürgern eigentlich nie?
[Beifall bei der AL und bei der SPD]
Man könnte noch viele Fälle anführen, zum Beispiel aus dem
Bereich Presse, diese Spezialzuständigkeit soll auch aufgelöst
werden. Da kann man sich immer nur wundern: Kein Spezialde
zernat hat es geschafft, wie die P-Abteilung, selbst im Fall eines
erstinstanzlichen Freispruchs gnadenlos bis zur letzten Instanz
hochdotierte Juristinnen zu beschäftigen.
Es ist, wenn man sich viele Verfahren anguckt - meistens
waren es „taz”-Verfahren, andere Zeitungen kannten die gar
nicht -, so: Es fängt damit an, Sachen, die nach gängiger
Rechtssprechung mit Tagessätzen wie 20- bis 30mal 10 DM
oder 20 DM - viel mehr kann es bei dem „taz”-Einheitslohn ja
nicht sein -, die also derartig niedrig bestraft wurden, klagten sie
immer beim Schöffengericht an. Die können ordentlich mit Frei
heitsstrafen belegen; das ist die Kompetenz des Schöffenge
richts im Gegensatz zum Einzelrichter. Was sie da immer
machen wollten, und warum man auch noch diese Schöffen
- die bekommen auch noch Verdienstentschädigung - beschäf
tigen muß, weiß kein Mensch. Es sah aber besser aus, ein
drucksvoller. Und sie haben sich gnadenlos bis zur letzten
Instanz bestätigen lassen: Freispruch. - Da frage ich mich auch:
Haben die nichts anderes zu tun?
Es gibt so viele Fälle bis hin zu Herrn Kunzeimann, der da auch
immer seine Späße hatte. Es gibt auch andere Dinge, um nur ein
Beispiel zu nennen: Da gibt es irgendwelche Karikaturen. Wenn
ich mir die so angeguckt habe, fand ich die auch nicht besonders
geschmackvoll: aber Strafrecht hat ja mit Geschmack nichts zu
tun. Das weiß die P-Abteilung nur nicht. Die denken, wo es ihren
Geschmack oder ihr Fassungsvermögen überschreitet, muß
zwingend die Strafbarkeit anfangen, also klagen sie immer gleich
an. Dann klagen die Karikaturen an aus einem Buch, in der „taz“
wiedergegeben, ohne sich einmal die Mühe zu machen, sich bei
ihrem Abteilungsleiter die Genehmigung für ein Ferngespräch
einzuholen und zum Beispiel bei der Staatsanwaltschaft in Frank
furt, wo das Buch erschienen ist, zu fragen: Habt ihr denn das
angeklagt? - Denn das war einem Buch entnommen. Was ist? -
In Frankfurt wird das Buch verlegt und geht von da aus in die
ganze Republik, wird verteilt, gekauft. Nur hier haben unsere
P-Leute nichts anderes zu tun, als einen einmaligen Abdruck aus
der „taz“ strafrechtlich zu verfolgen. - Was nicht mein
Geschmack ist, kann nur strafbar sein.
Die einzige Begründung, die es gibt oder geben könnte - und
die ja einige angebracht haben für diese Sonderzuständigkeit
P -, ist eigentlich die, daß zum Beispiel diese Pressesachen in
einem halben Jahr verjähren. Da habe ich dann auch darüber
nachgedacht, und mir gingen zweierlei Dinge auf. Einmal halte
ich Staatsanwälte nicht für grundsätzlich blöder als Anwälte, und
Anwälte sind in der Lage, auch Wochenfristen einzuhalten. Als
nächstes ging mir das praktische Argument auf; Es gibt.Aufkle-
ber auf den Akten; da steht in leuchtend gelber Schrift darauf:
Pressesache - Ausrufezeichen, sechs Monate steht sogar noch
glaube ich - darauf. Da habe ich mir dann gedacht, auch ein
Staatsanwalt wird in der Lage sein, diesen Aufkleber zu lesen,
und, wenn keine Spezialzuständigkeit da ist, das auf einen Extra-
Aktenbock zu legen und zu wissen: Das müßte ich vielleicht
noch vor meinem nächsten Sommerurlaub, dann sind ja ungefähr
sechs Monate um, vor 1990 bearbeiten. - Also auch dafür gibt
es keinen Grund. Das einmal als Rundumschlag!
Ich kann und muß bei alledem feststellen, daß ich mich gar
nicht mit der persönlichen Struktur der einzelnen P-Staats-
anwälte beschäftigen will, da könnten wir lange darüber reden.
Meine Mimik würde das erlauben, aber so viel Redezeit gibt es
nicht.
[Vetter (CDU): Gott sei Dank!]
Ich glaube auch nicht, daß das Problem ist. Ich halte diese Son
derzuständigkeiten mit all ihren Auswüchsen und Fehlentwick
lungen für ein strukturelles Problem. Auch viele andere Men
schen, Staatsanwältinnen, die guten Willens sind, würden dort
untergehen, würden hinter dieser dicken Panzerglastür irgend
wann versauern.
Deshalb können ich und die AL nur zu dem Ergebnis kommen:
Eine solche Spezialzuständigkeit darf es nicht geben, weder für
rechts, noch für links. Und deshalb zurück in die Buchstabenab
teilungen, nur da sind sie richtig! Die AL geht sogar noch über
das hinaus, was die Justizsenatorin vorgetragen hat. Wir halten
auch die Zuständigkeit für die Gewaltdelikte, wie sie sie hier auf
gezählt hat, eigentlich für überflüssig und werden uns darüber
auch noch mit der Justizsenatorin auseinandersetzen.
Ich möchte einen letzten Satz sagen, zu dem was hinsichtlich
des Generalstaatsanwalts beim Landgericht gesagt wurde.
Ich wäre Herrn Rösler dankbar, wenn er einen Augenblick zuhö
ren könnte, falls das nicht zu sehr stört. Hier sind so gewisse
Anfeindungen vorgetragen worden, wonach es darum ginge -
so ist die Fragestellung auch -, den Generalstaatsanwalt, Herrn
Treppe, aus dem Amt zu drängen. Dazu kann ich Ihnen sagen;
Ich habe daran bisher keinerlei Gedanken verschwendet!
[Dr. Hassemer (CDU): Er wird sich bedanken!]
Es wäre wirklich das Letzte, was mir justizpolitisch eingefallen
wäre, nämlich mir Gedanken über die Amtszeit der beiden Gene
ralstaatsanwälte zu machen. Sie gehören für mich dahin, haben
aber auf der anderen Seite - müssen sie aber auch wegen ihrer
Weisungsgebundenheit - ein Stück weit das Vertrauen dieses
Hauses nötig.
Was mir im Augenblick aber auffällt, ist, daß sich in mir lang
sam das Gefühl vergrößert, daß Herr Treppe derjenige ist, der
unbedingt aus diesem Amt hinaus will.
Präsident Wohlrabe: Frau Künast, ich muß Sie nun aber
bitten, zum Schluß zu kommen.
Frau Künast (AL): Das mache ich! - Ich weiß, daß Herr
Treppe auch gegenüber dem vorangegangenen Justizsenator,
Herrn Scholz, des öfteren sein Amt angeboten hat. Ich möchte
Sie von der CDU-Fraktion bitten, auch einmal darüber nachzu
denken, wie Herr Treppe in Konfliktsituationen arbeitet. Wir
haben damit nicht angefangen, und ich bitte, mir zu glauben, daß