Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
34. Sitzung vom 28. Juni 1990
1880
(A) Herr Staatssekretär Kuhn ist im Rahmen dieser Gesamtauf
gabe vom Stadtrat für Bildung, Herrn Pavlik, ebenfalls um Unter
stützung gebeten worden. Er nimmt diese Aufgabe der Beratung
im Rahmen seiner Amttätigkeit wahr. Dienstrechtlich handelt es
sich hierbei um Dienstgänge im Rahmen des Reisekostengeset
zes.
Die vielseitigen Probleme, die in der Übergangszeit zu lösen
sind und für den Zeitpunkt der Schaffung einer Verwaltungs
union vorbereitet werden müssen, werden zwischen der Abtei
lung Bildung des Magistrats von Berlin und der Senatsverwal
tung für Schule, Berufsbildung und Sport in zwölf Arbeitsgrup
pen vorbereitet. Um sicherzustellen, daß alles Handeln der Ver
waltung sich auf die Ziele der Arbeitsgruppen konzentriert, ist
festgelegt worden, daß dienstliche Kontakte von Mitarbeitern
außerhalb der Arbeitsgruppen der Zustimmung der Amtsleitung
bedürfen. Die zahlreichen bisherigen Kontakte von Mitarbeitern
der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport und
die vielgestaltigen künftigen Kontakte mit Institutionen der Bil
dungsverwaltungen in Berlin-Ost und der DDR ermöglichen auf
breiter Ebene die Aufbereitung der vielfältigen Probleme und
sind gerade das Gegenteil dessen, was Sie als „Maulkorb“
bezeichnen.
Sybille Volkholz
Anlage
Senatsverwaltung für Schule, Berlin, den 14. Juni 1990
Berufsbildung und Sport
Senatorin Volkhoiz: „Künftige Gesamtstadt steht im Bil
dungssektor vor einem Berg von Problemen“
Die Senatorin für Schule, Berufsbildung und Sport, Sybille
Volkholz, und der Stadtrat für Bildung im Magistrat von Ber-
(B) lin, Dieter Pavlik, stellten heute im Rahmen einer gemein
samen Pressekonferenz im Rathaus die Einrichtung von insge
samt zwölf verwaltungsübergreifenden Arbeitsgruppen vor,
deren Auftrag es ist, im Hinblick auf die künftige Gesamtstadt
Berlin die Zusammenführung beider Schulsysteme organisato
risch, strukturell und inhaltlich vorzubereiten.
Die Arbeitsgruppen befassen sich im einzelnen mit:
1. Organisation der Bildungsverwaltung
2. Schaffung eines einheitlichen Schulrechts
3. Vorbereitung eines neuen Lehrerbildungsgesetzes
4. Vorbereitung eines gemeinsamen Dienstrechtes, Tarifrecht
und Arbeitszeitfragen
5. Fort- und Weiterbildung von Pädagoginnen und Pädago
gen/Austauschprogramme
6. Berufsbildung
7. Weiterbildung/Volkshochschule
8. Struktur der Sekundarstufen I und II
9. Grundschule/Unterstufe/Sonderschulen
10. Funktionen der Schulaufsicht auf Landes- bzw. Bezirks
ebene
11. Schulentwicklungsplanung im Großraum Berlin
Die Arbeitsgruppen treten in der Regel an die Stelle der ver
schiedensten Expertenkommissionen, die im Rahmen des Provi
sorischen Regionalausschusses gebildet wurden. Die Arbeits
gruppen des Regionalausschusses, die zur Volksbildung und
zum Sport arbeiten, werden dagegen fortbestehen. Ergänzend
dazu wird die Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und
Sport zusammen mit Vertretern/-innen aus der Verwaltung des
Stadtrates für Jugend, Familie und Sport, Hartmut H e m p e I,
zwei weitere Arbeitsgruppen bilden. Diese werden sich befas
sen mit der
1. Sportförderung/Sportfinanzierung,
2. Sportstättenstruktur/Analyse sowie Sportstättenentwick
lungsplanung für den Großraum Berlin.
Senatorin Volkholz stellte im Rahmen der gemeinsamen Pres
sekonferenz Auszüge der Dokumentation „Aufbau und Struktur
der Schulsysteme in Berlin (Ost) und Berlin (West)“ vor, die von
einer im März eingerichteten verwaltungsübergreifenden
Arbeitsgruppe fertiggestellt wurde. Die Bestandsaufnahme, die
zentrale Daten (Stand; Oktober 1989) in beiden Teilstädten
gegenüberstellt, belegt nach Auffassung von Frau Volkholz,
daß „die künftige Gesamtstadt Berlin gerade im Bildungssektor
einen immensen Berg von Problemen vor sich haben wird“.
Die Schulsenatorin verwies in diesem Zusammenhang auf die
Tatsache, daß die Schülerzahlen in der Grundstufe (Klassenstufe
1 bis 6) in beiden Teilen der Stadt ungefähr gleich hoch sind,
obwohl die Bevölkerungszahl von Berlin (Ost) um rund 40 %
kleiner ist als die von Berlin (West). Zudem werden der starke
Anstieg der Schülerzahlen in den Klassenstufen 1 bis 6 in Berlin
(Ost) dort in den kommenden Schuljahren zu einem deutlich
stärkeren Anstieg der Schülerzahlen in der Mittelstufe (Klassen
stufe 7 bis 10) führen als in Berlin (West). „Die vielfach erhoffte
Entlastung im gegenwärtig überaus angespannten Grundstufen
bereich wird es nach dem Zusammenführen beider Schulsy
steme kaum geben können“, so die skeptische Prognose der
Schulsenatorin.
Beträchtliche Kapaztätsengpässe dürften auch aus dem
absehbaren stärkeren Zugang in die Abiturstufe in Berlin (Ost)
resultieren. Denn dort erwerben gegenwärtig, so ein weiteres
Ergebnis der gemeinsamen Dokumentation, nur knapp 12%
eines entsprechenden Altersjahrganges der Bevölkerung ein
Abitur; der entsprechende Anteilswert liegt für die deutsche
Bevölkerung von Berlin (West) dagegen bei 25 %.
[82]
Mündliche Anfrage Nr. 20
des Abgeordneten Karl-Heinz Lesnau (CDU) über
Boykott der Zusammenarbeit
seitens der Schulsenatorin
Ich frage den Senat:
1. Warum boykottiert die Schulsenatorin Volkholz das Ange
bot des zuständigen DDR-Ministeriums zur Gründung einer
interministeriellen Arbeitsgruppe, und welche Funktionen sollen
statt dessen die von ihr selbst geschaffenen Arbeitsgruppen
haben?
2. Teilt die Schulsenatorin die Auffassung, daß die zentralen
Zuständigkeiten für „innere Schulangelegenheiten“ in der DDR
nach wie vor beim Ministerium für Bildung und Wissenschaft
liegt?
Antwort der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung
und Sport vom 28. Juni 1990
Im Namen des Senats von Berlin beantworten wir Ihre nicht
erledigte Mündliche Anfrage gemäß § 51 Abs, 5 der Geschäfts
ordnung des Abgeordnetenhauses wie folgt;
Zu 1:
Die Senatorin für Schule, Berufsbildung und Sport boykottiert
kein Angebot des Bildungsministeriums. Richtig ist, daß die
Senatorin in einem Gespräch dem Minister angeboten hat, in die
von ihr gemeinsamen mit dem zuständigen Magistratsmitglied
gebildeten Arbeitsgruppe Mitarbeiter zu entsenden. Das Ange
bot wurde angenommen.
Zu 2:
Ja. Allerdings befindet sich die DDR in einer Übergangsphase
zur Länderbildung. Daher ist darauf zu achten, daß keine recht
lichen Erschwernisse für den Prozeß des Zusammenwachsens
Berlins im Bildungsbereich aufgebaut werden.
Sybille Volkholz