Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
19. Sitzung vom 30. November 1989
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(A) Frau Nisble (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Tariferhöhungen oder die Einführung neuer
Tarife - egal, in welchen Bereichen sie stattfinden - erfreuen die
Verbraucher grundsätzlich selten und geben immer zu umfang
reichen Diskussionen Anlaß. Sie sind und bleiben schlichtweg
unpopulär. Wir Sozialdemokraten haben da auch unsere beson
deren Probleme, weil wir insbesondere die sozialen Komponen
ten im Auge behalten wollen - eben den Personenkreis, den Sie,
meine Damen und Herren von der CDU-Opposition, in den ver
gangenen Jahren durch Ihre Politik in Berlin und Bonn besonders
stark zur Kasse gebeten haben.
[Wronski (CDU): Aber doch nicht bei den Tarifen ...!]
Beispielhaft nenne ich hier nur die Aufhebung der Mietpreisbin
dung,
[Beifall bei der SPD und der AL]
die sogenannte Gesundheitsreform,
[Wronski (CDU): Was hat denn das mit dem
Wassergroschen zu tun?]
die Besteuerung der Weihnachtsfreibeträge und so weiter.
- Jetzt kommt es wieder mit dem Wasser. -
[Wronski (CDU); Was sagt denn die BSR zu solchen
Argumenten?]
Ich denke jedoch, daß die Bevölkerung es versteht, wenn in einer
Zeit sterbender Wälder, Seen und Flüsse, in einer Zeit von
großen Müll- und Altlastenmengen
[Landowsky (CDU): Das ganze Leid liegt bei der BSRI]
Belastungen für jeden einzelnen notwendig werden, die sich
natürlich auch in Form von Geldleistungen niederschlagen. Es
kann nicht nach dem Motto gehen; Umweltschutz ja, aber warum
müssen gerade wir dafür zahlen? -
[Beifall bei der SPD]
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v ’ Es ist mehr denn je notwendig, Vorsorge dafür zu treffen, daß wir
auf dem Gebiet des Umweltschutzes unsere Zukunftsaufgaben
lösen können.
Ich möchte heute nicht mehr auf die Ausführungen des Kolle
gen Kriebel in der I. Lesung und in den Ausschußsitzungen ein-
gehen, weil er bereits alle Fakten, die zu den Tariferhöhungen
gefühthaben, ausführlich dargesteilt hat. Nur soviel will ich hier
sagen: Wenn Herr Kittner sich hinstellt und von „inflationärer
Preistreiberei“ spricht, aber im Jahr zuvor bei den BVG-Tarifen
einer Preiserhöhung bis zu 38 % zugestimmt hat,
[Zuruf von der SPD: Hört, hört!]
dann ist er - so glaube ich - nicht nur unglaubwürdig,
[Beifall bei der SPD - Wronski (CDU): Das war bei Stobbe
der Fall! - Schütze (CDU); Da verwechseln Sie jetzt aber
etwas! Das war bei Stobbe!]
sondern hat er die schwierigen und umfassenden Aufgaben des
Umweltschutzes für unser aller Zukunft in dieser Stadt nicht
begriffen.
[Wronski (CDU): Sie meinen die Langzeitstudenten von
16 Jahren aufwärts!]
Da ist der Umweltminister und Ihr Parteifreund, Herr Kittner,
Ihnen schon ein wenig voraus, obwohl auch er notwendige Um
weltschutzmaßnahmen nicht durchsetzt. Er sagt nämlich - ich
zitiere -:
Unbestritten ist es, daß erhebliche ökologische Erfolge mit
dem Einsatz von Umweltabgaben erzielt werden können.
[Wronski (CDU): Der Senat braucht Geld, das ist alles!]
Der Senat wird allein für Maßnahmen der Bodensanierung
106 Millionen DM im Jahr 1990 ausgeben;
[Wronski (CDU): Das stimmt doch alles nicht!]
das sind 14 Millionen DM mehr als Sie, meine Damen und Herren
von der CDU-Opposition, in den ’89er Haushalt eingestellt
haben. Wenn allerdings der Bundeskanzler und auch der Finanz
minister weiterhin glauben, die finanziellen Probleme dieser
Stadt, die durch Aus- und Libersiedler sowie durch Besucher
aus der DDR entstanden sind, „aussitzen“ zu müssen,
[Wronski (CDU): Dann wird der Wassergroschen erhöht, ist
klar!]
dann werden wir unter anderem die vorgenannten Gelder sicher
lich zur Existenzsicherung unserer Stadt ausgeben müssen.
[Beifall bei der SPD]
Im Hinblick auf die aktuellen Veränderungen in der DDR
hoffe ich, daß mittelfristig sowohl bei den Berliner Wasserbetrie
ben als auch bei den Berliner Stadtreinigungs-Betrieben mit der
DDR Vereinbarungen getroffen werden können, die eine für
beide Seiten ökologisch und ökonomisch bessere Zusam
menarbeit ermöglichen. Insgesamt glaube ich, daß die Berliner
Eigenbetriebe in der Zukunft aufgrund ihres hohen technischen
Standards eine besondere Aufgabe in den veränderten deutsch
deutschen Beziehungen zu spielen haben.
[Dr. Staffelt (SPD): Sehr richtig!]
Es ist anzunehmen, daß auch die DDR aus Gründen ihrer eige
nen Weiterentwicklung ein Interesse daran haben wird, mit dem
Westteil der Stadt eine zukunftorientierte Stadtpolitik zu betrei
ben.
[Beifall bei der SPD]
Nach diesen deutlichen Ausführungen ist es klar, daß die zur
Abstimmung stehenden Gesetze dem Umweltschutz und damit
der Zukunftssicherung unserer Stadt und den Menschen dienen,
die hier leben. Dieser Verantwortung muß man sich stellen, und
deshalb appelliere ich auch an die Opposition, diesen Gesetzen
zuzustimmen. - Schönen Dank!
[Beifall bei der SPD und der AL]
Stellv. Präsidentin Dr. Schramm: Ich sehe keine weiteren
Wortmeldungen. Aber ich weiß, daß Senator Wagner jetzt noch
sprechen möchte. - Bitte sehr!
[Frau Bischoff-Pflanz (AL): Da sind wir aber gespannt!]
Wagner, Senator für Arbeit, Verkehr und Betriebe; Frau Präsi
dentin I Meine Damen und Herren I Es gibt sicher Angenehmeres
für einen Senator, als gegenüber der Öffentlichkeit Kostenstei
gerungen zu begründen - insbesondere Kostensteigerungen,
die mit Sicherheit Belastungen für jeden Bürger, für jede Bürge
rin dieser Stadt bedeuten.
Gestatten Sie mir, Herr Kittner, ein Wort zu Ihren Ausführun
gen. Ich fand, der erste und der letzte Satz Ihrer Einlassungen
waren deutlich und klar. Sie haben zur großen Überraschung mit
geteilt, daß Ihre Fraktion die Vorlagen ablehnen wird. Dies haben
Sie im ersten und im letzten Satz getan. Was Sie dazwischen
gesagt haben, hat mich ein wenig verwirrt durch das, was Sie
inhaltlich darstellten. Ich war nicht ganz sicher, ob Sie die Rede
vorbereitet haben, ob Sie die Anträge in ihrem Sinn verstanden
haben oder ob Sie nur eine dieser Reden ablesen, die man hier
eben einmal hält. Denn zur Sache haben Sie wenig beigetragen,
vor allem, wenn Sie davon ausgehen, daß die antragstellenden
Fraktionen der Koalition den Senat oder den Senator oder wen
immer „zurückgepfiffen“ hätten.
Im Grunde sagen die Anträge nichts anderes aus, als was im
Koalitionsabkommen steht. Es ist eine Aufforderung, eine neue
Politik zu machen - eine andere Abfailpoiitik allerdings, als dies
bisher der Fall war. Vor dem Hintergrund, meine ich, ist es wohl
richtig, wenn die Fraktionen entsprechend artikulieren und ihren
Auftrag noch einmal deutlich machen. Das ist jedenfalls mein
Parlamentsverständnis. Es ist das Recht antragstellender Frak
tionen, entsprechende Aufträge an den Senat zu formulieren
- nichts anderes geschieht hier. Wenn Sie meinen, daß wir zu
Ausreden greifen, etwa nach der Devise: Der alte Senat war
schlecht, Bonn ist schlecht! - Sie haben das wörtlich gesagt -,
dann verkennen Sie die Politikrichtung, die in diesen Vorlagen
zum Ausdruck kommt. Wir haben es doch gar nicht nötig, perma-