Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
34. Sitzung vom 28. Juni 1990
1853
Sen Pätzold
(A) sehen auch dabei die in der Freiwilligen Polizei-Reserve mitar-
beiten. Ich sage das nur deshalb, weil in der Begründung der
Großen Anfrage der CDU von vielen Tausenden Mitbürgerinnen
und Mitbürgern die Rede war.
Schon nach den Deutschland-Verträgen an der Wende der
60er zu den 70er Jahren bestand die ursprüngliche akute
Gefährdung nicht mehr. Allein Ausbildung und Übungen erschie
nen den FPR-Angehörigen unbefriedigend. Deshalb haben die
FPR selbst und schließlich auch die Politik nach wirklichen Auf
gaben gesucht; sie sind dann im Objektschutz gefunden wor
den. Und es blieb immer noch die letzte Rechtfertigung, daß viel
leicht doch noch einmal - darf ich es einmal so sagen - ein
Großeinfall aus dem Osten zu befürchten war. Im übrigen hatte
man sich an den Alltag gewöhnt und sich dem Objektschutz
gewidmet. Auch das war außerordentlich verdienstvoll.
Nach dem 9. November 1989 ist nun allerdings auch die letzte
politische Rechtfertigung für eine besondere Poiizeihilfsorgani-
sation in Berlin entfallen, was den damaligen, ursprünglichen
gedanklichen Ansatz für die Schaffung der FPR angeht. Nir
gendwo in der Bundesrepublik Deutschland sonst haben wir so
etwas wie eine Freiwillige Polizei-Reserve. Sie hat auch nur mit
der besonderen Berliner Situation zu tun, und wir werden natür
lich auch ähnliches nicht in den neu entstehenden Ländern der
heutigen DDR haben.
Trotz der weltweit herausragenden Polizeidichte in Berlin, die
bisher mit den umfänglichen Grenzsicherungsaufgaben gerecht
fertigt werden konnte, bei denen sicher als erster der Bundesfi
nanzminister seine Zweifel anmelden wird, hat die Polizei pflicht
gemäß geprüft, ob die Freiwillige Polizei-Reserve auch nach dem
Wegfall jeder anderen, politischen Rechtfertigung jetzt noch zu
sätzliche Entlastungen für die normale Polizei, insbesondere
beim Objektschutz, bringt. Dabei stellt die Polizei - nicht der
Senator für Inneres - leider fest; Die FPR bringt neben Ausbil
dung, Fortbildung und Übungen im Schnitt eine Arbeitsleistung
von etwa 30 Reservisten, bindet aber für Aus- und Fortbildung
(B) und Betreuung etwa 70 - wie Sie zu recht betont haben, Herr
Hapel - gut ausgebildete Schutzpolizeibeamte. Das heißt, nach
dem jeder politische, auf das Umfeld bezogene Rechtfertigungs
grund für die FPR entfallen ist, bringt sie keine zusätzliche
Sicherheit, sondern für 30 Reservisten, die zusätzlich für den
Objektschutz eingesetzt werden können, fallen Tag für Tag 70
wirkliche Schutzpolizeibeamte in der täglichen Arbeit aus. Das
ist absolut unwirtschaftlich, das ist uneffektiv; es kostet und
bringt nicht etwa innere Sicherheit. Außerdem ist die FPR natur
gemäß mit hohen Sachkosten und mit Arbeitsausfällen bei den
Arbeitgebern der Reservisten verbunden; das sind meist Arbeit
geber im öffentlichen Dienst.
Die Polizei hat deshalb in Übereinstimmung mit der Gewerk
schaft der Polizei vorgeschlagen, die FPR aufzulösen. Wir prü
fen daraufhin diesen Sachverhalt. Die Polizei tut das vor dem
Hintergrund - ich betone es noch einmal -, daß sie bei Auf
lösung der FPR keine Kapazitäten verliert, sondern zusätzlich
Kapazitäten in der eigentlichen Schutzpolizei gewinnt. Mit ande
ren Worten: Die Auflösung der FPR bringt, anders als Sie hier
wieder einmal - ich will noch nicht sagen bewußt - falsch unter
stellen, Herr Hapel, keine Einbuße an Sicherheit, sondern sie
setzt Kräfte für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen frei.
[Hapel (CDU); Das stimmt nicht!]
In welcher Weise die Aufgaben, die bisher von der FPR mit
abgedeckt worden sind, wirtschaftlich und leistungsorientiert
wahrgenommen werden, wird noch geprüft.
[Hapel (CDU): Sie sind Innensenator, nicht Finanzsenator!]
Da fallen uns auf jeden Fall Lösungen ein, die noch zu weiteren
Einsätzen von Schutzpolizeibeamten für eigentlich schutzpolizei
liche Aufgaben führen werden. Diese Fragen werden gegenwär
tig mit den Alliierten erörtert.
Weil das, Herr Kollege Hapel, Vorschläge der Polizei und der
GdP sind, dürfen Sie in besonderer Weise sicher sein, daß das
nichts mit der Koalition zu tun hat. Die kompromißlose Haltung
insbesondere der Gewerkschaft der Polizei gegenüber der AL,
die ich für viel zu kompromißlos halte, ist ja bekannt. Es hat auch
nie Koalitionsvereinbarungen in dieser Richtung gegeben, son- (C)
dem wir haben damals Gespräche über das Thema geführt,
dabei aber nicht das von einem Koalitionspartner gewünschte
Ergebnis erzielt. Das kann jeder auf seine Art und Weise werten,
und ich respektiere das auch gern, aber ich hätte die Entschei
dung vor dem 9. November 1989 auch für falsch gehalten, um
das deutlich zu sagen.
Notwendige und richtige Entscheidungen müssen immer zu
den gebotenen Zeitpunkten getroffen werden. Das galt für die
Einführung der FPR, und das gilt auch jetzt. Die FPR hat sich
hochverdient gemacht um unsere Sicherheit in all den Jahrzehn
ten, aber ihre eigentliche Aufgabe ist jetzt entfallen. Wir haben
für die Leistung in diesen drei Jahrzehnten vielen engagierten
Mitbürgerinnen und Mitbürgern nachdrücklich zu danken. Wenn
aber eine Aufgabe entfallen ist und bei Beibehaltung der FPR
mehr Schutzpolizisten gebunden als entlastet werden würden,
dann werden gerade die Engagierten, die es mit ihrem Gemein
sinn für Berlin ernst meinen und die dankenswerterweise so viel
dafür getan haben, verstehen, was die Zeit heute erfordert.
Ich betone noch einmal ausdrücklich: Ehrenamtliches Enga
gement ist außerordentlich wichtig. Es bedarf jeder vernünftigen
Förderung. Viele Felder bieten sich dafür an und liegen eher
brach, als daß sie zu gut abgedeckt wären. Aber man darf
solchen Idealismus und solche Hilfsbereitschaft nicht an über
lebte Aufgaben binden. Deshalb möchte ich alle, die bisher der
FPR so lange die Treue gehalten haben, ausdrücklich bitten, in
anderer Weise wirksamer für die Gemeinschaft ehrenamtlich ein
zutreten.
Deshalb möchte ich alle, auch die CDU-Opposition, bitten,
nicht zu versuchen, hier falsche Emotionen zu schüren. Sie
würden damit behindern, daß wir uns nicht nur auf neue Notwen
digkeiten einstellen, sondern daß wir denen, die so lange in der
FPR gedient und ihr die Treue gehalten haben, den in würdiger
Weise, als Berliner insgesamt, mehr als begründeten Dank dafür
vermitteln.
[Beifall bei der SPD und der AL] (D)
Stellv. Präsidentin Frohnert: Zur Besprechung Frau Saß-
Viehweger! Bitte schön, Sie haben das Wort!
Frau Saß-Viehweger (CDU): Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Herr Senator! Wir haben hier keineswegs
vor, falsche Emotionen zu schüren. Aber wir mögen es auch wirk
lich nicht gern hören, wenn auf eine sachliche Anfrage eine Ant
wort gegeben wird, die in dem, was sie als sogenannte Tat
sachen mitteilt, weitgehend unzutreffend ist. Das beginnt schon
damit, daß Sie hier vorgetragen haben, daß die Aufgabe der
Freiwilligen Polizei-Reserve überlebt sei. Wenn Sie es auf das
Jahr 1960 beziehen, dann ist das sicherlich richtig, und auf die
Erwägungen derjenigen, die damals den Entschluß faßten, diese
Freiwillige Polizei-Reserve ins Leben zu rufen; denn in der Tat
war sie damals gedacht als mögliche Antwort auf eine Bedro
hung, die von außen kommen könnte. Aber bereits im Jahre 1961
nach dem Bau der Mauer hat sich gezeigt, daß diese Bedrohung
von außen nicht zu erwarten war, weil sie gerade eben diese
Mauer hätte überwinden müssen. Daß die Gruppen, die Sie
zitiert haben, einmarschieren würden, damit wäre schon seiner
zeit nicht zu rechnen gewesen, und deswegen hat auch die Frei
willige Polizei-Reserve in all den Jahren und Jahrzehnten ihres
Bestehens sich niemals dieser Aufgabe gewidmet, die Sie als
ihre eigentliche Tätigkeit bezeichnet haben. Wenn das so ist,
dann kann die Aufgabe, die sie wahrgenommen hat, auch nicht
durch den 9. November und das was folgte, in irgendeiner Form
erledigt sein. Bleiben wir bei den Tatsachen.
Die Freiwillige Polizei-Reserve hat sich in der Tat, nachdem sie
ins Leben gerufen war, eine Zeitlang damit beschäftigt, nur aus
gebildet zu werden und zu üben. Aber schon sehr bald hat man
sie bei bestimmten Großereignissen - Schwimmweltmeister
schaften, alliierte Paraden - zur Unterstützung der Polizei ein
gesetzt, ohne daß das irgendeinen Bezug zu einer äußeren
Bedrohung gehabt hätte. Man hat ihr dann, wie Sie vorgetragen
haben, die Aufgabe eines mobilen Objektschutzes übertragen,