Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
34. Sitzung vom 28. Juni 1990
1813
Frau Wiechatzek
(A) soll, wie es übrigens auch der Rundfunkrat des Senders Freies
Berlin geäußert hat. Formulierungen, wie sie auch gerade auf der
ARD-Hauptversammlung geäußert wurden, der SFB habe in
neuen Strukturen und Organisationen aufzugehen, müssen uns
sehr hellhörig machen. Wir als CDU gehen jedenfalls davon aus,
daß der SFB die Landesrundfunkanstalt ist und bleiben wird.
Bezüglich des RIAS stimmen wir mit Ihnen überein: daß er als
Hörfunkstandbein zum ZDF kommen sollte. Diese Zukunft halten
wir aus der Tradition heraus für begründet, aber auch aus Solida
rität zu den Mitarbeitern des RIAS für erforderlich. Man sollte
dann aber auch den Mut haben, Herr Kollege Lorenz, dies nicht
nur verbal zu bekennen. Stimmen Sie dem Antrag der CDU-Frak-
tion zu, um anderen Spekulationen Einhalt zu gebieten und deut
lich zu machen, daß das Parlament und die politischen Parteien
in dieser Stadt den RIAS hierbehalten und ihm eine sichere
Zukunft geben wollen.
Nach dem, was wir dazu heute von Ihnen gehört haben, könn
ten Sie unserem Antrag sofort zustimmen. Damit würden Sie
auch den Mitarbeitern Sicherheit geben.
[Beifall bei der CDU]
Präsident Wohlrabe: Das Wort hat jetzt Frau Weißler.
Frau Weißler (AL): Offensichtlich spitzt sich jetzt ein Dissens
darüber zu, wie viele Landesanstaiten in der Zukunft denkbar
sind und verkraftet werden können. Nun sind Landesrundfunkan
stalten aber nicht irgendwelche Unternehmen; sie haben viel
mehr einen kulturellen und gesellschaftlichen Auftrag. Für die
Erfüllung dieses Auftrags brauchen sie optimale Voraussetzun
gen; und daß sie diesen Auftrag optimal erfüllen, ist gerade in
dieser jetzigen politischen und gesellschaftlichen Situation für
uns alle unabdingbar. Aus diesem Grund plädieren wir nach
drücklich dafür, daß in allen Ländern der DDR, die sich dem
nächst gründen werden, Landesrundfunkanstalten entstehen.
(B) Wir brauchen diese, um die kulturelle und gesellschaftliche
Bewältigung der Probleme zu erreichen.
[Frau Wiechatzek (CDU); Wie sollen Sie sich finanzieren?]
Zur Frage ihrer Finanzierung: Frau Wiechatzek, es gibt dazu
eine Reihe von Vorschlägen, und ich nenne Ihnen einige, weil Sie
sie offensichtlich nicht kennen. Zum einen; Die Gebührenpraxis
ist hier schon wiederholt angesprochen worden. Es ist zur Zeit
so, daß zum Beispiel grundsätzlich alle Rentner in der DDR von
der Gebührenzahlung befreit sind. Zukünftig muß eine Abhän
gigkeit vom Einkommen hinzutreten, so, wie das auch bei uns der
Fall ist, das heißt, keine grundsätzliche Befreiung von der
Gebührenzahlung, sondern nur abhängig vom Einkommen.
Es muß ein Finanzausgleich der Etats der Landesrundfunk
anstalten erreicht werden, der auch die künftigen Landesrund
funkanstalten auf dem Gebiet der jetzigen DDR einschließt.
Langfristig werden wir auch nicht um eine Gebührenerhöhung,
wenn auch eine sehr schonende und stufenweise, herumkom
men; schließlich wird ja etwas dafür geboten.
In einer befristeten Übergangszeit ist es auch denkbar, daß für
den Aufbau eines neuen Rundfunkwesens in der DDR eine kurz
fristig erhöhte Zahlungen der Gebührenzahler im Gebiet der jet
zigen Bundesrepublik ins Auge zu fassen wird.
Zum anderen gibt es bereits Kredite, die die ARD für den
Anfang gewährt hat. Es wäre auch möglich, daß die Post über
TELEKOM ebenso finanzielle Starthilfe leistet. - So weit zur
Finanzierung der Landesrundfunkanstalten, für die ich nach
drücklich - wie bereits gesagt - aus kulturellen und gesellschaft
lichen Gründen plädiere.
Ich möchte noch einen Satz zur Gleichberechtigung des
öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks sagen. Diese
Gleichberechtigung wurde von Frau Senatorin Martiny postu
liert.
Präsident Wohlrabe: Gestatten Sie eine Zwischenfrage
von Frau Wiechatzek?
Frau Weißler (AL); Ja, bitte!
Frau Wiechatzek (CDU): Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur
Kenntnis zu nehmen, daß die ARD nicht bereit ist, Ihren Wunsch,
fünf neue Landesrundfunkanstalten in der DDR zu schaffen, zu
bezahlen?
Habe ich Sie darüber hinaus richtig verstanden, daß Sie
unseren Gebührenzahlern eine erhöhte Gebühr oder sogar eine
Sondergebühr zumuten wollen, um fünf neue, unwirtschaftliche
Landesrundfunkanstalten in der DDR zu finanzieren? Haben Sie
wirklich den Mut, vor die Gebührenzahler zu treten und dies ein
zuklagen?
Frau Weißler (AL): Mit der Zumutung ist das so eine Sache.
Ich empfinde Zumutung immer dann, wenn man mir ungerecht
fertigt irgendwelche Lasten aufdrückt. Ich empfinde hier aber
keine ungerechtfertigte Last, sondern ich gehe davon aus, daß
auch die Gebührenzahler in der Bundesrepublik einzusehen in
der Lage sind, daß der Aufbau eines demokratischen und födera
len Rundfunkwesens in der DDR einmal eine besondere
Anstrengung erfordert. Das war in anderen, vergleichbaren histo
rischen Situationen auch schon der Fall. Ich halte die Leute nicht
für so blöd, wie Sie das offenbar tun.
[Beifall bei der AL]
Jetzt komme ich noch einmal zur Gleichberechtigung des
öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks. Diese Gleich
berechtigung besteht so nicht! Liebe Frau Martiny, es besteht
eine Rechtsprechung, die glasklar besagt, daß das öffentlich-
rechtliche Rundfunkwesen die Grundversorgung sicherzustel
len hat und daß den privaten und kommerziellen Sendern nur
eine Zusatzversorgung zusteht. Ich hoffe, daß dieser Satz auch
weiterhin Gültigkeit behalten wird. - Frau Senatorin, Sie hätten
mir mal zuhören können, statt mit Senatorin Pfarr zu schwatzen!
[Beifall bei der AL]
(D)
Präsident Wohlrabe: Weitere Wortmeldungen liegen mir
nicht vor, allerdings ein Antrag. Herr Kollege Diepgen, wünschen
Sie, daß über diesen Antrag sofort abgestimmt wird?
[Buwitt (CDU): Überweisung!]
- Dann darf ich ihn vorlesen, wenn Sie das wünschen.
[Diepgen (CDU): Herr Präsident, wenn es machbar ist, dann
würde ich die sofortige Abstimmung wünschen!]
- Dann gestatten Sie mir, daß ich den Inhalt des Antrags
bekanntgebe:
Das Abgeordnetenhaus fordert Bund und Länder auf, in
einem Staatsvertrag den Bestand des Senders RIAS Berlin
zu sichern. In einem vereinten Deutschland soll das Zweite
Deutsche Fernsehen um Hörfunkprogramme erweitert und
mit der heutigen Sendeanstalt RIAS Berlin verbunden wer
den.
Das ist der Antrag. Wird dazu das Wort gewünscht?
[Kern (SPD); Wir bitten um Überweisung
an den Ausschuß für Kultur!]
- Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Kultur beantragt
worden. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich um das
Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist
diese Überweisung einmütig so beschlossen.
[12]
Ich rufe auf
lfd. Nr. 2:
a) Drucksache 11/899:
I. und II. Lesung der Vorlage - zur Beschlußfas
sung - über Gesetz Uber die Anwendung von
Bundesgesetzen zu internationalen Abkommen
der Bundesrepublik Deutschland