Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
34. Sitzung vom 28. Juni 1990
1808
Frau Brinckmeier
(A) die Sender der ersten und zweiten DDR-Kette, weil der Sender
des SFB weit genug in das Umland reicht, von wenigen Zipfeln
am Rande der Region abgesehen.
Natürlich muß die Frage beantwortet werden, was mit Blick
auf eine künftige Landesrundfunkanstalt Berlin-Brandenburg aus
dem früheren DDR-Fernsehen - dem gegenwärtigen Deut
schen Fernsehfunk - wird, der mit seinem aufgeblähten Apparat
von 8 000 Mitarbeitern in Adlershof nach wie vor die DDR mit
zwei Fernsehprogrammen versorgt. Gleiches gilt für den in Rum
melsburg ansässigen Hörfunk der DDR, bei dem etwa
4 000 Menschen beschäftigt sind. Ich kann mir nur eine Dezen
tralisierung von Rundfunk und Fernsehen in der DDR vorstellen -
nach dem Vorbild der Bundesrepublik. Aus dem vorhandenen
Potential in Ost-Berlin könnten u. a. auch künftige Landesrund
funkanstalten - einschließlich eines Teilbereichs für ein künftiges
Land Berlin-Brandenburg - entstehen. Ich sehe aber nicht ein,
weshalb man uns das beschäftigungspolitische Problem unter
medienpolitischen Gesichtpunkten aufbürden will. Hier sind die
DDR und die künftigen Landesrundfunkanstalten gefordert!
Wenig Verständnis habe ich für die Debatte über ein eigen
ständiges Fernsehen in der DDR, um damit die angeblich vor
handene spezielle DDR-ldentität zum Nutzen der DDR-Bevölke-
rung zu wahren. Ich habe eher das Gefühl, daß diese soge
nannte DDR-ldentität von interessierter, vor allem PDS-Seite -
wenn man an den von Modrow noch installierten Ex-Interims-
Intendanten Bentzien denkt - dafür herhalten muß, das altstalini-
stische System in die neue Zeit hinüberzuretten.
[Beifall bei der SPD]
Wenn man Insidern Glauben schenken kann, was ich tue, dann
hocken in allen Redaktionsstuben immer noch einst linientreue
Wortführer, Denunzianten und Stasi-Mitarbeiter. Der breite Mit
telbau des Senders - ähnlich wie in vielen Verwaltungen der
DDR - ist immer noch nicht bekehrt. Wenn man dies bei der
Debatte um den SFB mit ins Kalkül zieht, habe ich viel Verständ
nis für die Meinung seines Indendanten, mit dem ich oftmals
nicht einer Meinung bin, wenn er, auf eine mögliche Fusion ange
sprochen, sagt; Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn
wir - gemeint ist der SFB - von hier aus fast 40 Jahre freiheitli
ches Verständnis - von der Pressefreiheit angefangen bis zur
persönlichen Freiheit und den Grundrechten - in die DDR
hineingetragen hätten und nun von einem anderen Sender, der
genau dies 40 Jahre lang verhindert hat, am Ende dieses Prozes
ses degradiert und regionalisiert würden.
[Beifall bei der SPD]
- Habe ich wirklich schon zehn Minuten gesprochen? - Tatsäch
lich. - Es ist mir leider nicht gelungen, noch etwas zum dualen
Rundfunksystem auszuführen. Ich muß es damit hierbei belas
sen, da meine Redezeit beendet ist. Es tut mir außerordentlich
leidl
[Beifall bei der SPD]
Stellv. Präsidentin Frohnert: Für die Fraktion der CDU hat
jetzt der Kollege Diepgen das Wort!
Diepgen (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Frau Kollegin Brinckmeier hat soeben im
wesentlichen das medienpolitische Programm des Fachaus
schusses der CDU auf Bundesebene vorgetragen. Dafür bin ich
dankbar.
[Dr. Staffelt (SPD): So gut sind die,
das haben Sie noch gar nicht gewußt!]
Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es bei der Medien
politik - hier greife ich einen Begriff auf, den Sie geprägt haben -
um Standortpolitik geht. Es geht darum, in welcher Form in der
Zukunft von Berlin, der künftigen Hauptstadt - nein, der gegen
wärtigen Hauptstadt und dem künftigen Regierungssitz
Deutschlands entsprechende Sendungen ausgestrahlt wer
den und daß Arbeitsplätze im Bereich der Medien geschaffen
werden. Dabei sind einige Punkte festzuhalten.
Frau Kollegin Brinckmeier hat zu Recht darauf hingewiesen, (C)
daß es gegenwärtig einen bemerkenswerten Medienkampf
gibt. Mir fällt dabei zweierlei auf: zum einen der Versuch aus
westdeutschen Ländern, insbesondere vom WDR, eine neue
Form von Kolonialismus zu errichten.
[Sehr richtig! von der CDU]
Zum anderen der Versuch des Herrn Bentzien in der DDR, sich
zunächst von allen Entwicklungen der Vergangenheit freizuspre
chen, sich dann heiligzusprechen, sich sodann als Körperschaft
des öffentlichen Rechts mit einer Selbstverwaltung auszustatten
und danach die alten Strukturen weiter zu verfestigen, um als
PDS-Rundfunkanstalt - möglichst als eigenständige Fernseh-
und Hörfunkanstalt - in der DDR weiter zu existieren. Dies kann
nur auf deutlichen Widerstand stoßen.
[Beifall bei der CDU]
Für diesen Widerstand gibt es sowohl politische Gründe wie
auch Gründe der Finanzierbarkeit und der Einordnung in das von
uns entwickelte System der Medien in ganz Deutschland. Die
Medienlandschaft muß sich sowohl am dualen System wie auch
an der Struktur von ARD und ZDF orientieren. Ich stimme Frau
Kollegin Brinckmeier zu, wenn sie sagt, daß wir in der DDR auf
Dezentralisierung setzen müssen. Aber die Dezentralisierung
muß in einem leistungsfähigen und finanzierbaren Rahmen erfol
gen. Wir müssen darauf drängen, daß die DDR und deren Rund
funkanstalten bereits 1990 für ihre Finanzierbarkeit sorgen, damit
nicht etwa die künftigen Beitragszahler diese Konkurslasten tra
gen müssen.
Aus der Sicht meiner Fraktion ist bei der Frage des Standortes
Berlin zu beachten, daß der SFB kein Stadtsender bleibt, son
dern für die gesamte Region Berlin und Brandenburg arbeiten
wird. Der SFB soll dann Standorte in den Ländern errichten und
als Ausgangspunkt für die Konzentrationsprozesse in Berlin die
nen. Wir müssen den SFB davor bewahren, daß ihm sämtliche
Altlasten des Hörfunk- und Fernsehsystems der DDR aufgebür
det werden. Deswegen brauchen wir eine leistungsfähige
Anstalt.
Der RIAS ist aufgrund seiner Popularität und zur Erhaltung der
Medienvielfalt auch in einem öffentlich-rechtlichen System in Mit
teldeutschland unbedingt zu erhalten, möglichst im Verbund von
Hörfunk und Fernsehen. Angesichts der neuen Rechtsgrundla
gen und seines Auftrags, eine Sendeanstalt im amerikanischen
Sektor zu sein, der so nicht haltbar ist, muß er im Zusammenhang
mit dem Deutschlandfunk und dem Deutschlandsender gesehen
werden. Für uns kommt es darauf an, und davon war auch die
Politik des Senats in der Vergangenheit gekennzeichnet, daß der
RIAS Ausgangspunkt eines nationalen Hörfunk- und möglichst
auch Fernsehprogramms wird. Als Lösungsmöglichkeit bietet
sich eine neue Rechtskonstruktion im Rahmen eines Bund-Län-
der-Abkommens an. Die besten Chancen für den Erhalt des
RIAS im Gesamtverband der Medien bestehen in einer Verbin
dung mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen. Wir müssen uns
darum bemühen, daß sich das ZDF in Berlin stärker engagiert.
Neuerdings ist die ARD bereit, ein Gemeinschaftsprogramm im
Bereich des Frühstücksfernsehens zu gestalten. Der RIAS Berlin
ist für eine solche Entwicklung der richtige Ausgangspunkt. Weil
von Berlin eindeutige Signale ausgehen müssen, fordere ich Sie
alle auf, den Erhalt des RIAS in Verbindung mit dem ZDF zu
unterstützen, und ich überreiche hiermit dem Herrn Präsidenten
einen entsprechenden Antrag.
Für die gesamte Medienlandschaft ist noch der Erhalt des
dualen Systems von großer Bedeutung. Ich fordere den Senat
eindringlich auf, sich nicht nur auf den öffentlich-rechtlichen
Bereich zu konzentrieren und dafür Sorge zu tragen, daß ARD
und ZDF leistungsfähige Anstalten in der bisherigen DDR errich
ten können und daß der SFB diese Leistungsfähigkeit in der
Region Berlin und Brandenburg erhält, sondern auch privaten
Anbietern in Berlin zu ihrem Recht zu verhelfen. Dies ist nicht
zuletzt eine Frage, wie wir angemessen mit unseren Grundrech
ten umgehen. Im dualen System müssen die privaten Anbieter
von Anfang an eine vernünftige Chance erhalten. Dies betrifft
sowohl den Hörfunk wie auch das Fernsehen.