Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
15. Sitzung vom 12. Oktober 1989
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Michaelis
Abschließend noch einige Sätze zu dem von Ihnen wolkig
behaupteten Scheitern der politischen Rahmenbedingungen
des rotgrünen Senats für die Wohnungsbaupolitik. Wenn Sie
heute bereits von Scheitern sprechen, müssen Sie sich messen
lassen an der Politik, die Sie selbst in den letzten Jahren betrie
ben haben. Für 1989 - also für dieses Jahr - hatten Sie einen
Haushalt mit sage und schreibe 2 500 Sozialwohnungen aufge
stellt, 1 700 Wohnungen im 3. Förderungsweg und 2 300
Eigentumsmaßnahmen.
[Buwitt (CDU): Ungeheuerlich!]
Sie haben also sehr zielgerichtet den sozialen Wohnungsbau
verkümmern lassen,
[Edel (SPD): So ist es! - Buwitt (CDU): Das ist falsch!]
und nun beklagen Sie scheinheilig, daß es schwierig ist, diesen
wesentlichen Bereich der Baupolitik wieder hochzupäppeln.
- Dieses genau haben wir vor, und zwar in Zusammenarbeit. Und
wie der Bausenator zutreffend ausgeführt hat, sind wir dabei in
diesem Jahr schon recht weit gediehen, weiter jedenfalls, als Sie
im letzten Jahr um diese Zeit waren.
[Buwitt (CDU): Ist und bleibt falsch! Wer Diskussionen
so führt, aus dem kann ja nichts werden!]
Ich bin daher durchaus hoffnungsfroh, daß die angepeilten
3 000 Wohnungen in diesem Jahr erreicht werden können und
daß es für die mächsten Jahre möglich sein wird, diese Zahlen im
1. Förderungsweg zu steigern. Denn, darüber sollten sich wenig
stens die Wohnungsbaupolitiker klar sein - ich weiß nicht, ob
Sie sich als ein solcher verstehen, Herr Buwitt -,
[Günther (SPD): HeizungsbauI]
daß die Wohnungsnot einzig und allein durch Wohnungsneubau
im 1. Förderungsweg wirksam bekämpft wird. Der von der CDU
forcierte 3. Förderungsweg und die Eigentumsmaßnahmen
befriedigen zwar eine Nachfrage, helfen jedoch den Wohnungs
suchenden so gut wie überhaupt nicht, da es keine Mietpreisbin
dung und keine Belegungsbindung gibt.
Was hat ein Obdachloser von einem Eigentumsprogramm,
was hat er von einer Dachgeschoßwohnung, die zum Preis von
15 bis 20 DM pro Quadratmeter gebaut wird?
[Edel (SPD): Da können sie vielleicht in der
Tiefgarage schlafen!]
Wir sind der Meinung, daß der Erfolg der Wohnungsneubaupoli
tik nicht in erster Linie an der Gesamtzahl der geförderten Woh
nungen gemessen werden kann, sondern daran, wie viele Woh
nungen den wirklich Bedürftigen zur Verfügung gestellt werden
können. In diesem Sinne kann weniger mehr sein. Dem können
Sie entnehmen, daß wir uns auch in der zukünftigen Umschich
tung des Haushalts vom 1. in den 3. Förderungsweg widerset
zen werden.
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Herr Michaelis, Ihre
Redezeit ist zu Ende!
Michaelis (AL): Zum Schluß ein Satz —
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Ja, gut!
Michaelis (AL); Zum Schluß ein Satz als Versuch, die Posi
tion meiner Partei mit einem Satz zu umschreiben: Wir wollen
sicherlich nicht den Wohnungsneubau verhindern,
[Buwitt (CDU): Sie wollen ja auch auf dem Flughafen
Tempelhof bauen!]
aber wir wollen eine Wohnungsneubaupolitik verhindern, die
mehr schädlich als nützlich ist.
Bevor ich den Nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte (C)
ich dem Kollegen Reipert die Gelegenheit zur Abgabe einer
persönlichen Bemerkung gemäß §65 unserer
Geschäftsordnung geben.
[Edel (SPD): Er will jetzt Britzer Straße doch bauen
lassen!]
Reipert (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Ich möchte mich mit aller Entschiedenheit gegen die Bemerkung
von Herrn Senator Nagel verwahren, daß ich dümmliche Partei
politik beim Bauprojekt Britzer Straße betriebe. Ich nehme in
Ausübung meines Abgeordnetenmandates die berechtigten
Interessen der dortigen Bewohner wahr, und selbst Herr Nagel
hat im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung vor Ort zuge
standen, daß die zur Zeit geplante Bebauung zu hoch und zu
massiv ist und noch einmal überdacht werden muß. Im übrigen
habe ich mich nicht gegen eine Wohnbebauung ausgespro
chen, sondern gegen das Wie.
Im übrigen steht es einem Senator nicht zu, einen Abgeord
neten zu maßregeln.
[Edel (SPD): Da gebe ich Ihnen recht!]
Ein Senator muß sich im Gegenteil bewußt sein, daß e r derje
nige ist, dessen Handeln von den Abgeordneten kontrolliert wird.
[Beifall - Edel (SPD): Auch da gebe ich Ihnen recht! -
Buwitt (CDU): Ein großes Maul hat er ja schon immer
gehabt!]
Es würde mir nie einfallen, bei Zurufen von der Senatsbank von
„Blöken“ zu sprechen, und ich erwarte von Herrn Nagel, daß er
das ebenfalls nicht tut.
[Beifall von der CDU]
(D)
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: So, Kolleginnen und Kol-
gen, wir kommen jetzt zur
Lfd. Nr. 10, Drucksache 11/356:
Große Anfrage der Fraktion der CDU über Errich
tung einer Hochspannungsleitung von der Stadt
grenze Berlin (West) bis Kraftwerk Reuter West
Begründen möchte diese Große Anfrage der Kollege Palm.
Palm (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Hebren!
Wir haben diese Große Anfrage nicht deshalb nochmals wort
gleich eingebracht, weil wir sie etwa so gut finden, sondern des
halb weil auf wir auf Ihre Große Anfrage zwei Antworten bekom
men haben, mehrere, und der Grund, warum wir sie einbringen,
ist der, daß diese Antworten sich in etlichen wichtigen Punkten
genau widersprochen haben.
[Günther (SPD): ist ja wohl nicht richtig!]
Und wir erwarten vom Senat, entweder gesagt zu bekommen,
welche Antwort denn richtig ist, oder daß wir heute eine Antwort
bekommen. Zur Begründung möchte ich Ihnen einige Zitate aus
den beiden Reden gegenüberstellen, damit Ihnen klar wird, was
wir meinen. - Zur Rechtmäßigkeit des Vertrags hat Herr Dr.
Mitzscherling, der Wirtschaftssenator, erklärt:
Das seit Mitte Juli diesen Jahres vorliegende Gutachten
kommt zu dem Ergebnis, daß der der Vertrag weder gekün
digt noch verändert werden kann. Der Vertrag ist für alle
Beteiligten verbindlich.
[Günther (SPD): Na und?]
[Beifall bei der AL]
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Weitere Wortmeldungen
liegen nicht vor. Damit ist die Große Anfrage erledigt.
Frau Dr. Schreyer hat in Ihrer Rede erklärt:
Dies sind die Gründe, weshalb von der AL und von kriti
schen Bürgerinnen und Bürgern die Vertragsbindung ange-
zweifelt wird.