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Volume Nr. 14, 28. September 1989

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989, 11. Wahlperiode, 1.-16. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
14. Sitzung vom 28. September 1989 
602 
Frau Sen Dr. Schreyer 
(A) Ich darf einmal aus Ihren Briefen an die Bewag zitieren. Hier 
steht geschrieben; 
Eine vorläufige Prüfung der von Ihnen vorgelegten Unterla 
gen hat ergeben, daß die angezeigte 380-kV-Freileitung im 
Rahmen des Stromverbundprojekts grundsätzlich keinen 
Anlaß für eine Beanstandung im Sinne des § 4 Energiewirt 
schaftsgesetz gibt. 
Das haben Sie am 25. Februar geschrieben. Sie hatten damals 
noch keine Verträge vorliegen, auch nicht die einzelnen Ausfüh 
rungen über die Trasse, und haben dennoch eine Zusage 
gemacht. ' 
[Zurufe von der CDU] 
Weiterhin haben Sie in diesem Schreiben ausgeführt: 
In dem gemeinsamen Bestreben, den ins Auge gefaßten 
Unterzeichnungstermin nicht zu gefährden, möchte ich 
meine Freigabe nicht bis zur endgültigen Klärung der Lei 
stungsführung zurückstellen. 
Ein solches Schreiben kann einfach nur als unverantwortlich 
bezeichnet werden. 
[Beifall bei der AL und der SPD- Zurufe von der CDU - 
Unruhe] 
Dies sind die Gründe, weshalb von der AL und von kritischen 
Bürgerinnen und Bürgern die Vertragsbindung angezweifelt 
wird. Es wird kritisiert, hier habe der frühere Senat unverantwort 
lich gehandelt, und insofern könne doch eigentlich nach dem 
gesunden Menschenverstand keine rechtliche Bindung eingetre 
ten sein. 
[Zuruf von der CDU] 
Sie haben die Zusage vor einer Umweltverträglichkeitsprü 
fung gemacht. Die Arbeitsgruppe für die Umweltverträglichkeits 
prüfung wurde erst nach diesen Zusagen eingesetzt. Damit wird 
sehr deutlich, welchen Stellenwert Sie der Umweltverträglich- 
(B) keitsprüfung geben. Sie haben dieses Instrument zu einer Farce 
gemacht - auch deshalb, weil Sie bestimmte einschränkende 
Vorgaben machten. 
[Weiterhin starke Unruhe und Zurufe von 
der CDU] 
Sie und auch mein Vorgänger im Amt, Herr Starnick, hat bei der 
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nur die Null-Variante von 
vornherein ausgeschlossen, sondern auch direkt bestimmte 
Maßnahmen, zum Beispiel den Schildvortrieb ausgeschlossen. 
Das heißt, Sie haben von vornherein überhaupt nicht gesagt, daß 
wirklich optimiert werden soll. 
[Zurufe von der CDU] 
Dies müssen wir jetzt nachholen, und dabei kommen Sie uns 
bitte nicht mit einem Termindruck, den Sie erzeugt haben, weil 
Sie gar keinen Wert auf die. Umweltverträglichkeitsprüfung 
gelegt haben. 
[Beifall bei der AL und der SPD - Anhaltende 
Unruhe bei der CDU] 
Nun ist auch klar, daß bei dem Unternehmen Bewag nicht davon 
auszugehen ist, daß dieses selbst Umweltaspekte mit in sein Kal 
kül einbezieht. Daran wurde heute schon erinnert. 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Entschuldigen Sie bitte, 
Frau Dr. Schreyer! - Im Augenblick hat Frau Dr. Schreyer das 
Wort. Bei dieser erheblichen Unruhe ist niemand in der Lage, 
noch ein Wort der Rednerin zu verstehen. Versuchen Sie bitte, 
sich etwas zu mäßigen. 
Frau Dr. Schreyer, Senatorin für Stadtentwicklung und Um 
weltschutz: Die Bewag wird auch weiterhin nicht freiwillig Um 
weltgesichtspunkte mit in ihr Kalkül einbeziehen. Sie mußte auch 
zur Installierung von Rauchgasentschwefelungsanlagen erst 
unter ungeheurem politischen und auch rechtlichen Druck 
gezwungen werden. 
[Zurufe von der CDU) 
Trotz allem ist der alte Senat ohne die notwendigen Unter 
lagen für eine ausführliche Prüfung folgenreiche Bindungen ein 
gegangen. Leider besteht für uns kein Anlaß, davon auszugehen, 
daß dieser Vertrag für den rot-grünen Senat rechtlich nicht bin 
dend sei. 
Diese Altlast braucht und darf aber nicht einfach achselzuk- 
kend vom neuen Senat hingenommen werden, um dann zur ener 
giepolitischen Tagesordnung überzugehen, d. h., der Bewag 
weiter das Feld zu belassen. Vielmehr sind wir stärker gefordert, 
eine Lösung zu finden, die unter ökologischen und energie 
politischen Gesichtspunkten verträglich ist. Es muß daher 
auch sehr deutlich Tendenzen in der Verwaltung, besonders in 
der Senatswirtschaftsverwaltung, entgegengewirkt werden, zu 
der alten Laissez-faire-Haltung des alten Senats zurückzukehren. 
[Beifall bei der AL - Zurufe von der CDU - 
Weiterhin erhebliche Unruhe] 
Wir haben weiter die Situation, daß die Bewag nicht bereit ist, 
Informationen und Daten, die für eine ernstzunehmende Umwelt 
verträglichkeitsprüfung notwendig sind, herauszugeben. Das 
gleiche gilt für die Überprüfung der Möglichkeit einer 110- 
kV-Leitung. Die Bewag gibt hier nicht die notwendigen Informa 
tionen hinsichtlich des Lastmanagements, und sie macht das mit 
der gleichen Unverfrorenheit, wie sie lange Zeit die Herausgabe 
der Unterlagen zum Stromverbund verweigert hat. 
Als verantwortliche Senatorin, die die Umweltverträglichkeit 
der Trasse zu prüfen hat, nehme ich die Proteste, die gegen die 
Stromtrasse vorgebracht werden, sehr ernst. Diese Proteste zei 
gen auch, wie notwendig es ist, Maßnahmen zu ergreifen, die 
sehr deutlich machen, daß der rot-grüne Senat trotz der Strom 
trasse ernst macht mit der Politik der Energieeinsparung, mit der 
Politik einer rationellen Energieversorgung und mit einer umwelt 
verträglichen Energieerzeugung. Dies bedeutet und erfordert, 
daß die Bewag, die nach wie vor nur am Verkauf wachsender 
Strommengen interessiert ist, von einem Energieversorgungs- zu 
einem Energiedienstleistungsunternehmen umstrukturiert 
wird. 
[Beifall bei der 
AL und der SPD] 
Dies bedeutet für mich auch, daß der Konzessionsvertrag 
zwischen Berlin und der Bewag, der dem Unternehmen einen 
großen, dem Land Berlin jedoch kaum einen Handlungsspiel 
raum einräumt, sobald wie möglich beendet wird. 
[Beifall bei der AL] 
Für neue Verträge zur Energieversorgung Berlins ist zum Bei 
spiel zu prüfen, ob die Stromverteilungsnetze wieder in das 
Eigentum des Landes Berlin zurückgehen, um die Monopolsi 
tuation zu beenden und den Wettbewerb zwischen kommuna 
len und privaten Stromerzeugern zu ermöglichen. Dadurch wäre 
zum Beispiel garantiert, daß moderne umweltfreundliche Block 
heizkraftwerke ihren Strom in das allgemeine Netz einspeisen 
können. 
Notwendig ist auch eine neue Tarifstruktur für die Strom 
preise. Der jetzige Schritt zur Linearisierung, den ich begrüße, 
kann aber nur als ein erster Schritt bewertet werden, dem drin 
gend weitere und weitergehende folgen müssen. 
Die Debatte um den Stromverbund hat auch deutlich 
gemacht, wie dringend notwendig eine Novellierung des Ener 
giewirtschaftsgesetzes ist. Ich werde mich dafür einsetzen, 
daß Berlin eine Initiative im Bundesrat zur Novellierung ergreift. 
Die Einleitung einer Energiewende für Berlin bedarf neuer 
Konzeptionen und muß von den verschiedenen gesellschaft 
lichen Kräften getragen werden. Der Senat hat deshalb die Ein 
richtung eines Energiebeirates beschlossen, in dem neben 
Energieversorgungsunternehmen auch Vertreter kritischer Grup 
pen, insbesondere Vertreter kritischer Gruppen gegenüber der 
Bewag, vertreten sein werden. 
[Unruhe bei der CDU] 
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 
schutz hat zudem das Öko-Institut Freiburg und die Forschungs-
	        
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