Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
13. Sitzung vom 14. September 1989
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Sen Nagel
Zu 4: Dem Senat ist die wissenschaftliche Diskussion über die
gesundheitliche Bewertung von Asbestfasern im Trinkwasser
bekannt. Derzeit wird in der Fachwelt heftig diskutiert, ob tat
sächlich ein gesundheitliches Risiko durch die orale Aufnahme
von Asbestfasern im Trinkwasser besteht. Der wissenschaftliche
Nachweis für die Entstehung von Krebs im Magen-Darm-Bereich
durch die orale Aufnahme von Asbestfasern konnte bisher nicht
eindeutig erbracht werden. Dennoch ergab eine Studie aus den
USA eine schwache Korrelation zwischen Asbestfasern im Trink
wasser und Magen-Darm-Krebs. Untersuchungen des Bundes
gesundheitsamtes zeigen, daß in Versorgungsgebieten mit Lei
tungsrohren für Trinkwasser aus Asbestzement keine merkliche
Abgabe von Asbestfasern erfolgt, wenn, wie dies in Berlin der
Fall ist, das Trinkwasser annähernd an Calciumcarbonat gesät
tigt ist. Dies vorausgesetzt. Im Trinkwasserrohrnetz der Berliner
Wasser-Betriebe befinden sich ca. 390 km Asbestzementdruck
rohre. Das gesamte Netz ist ca. 5 000 km lang. Im öffentlichen
Kanalnetz gibt es rd. 449 km Abwasserkanäle aus Asbest
zementrohren. Darin sind Hausanschlußkanäle, die in Berlin den
Grundstückeigentümern gehören, allerdings nicht enthalten. Da
über die Länge der Hausanschlüsse keine Statistik geführt wird,
kann deren Gesamtlänge nur geschätzt werden und beträgt rd.
430 km, wobei das öffentliche Kanalnetz über 5 000 km lang ist.
Zu 4 d: Der Senat sieht natürlich mit Sorge, daß durch die
Feststellungen des Bundesrechnungshofs eine oberste Bundes
behörde wie das Bundesgesundheitsamt an Vertrauen verlo
ren hat. Er geht aber davon aus, daß die Bundesregierung alles
unternimmt und bereits unternommen hat, durch entsprechende
Maßnahmen sicherzustellen, daß das Bundesgesundheitsamt
frei von unzulässiger Einflußnahme gehalten wird.
Zu 5: Aut die Frage nach dem Transport und der Deponierung
von Asbestabfällen bin ich bereits vorhin eingegangen, so daß
sich auch hier eine gesonderte Beantwortung erübrigt.
Ich habe heute versucht, Ihnen aufgrund Ihrer Fragen einen
Einblick in die wirklich schwierige Asbestproblematik zu geben.
Ich bin mir bewußt, daß die Debatte darüber in den nächsten
Monaten und wohl auch Jahren weitergeführt werden muß und
das Thema Asbest, je tiefer man in die Fachdiskussion einsteigt,
immer neue Fragen aufwirft. Das Thema wird uns noch viele
Jahre beschäftigen, und deshalb möchte ich abschließend noch
einmal an den Anfang meiner Ausführungen zurückkommen.
Es gilt jetzt für uns, die Bausünden der Vergangenheit aufzu
arbeiten, es gilt aber jetzt um so mehr, Sorge dafür zu tragen, daß
die Generation nach uns nicht mit anderen Werkstoffen ein
ähnliches Problem überlassen bekommt.
[Beifall bei der SPD und der AL]
Hier ist die Wachsamkeit aller im Bauwesen Tätigen gefordert,
hier ist aber auch der Mut gefordert, sich im Zweifel von gewohn
ten Verfahren zu trennen und zu anderen Bauweisen zu kommen
oder, was natürliche Baustoffe betrifft, eventuell auch zu ihnen
zurückzukehren, Baustoffe, die dem notwendigen Anspruch an
ein Bauwerk gerecht werden. Dieser notwendige Anspruch ist,
daß das Bauwerk den Menschen vor äußeren Einflüssen schüt
zen soll, es darf ihn aber im Inneren nicht schädigen. Dies ist ein
wesentliches Merkmal des ökologischen Bauens. Vielleicht
ergibt sich aus der Asbestproblematik bei den Bildungszentren
darüber hinaus die Möglichkeit, auch zu einer anderen Gestal
tung dieser Schulen zu kommen,
[Beifall bei der SPD und der AL]
die bessere pädagogische Konzepte ermöglicht, eine Architek
tur verwirklicht, die sich harmonischer in die Umgebung einfügt
und eine Bauweise verwendet, die umweltverträgiicher ist,
gerade auch für die Kinder, die einen großen Teil ihres Tages in
diesen Bauten verbringen müssen. So gesehen hat die Proble
matik der Asbestverseuchung gerade bei den Schulen im Nach
gang vielleicht doch noch eine positive Seite. - Ich danke für die
Aufmerksamkeit!
[Beifall bei der SPD und der AL]
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Wir kommen jetzt zur
Aussprache. Von der Fraktion der AL habe ich derzeit keine
Wortmeldungen vorzuliegen. Dann gehe ich davon aus, daß wir
gleich zur Fraktion der CDU übergehen können. Für die CDU hat
nun der Abgeordnete Pöppelmeier das Wort.
Pöppelmeier (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Das Thema Asbest und dessen Gesundheitsgefahren
sollte dazu führen, daß wir möglichst alle an einem Strang ziehen,
weil doch die Probleme der Entsorgung zu groß sind, als daß
man mit der Lösung einige wenige Personen beauftragen könn
te. Meine Fraktion sieht durchaus die enormen Probleme, die da
noch auf unsere Stadt zukommen, und wir haben hier heute mit
großem Interesse und Wohlwollen zur Kenntnis genommen, daß
man wohl auch im Senat daran denkt, die asbestverseuchten
Schulen abzurelßen und durch neue Gebäude zu ersetzen. Ich
höre auch mit Interesse, daß inzwischen daran gedacht wird
oder möglicherweise sogar schon Bereitschaft dazu besteht, bei
den Gesamtschule an andere Konzeptionen architektoni
scher Art heranzugehen. Damit meinen wir aber nicht etwa, die
Gesamtschule als solche konzeptionell in Frage zu stellen. Ich
möchte da nicht mißverstanden werden.
Im Grunde genommen brauchte ich eigentlich meine fünfzehn-
minütige Redezeit hier gar nicht auszunutzen.
[Beifall bei der SPD]
- Ja, ja! Es sind aber doch ein paar Kleinigkeiten, die noch rich
tiggestellt werden müßten.
Ich glaube, wir sollten uns davor hüten, die Problematik, die
vielleicht - aber auch nur, vielleicht - im Zusammenhang mit der
Trinkwasserversorgung entstehen könnte, zu dramatisieren,
wie das in der Vergangenheit mit der Asbestbelastung in innen-
räumen gemacht worden ist. Ich möchte da auch vor entspre
chenden Ansätzen warnen, denn was hier heute zitiert worden ist
von Herrn Köppl und Herrn Nagel, daß in den USA Gutachten
vorlägen, die Anlaß zur Sorge gäben, das trifft ja so nicht zu. Man
sollte dann fairerweise auch noch sagen, daß von vielen Gut
achten, die in den USA dazu erstellt worden sind, nur ein ein
ziges diese Sorge als eine solche bezeichnet. Das müßte man
dann fairerweise in die Diskussion bringen. Ich weiß nicht, ob in
absehbarer Zeit andere Wissenschaftler zu anderen Erkenntnis
sen kommen. Bei diesem Thema muß man ja immer sehr vorsich
tig sein.
Frau Leyk! Sie haben sich hier darüber beschwert, daß der
CDU-Senat seinerzeit keine Handlungsweisen erstellt hätte, um
das Asbestproblem zu lösen. Das Problem ist nur, daß der heu
tige Senator genau nach den Handlungsweisen verfährt, die
seinerzeit - am 16. 2. 1988 - durch Senatsbeschluß festgelegt
worden sind. Dies ist auch kürzlich noch einmal in einer Fachzeit
schrift ausdrücklich dargestellt worden. Deswegen möchte ich
Ihnen das auch noch einmal kurz darstellen, wie das aussieht;
einige Hinweise dazu hat Senator Nagel hier gegeben. Der erste
Schritt war seinerzeit das Sichten der Bauakten, und das ist
nach wie vor heute auch der Fall. Danach erfolgt die Besichti
gung der Gebäude; das erfolgt heute auch. Danach erfolgt eine
Einschätzung des Materials; auch das findet heute statt.
[Dr. Köppl (AL); Bitte, doch keine Banalitäten!]
Es erfolgt eine Bewertung der Dringlichkeit; auch das erfolgt
heute. Es erfolgen die Messungen.
[Dr. Köppl (AL): Das kann doch alles gelesen werden
was Sie hier reden!]
- Das macht nichts! Hören Sie zu! Ich will ja nur darstellen, daß
es nichts Neues ist, was jetzt läuft. - Es erfolgt die Festlegung
des Sanierungsverfahrens; das haben wir heute auch. Die Sanie
rung wird durchgeführt, vielleicht auch nicht, dazu kommen wir
vielleicht noch: Es werden Kosten entstehen, die Kosten werden
bezahlt werden müssen.
[Dr. Köppl (AL); Auch klar!]
- Alles klar! Zum Schluß wird es die entsprechenden Kontroll-
messungen geben, - Wie Sie sehen, Frau Leyk, es wird heute
genauso verfahren wie vor einem Jahr.
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