Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
10. Sitzung vom 22. Juni 1989
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Stellv. Präsidentin Dr. Schramm
(A) Ich rufe nun auf die Artikel I bis III, die Überschrift und die Ein
leitung im Wortlaut der Drucksache 11 /56 unter Berücksichti
gung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses. Wird
das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich verbinde dann
die Einzelabstimmungen mit der Schlußabstimmung. Wer dem
Fünften Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Landes
amt für Verfassungsschutz unter Berücksichtigung der
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses seine Zustim
mung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthal
tungen, deutliche Mehrheit für das Gesetz.
Die laufende Nr. 4 ist bereits durch die Konsensiiste erledigt.
Lfd. Nr. 5, Drucksache 11/166:
I. Lesung des Antrags der Fraktion der CDU über
Sozialstationengesetz
Das Wort zur Begründung hat Herr Braun.
Braun (CDU); Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Die CDU-Fraktion bringt heute einen Gesetzentwurf zur Förde
rung der ambulanten gesundheits- und sozialpflegerischen
Dienste ein, der im wesentlichen folgende Ziele zum Gegen
stand hat: Es soll die gesetzliche Verpflichtung des Landes Ber
lin festgelegt werden, die Versorgung mit den notwendigen
ambulanten Dienstleistungen durch Sozialstationen sicherzustel
len.
Es soll des weiteren aber auch den Trägern dieser Aufgabe
endlich die finanzielle Sicherheit garantiert werden. Gegen
wärtig versorgen die 64 Sozialstationen allein in der häuslichen
Krankenpflege wöchentlich über 7 000 Patienten. Es kann nicht
angehen, daß dieser Tätigkeitsbereich in den zuschußbedürf
tigen Anteilen weiterhin auf der Grundlage des Zuwendungs-
(B) rechts mit jährlich neu einzubringender Kontinuität betrieben
werden soll. Dies verbietet sich auch im Blick auf die arbeits
rechtliche Sicherheit der über 2 400 Mitarbeiter.
Unser Gesetzentwurf übernimmt Regelungen, die der frühere
Senat erarbeitet und mit den Wohlfahrtsverbänden erörtert hat.
Eigentlich sollte man deshalb einen weitgehenden Konsens in
der kommenden Beratung erwarten können; das angekündigte
konkurrierende Gesetzesvorhaben des rot-grünen Senats wird
sich indes in einem wesentlichen Punkt unterscheiden; es wird
das Vorhaben aus den frühen 70er Jahren wieder aufleben las
sen, Sozialstationen durch kommunale Krankenhausbetriebe
und durch Bezirksämter zu betreiben.
[Vetter (CDU): Sozialismus hoch drei!]
Wir sehen darin die Gefahr der Bürokratisierung und der ideolo
gischen Überfrachtung eines Tätigkeitsfeldes, das von der
Sache her größtmögliche Beweglichkeit und Anpassungsfähig
keit an die wechselnden Bedürfnisse voraussetzt.
Wir bekennen uns deshalb ausdrücklich zum Vorrang der
frei-gemeinnützigen Träger, die in den vergangen Jahren
gegen den ständigen parlamentarischen Widerstand der rot-grü
nen Parteien und mit erheblichen eigenen wirtschaftlichen Risi
ken ein leistungsfähiges Versorgungsnetz aufgebaut haben.
[Beifall bei der CDU]
Wir hoffen allerdings auch, daß endlich im Beratungsprozeß
die rot-grüne Koaltion erstmals das längst fällige Bekenntnis zum
unverzichtbaren Bestandteil der Leistungen der Wohlfahrtsver
bände und ihrer Einrichtungen im Sozialdienst ablegt. - Ich
danke Ihnen.
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsidentin Dr. Schramm: Meine Damen und Her
ren, der Ältestenrat hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf
Minuten je Fraktion festgelegt. Gibt es Wortmeldungen? -
Nächste Rednerin ist Frau Kampfhenkel von der Fraktion der
SPD.
Frau Kampfhenkel (SPD); Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Der Kollege Braun hat die Notwendigkeit begrün
det, endlich ein Gesetz für Sozialstationen einzubringen. Wir
freuen uns über diese Lernfähigkeit der CDU, nachdem hier in
den letzten acht Jahren aufgrund der überhetzten Einführung der
Sozialstationen eben nicht eine qualitativ gesicherte Versorgung
im ambulanten Bereich in Berlin gewährleistet ist.
[Dr. Franz (CDU): Das ist eine unverschämte
Verleumdung!]
Wir werden selbstverständlich die Vorstellungen, die wir bereits
im Jahr 1986 in unseren Anträgen eingebracht haben, basierend
auch auf den Vorstellungen unseres Senators für Arbeit und
Soziales, Olaf Sund, auf die wir jetzt Gott sei Dank endlich
zurückgreifen können, in die Tat umsetzen. So werden wir eine
qualitativ hohe ambulante Versorgung mit den Verbänden für
Berlin sicherstellen.
Aber, Herr Kollege Braun, mich verwundert, daß Sie uns
angreifen und Ihrer Sorge Ausdruck geben, daß wir kommunale
Einrichtungen ins Leben rufen wollen. Sie sagen doch selbst in
Ihrem § 2:
Das Land soll eigene Sozialstationen nicht schaffen,
- und jetzt kommt es -
soweit ein geeignetes Angebot durch die Träger vorhan
den ist oder ausgebaut oder geschaffen werden kann.
Das heißt, Ihre Erkenntnis geht auch dahin, daß im Augenblick
keine flächendeckende Versorgung in Berlin sichergestellt ist.
Und wenn Sie Anhörungen machen, und der Senat wird Anhö
rungen durchführen, wir haben sie auch gemacht, dann werden
Sie erneut von den vor Ort Arbeitenden und auch von den Liga
verbänden hören, daß sie aufgrund der nur schlecht gesicherten
finanziellen Voraussetzungen nicht in der Lage sind, im Lande
Berlin eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Was
läuft, läuft durch das Engagement der Mitarbeiter. Und Sie müs
sen das zur Kenntnis nehmen. Davor haben Sie sich in den ver
gangenen Jahren ständig aus der Verantwortung gemogelt. Der
rot-grüne Senat wird dafür Sorge tragen, daß im Interesse der
Patienten und im Interesse der Mitarbeiter, eine adäquate Ver
sorgung für Berlin im gesamten Spektrum sichergestellt wird.
Und das geht nicht mit Ihrem vorgelegten Gesetzentwurf!
[Beifall bei der SPD]
Stellv. Präsidentin Dr. Schramm: Gibt es weitere Wort
meldungen? - Frau Wirths hat für die Fraktion der Alternativen
Liste das Wort.
Frau Wirths (AL): Wir finden es sehr begrüßenswert, daß
auch von der CDU eine Gesetzesinitiative eingebracht wird. Wir
meinen allerdings, daß sie acht Jahre zu spät kommt, was man an
der Qualität und auch am Umfang der bisherigen Leistungen der
schon vorhandenen Sozialstationen erkennen kann. Deshalb
kann ich mich den Worten meiner Vorrednerin nur anschließen.
Für die Debatte der jetzigen Entwürfe ist es heute allerdings zu
früh, zumal wir uns am Montag im Gesundheitsausschuß darauf
verständigt hatten, die verschiedenen Entwürfe erst nach der
Sommerpause zu diskutieren. - Ich danke Ihnen.
[Beifall bei der AL -
Vereinzelter Beifall bei der SPD]
Stellv. Präsidentin Dr. Schramm; Als nächster hat Herr
Abgeordneter Dr. Franz das Wort.
Dr. Franz (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her
ren! Zwei sehr kurze Bemerkungen: Erstens, Frau Kampfhenkel,
ist es schon äußerst phänomenal, wie Sie sich hier hinstellen und
die Leistungen, die von den Berliner Sozialstationen der Liga der
Freien Wohlfahrtsverbände in Berlin erbracht worden sind, her
untermachen. Schämen Sie sich denn nicht dafür?
[Beifall bei der CDU]