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Volume Nr. 8, 1. Juni 1989

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989, 11. Wahlperiode, 1.-16. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
8. Sitzung vom 1. Juni 1989 
299 
Frau Damrat 
(A) senschaftssenator berief „im Alleingang 30 Gelehrte an die Aka 
demie, deren regierungsfreundliche Gesinnung mit wenigen 
Ausnahmen unstrittig war“. „Die Zeit“ fügt hinzu: „Wissenschaft 
und Forschung haben auf weite Strecken ihre Unschuld verlo 
ren“ - im Zusammenhang mit der Akademiegründung. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Wenn Ideologie - und hier möchte ich Sie bitten, Ihren Ideolo 
giebegriff noch einmal zu überprüfen - mit „herrschaftsrechtfer 
tigender Philosophie“ übersetzt werden soll, dann war die Aka 
demiegründung ein durchaus ideologisch begründeter Akt, 
nicht aber die jetzt anstehende Überführung der vorhandenen 
Projekte in die Wissenschaftslandschaft Berlins. 
[Beifall bei der SPD - 
Vereinzelter Beifall bei der AL] 
4. Kritikpunkt waren - Herr Kewenig hat das heute wieder 
bestätigt - die elitären Entscheidungsmechanismen und Lei 
tungsstrukturen - hie Akademiemitglieder, da wissenschaftli 
che Wasserträger in den Projekten. Sie sind getragen von einem 
vordemokratischen Wissenschaftsverständnis. 
[Beifall bei der SPD - 
Gelächter bei der CDU] 
Allerdings: Der amerikanische Wissenschaftler Norman Birn 
baum - Sie können das im letzten Jahrbuch sehr gut nachlesen 
- hat genau an diesem Punkt Kritik geäußert - schon an der 
Gründungsschrift - und hat ständisches Denken kritisiert, das er 
für die heutige Gesellschaft befremdlich finde. 
Die Wissenschaftler des Gründungsausschusses begreifen 
ihre Forschung als außerhalb jeder gesellschaftlichen Ent 
wicklung stehend. Das ist allerdings wissenschaftliches Urge 
stein und fern von der inzwischen lang und breit geführten Wert 
urteilsdebatte, die da auch wesentlich mehr Fortschritte 
gemacht hat, als in dieser Gründungsschrift nachzulesen ist. 
(B) [Beifall bei der SPD] 
5. Von vornherein war nicht geplant, die Akademie der Wis 
senschaften mit den Hochschulen und wissenschaftlichen Ein 
richtungen zu verknüpfen. 
Als 6. Punkt ist immer wieder die hohe Finanzbelastung des 
Berliner Haushalts bei unsicherer Finanzierung von außen zu 
betonen. Z. B. bei Bauinvestitionen - Sie kennen das -: 49 Mil 
lionen DM für die Italienische Botschaft, avisiert sind jetzt 60 Mil 
lionen DM. In der Denkschrift wurde ein Fuhrpark mit immerhin 
165 000 DM Kosten genannt. Die Ausgaben für die Leistung 
sind ungewöhnlich hoch, die Senatorin hat vorhin schon darüber 
gesprochen. 
[Abg. Buwitt (CDU) meldet sich zu einer 
Zwischenfrage.] 
- Nein, ich muß das noch fertig schaffen. - 
[Buwitt (CDU): Die 
Investitionen müssen Sie 
sowieso vornehmen, denn Sie sind vertraglich 
dazu verpflichtet. Es ist also alles Quatsch, 
was Sie erzählen!] 
Also: Der Präsident dieser Wissenschaftsrepublik sozusagen 
verdient etwa soviel wie der Regierende Bürgermeister einer 
Zweimillionenstadt. Akademiemitglieder erhalten pro Anwesen 
heitstag 1 000 DM, das macht im Jahr 20 000 DM, und Reise 
kosten stehen insgesamt an - denn es ist eine Akademie, 
die in starkem Maße aus reisenden Mitgliedern besteht - von 
812 000 DM. Der Bedarf von insgesamt 11 Millionen DM wird 
zu 9 Millionen DM aus dem Berliner Haushalt gedeckt, und davon 
ist nur die Hälfte für die Wissenschaft selbst. 
Das Fazit meiner Fraktion vor zwei Jahren war, das Grün 
dungsgesetz abzulehnen, und das nach gründlicher Debatte. In 
zwei Jahren ihres Bestehens konnte die Akademie in einigen 
Punkten zwar nachbessern. Sie berief einige nicht in das vorhe 
rige Spektrum sich so einsortierende Menschen, und es waren 
immerhin sage und schreibe drei Frauen von 31 Mitgliedern zu 
verzeichnen. Es hat ein Dialogbemühen gegeben - zu dem Zeit 
punkt, als der Akademie der Wissenschaften die Auflösung (C) 
drohte -, vor allem mit den anderen Wissenschaftsinstitutionen, 
und es wurde dabei auch ein ehrgeiziges Projektprogramm vor 
gestellt. Aber der hierarchische Aufbau ist unverändert geblie 
ben, die Ziele sind weiterhin diffus 
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Bloß Sie sehen durch!] 
und die Finanzbelastung des Berliner Wissenschaftshaushalts 
nach wie vor unverantwortlich. 
Das Parlament hat nicht über die Qualität der Forschung oder 
ihrer Ergebnisse zu befinden. 
[Zuruf von rechts: Geht ja gar nicht!] 
Das ist und bleibt Sache des wissenschaftlichen Diskurses. 
Sehr wohl können wir aber diskutieren, welche Einrichtungen wir 
uns leisten können und was wir tun müssen, um einen demokra 
tisch strukturierten Wissenschaftsprozeß zu stärken. Die SPD- 
Fraktion sagt nicht nein zur Wissenschaft. Sie bejaht die Freiheit 
der Wissenschaft, hat darin auch ihre eigene Geschichte. Sie 
sagt nicht nein zur fächerübergreifenden Forschung - da haben 
Sie ein durchaus schlechtes Beispiel geboten, indem Sie die 
Zentralinstitute an den Universitäten in eine unsichere Zukunft 
entließen. Die SPD fordert und fördert internationale wissen 
schaftliche Kommunikation - denken Sie an die Universitäten 
und an das Wissenschaftskolleg, denken Sie an die Dahlem- 
Konferenzen, die einfach - mir nichts dir nichts - der Akademie 
einverleibt werden sollten. Die SPD fordert und fördert auch wis 
senschaftliche Forschung in sozialer und ethischer Verantwor 
tung - denken Sie an die Universitäten ebenso wie an das Bei 
spiel Wissenschaftszentrum Berlin und an die Max-Planck-Insti- 
tute. Bei insgesamt begrenzten Mitteln setzen wir aber lieber auf 
bewährte und in ihrer Konstruktion durchdachte wissenschaftli 
che Einrichtungen. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip der öffent 
lichen Haushalte verpflichtet auch uns, dies zu tun. 
Zwei Nachträge zur Anfrage der CDU habe ich noch: (D) 
1. Die Sprache Ihrer Anfrage ist vollmundig und ihr Stil pole 
misch. Einige Begriffe aus dem „Wörterbuch des Unmenschen" 
tauchen auf wie „Vernichtung“, „rot-grünes Gedankengut“ - ich 
möchte mal wissen, was das ist -, „Ausschalten“, 
[Buwitt (CDU): Ihr Gedankengut ist das! 
Ist doch ganz einfach! - Wir helfen Ihnen gerne 
weiter!] 
und sie ist nicht an Inhalten, sondern an einzelnen Personen ori 
entiert. 
2. spielen Sie nicht nur unterschwellig, sondern ganz offen an 
an die NS-Zeit, indem Parallelen zwischen NS-Wissenschafts- 
politik und unserer Politik angedeutet werden. Dies ist nicht nur 
in der Sache falsch, sondern auch nach wie vor skandalös, und 
für meine Fraktion weise ich dies entschieden zurück. 
[Beifall bei der SPD und der AL - 
Buwitt (CDU): Somüssen Sie reden! Da kriegen 
Sie Beifall von Ihrer 
Fraktion! - Kem (SPD); Die Null-Lösung 
spricht wieder!] 
Ich denke dabei auch an die Fragen, die im Zusammenhang mit 
früherer konservativer Berufungspolitik aufgeworfen worden 
sind; daß ein Großteil der Emigranten einfach nicht wieder beru 
fen wurde, die Deutschland verlassen mußten. Das lag auch dar 
an, daß sie nicht berufen werden sollten, hingegen aber andere 
wieder sehr wohl in diesen Wissenschaftsapparat eingegliedert 
wurden. Ich bitte Sie, da bei Ingo Müller: „Furchtbare Juristen“ 
nachzulesen. 
Ich komme zum Fazit: Die Gründe, die gegen die Gründung 
dieser Akademie der Wissenschaften sprechen, sind in ihrer 
Mehrheit nicht entkräftet. Eine solide und freiheitliche Wissen 
schaftspolitik muß in Berlin Bestandspflege betreiben und inno 
vativ zur Verzahnung und Koordination der bestehenden Organi 
sationen beitragen, um knappe Ressourcen sinnvoll und verant 
wortlich zu nutzen. Wir sind deshalb für die Auflösung der Aka 
demie der Wissenschaften und für die gesicherte Fortführung
	        
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