Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
8. Sitzung vom 1. Juni 1989
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Frau Damrat
(A) senschaftssenator berief „im Alleingang 30 Gelehrte an die Aka
demie, deren regierungsfreundliche Gesinnung mit wenigen
Ausnahmen unstrittig war“. „Die Zeit“ fügt hinzu: „Wissenschaft
und Forschung haben auf weite Strecken ihre Unschuld verlo
ren“ - im Zusammenhang mit der Akademiegründung.
[Beifall bei der SPD und der AL]
Wenn Ideologie - und hier möchte ich Sie bitten, Ihren Ideolo
giebegriff noch einmal zu überprüfen - mit „herrschaftsrechtfer
tigender Philosophie“ übersetzt werden soll, dann war die Aka
demiegründung ein durchaus ideologisch begründeter Akt,
nicht aber die jetzt anstehende Überführung der vorhandenen
Projekte in die Wissenschaftslandschaft Berlins.
[Beifall bei der SPD -
Vereinzelter Beifall bei der AL]
4. Kritikpunkt waren - Herr Kewenig hat das heute wieder
bestätigt - die elitären Entscheidungsmechanismen und Lei
tungsstrukturen - hie Akademiemitglieder, da wissenschaftli
che Wasserträger in den Projekten. Sie sind getragen von einem
vordemokratischen Wissenschaftsverständnis.
[Beifall bei der SPD -
Gelächter bei der CDU]
Allerdings: Der amerikanische Wissenschaftler Norman Birn
baum - Sie können das im letzten Jahrbuch sehr gut nachlesen
- hat genau an diesem Punkt Kritik geäußert - schon an der
Gründungsschrift - und hat ständisches Denken kritisiert, das er
für die heutige Gesellschaft befremdlich finde.
Die Wissenschaftler des Gründungsausschusses begreifen
ihre Forschung als außerhalb jeder gesellschaftlichen Ent
wicklung stehend. Das ist allerdings wissenschaftliches Urge
stein und fern von der inzwischen lang und breit geführten Wert
urteilsdebatte, die da auch wesentlich mehr Fortschritte
gemacht hat, als in dieser Gründungsschrift nachzulesen ist.
(B) [Beifall bei der SPD]
5. Von vornherein war nicht geplant, die Akademie der Wis
senschaften mit den Hochschulen und wissenschaftlichen Ein
richtungen zu verknüpfen.
Als 6. Punkt ist immer wieder die hohe Finanzbelastung des
Berliner Haushalts bei unsicherer Finanzierung von außen zu
betonen. Z. B. bei Bauinvestitionen - Sie kennen das -: 49 Mil
lionen DM für die Italienische Botschaft, avisiert sind jetzt 60 Mil
lionen DM. In der Denkschrift wurde ein Fuhrpark mit immerhin
165 000 DM Kosten genannt. Die Ausgaben für die Leistung
sind ungewöhnlich hoch, die Senatorin hat vorhin schon darüber
gesprochen.
[Abg. Buwitt (CDU) meldet sich zu einer
Zwischenfrage.]
- Nein, ich muß das noch fertig schaffen. -
[Buwitt (CDU): Die
Investitionen müssen Sie
sowieso vornehmen, denn Sie sind vertraglich
dazu verpflichtet. Es ist also alles Quatsch,
was Sie erzählen!]
Also: Der Präsident dieser Wissenschaftsrepublik sozusagen
verdient etwa soviel wie der Regierende Bürgermeister einer
Zweimillionenstadt. Akademiemitglieder erhalten pro Anwesen
heitstag 1 000 DM, das macht im Jahr 20 000 DM, und Reise
kosten stehen insgesamt an - denn es ist eine Akademie,
die in starkem Maße aus reisenden Mitgliedern besteht - von
812 000 DM. Der Bedarf von insgesamt 11 Millionen DM wird
zu 9 Millionen DM aus dem Berliner Haushalt gedeckt, und davon
ist nur die Hälfte für die Wissenschaft selbst.
Das Fazit meiner Fraktion vor zwei Jahren war, das Grün
dungsgesetz abzulehnen, und das nach gründlicher Debatte. In
zwei Jahren ihres Bestehens konnte die Akademie in einigen
Punkten zwar nachbessern. Sie berief einige nicht in das vorhe
rige Spektrum sich so einsortierende Menschen, und es waren
immerhin sage und schreibe drei Frauen von 31 Mitgliedern zu
verzeichnen. Es hat ein Dialogbemühen gegeben - zu dem Zeit
punkt, als der Akademie der Wissenschaften die Auflösung (C)
drohte -, vor allem mit den anderen Wissenschaftsinstitutionen,
und es wurde dabei auch ein ehrgeiziges Projektprogramm vor
gestellt. Aber der hierarchische Aufbau ist unverändert geblie
ben, die Ziele sind weiterhin diffus
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Bloß Sie sehen durch!]
und die Finanzbelastung des Berliner Wissenschaftshaushalts
nach wie vor unverantwortlich.
Das Parlament hat nicht über die Qualität der Forschung oder
ihrer Ergebnisse zu befinden.
[Zuruf von rechts: Geht ja gar nicht!]
Das ist und bleibt Sache des wissenschaftlichen Diskurses.
Sehr wohl können wir aber diskutieren, welche Einrichtungen wir
uns leisten können und was wir tun müssen, um einen demokra
tisch strukturierten Wissenschaftsprozeß zu stärken. Die SPD-
Fraktion sagt nicht nein zur Wissenschaft. Sie bejaht die Freiheit
der Wissenschaft, hat darin auch ihre eigene Geschichte. Sie
sagt nicht nein zur fächerübergreifenden Forschung - da haben
Sie ein durchaus schlechtes Beispiel geboten, indem Sie die
Zentralinstitute an den Universitäten in eine unsichere Zukunft
entließen. Die SPD fordert und fördert internationale wissen
schaftliche Kommunikation - denken Sie an die Universitäten
und an das Wissenschaftskolleg, denken Sie an die Dahlem-
Konferenzen, die einfach - mir nichts dir nichts - der Akademie
einverleibt werden sollten. Die SPD fordert und fördert auch wis
senschaftliche Forschung in sozialer und ethischer Verantwor
tung - denken Sie an die Universitäten ebenso wie an das Bei
spiel Wissenschaftszentrum Berlin und an die Max-Planck-Insti-
tute. Bei insgesamt begrenzten Mitteln setzen wir aber lieber auf
bewährte und in ihrer Konstruktion durchdachte wissenschaftli
che Einrichtungen. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip der öffent
lichen Haushalte verpflichtet auch uns, dies zu tun.
Zwei Nachträge zur Anfrage der CDU habe ich noch: (D)
1. Die Sprache Ihrer Anfrage ist vollmundig und ihr Stil pole
misch. Einige Begriffe aus dem „Wörterbuch des Unmenschen"
tauchen auf wie „Vernichtung“, „rot-grünes Gedankengut“ - ich
möchte mal wissen, was das ist -, „Ausschalten“,
[Buwitt (CDU): Ihr Gedankengut ist das!
Ist doch ganz einfach! - Wir helfen Ihnen gerne
weiter!]
und sie ist nicht an Inhalten, sondern an einzelnen Personen ori
entiert.
2. spielen Sie nicht nur unterschwellig, sondern ganz offen an
an die NS-Zeit, indem Parallelen zwischen NS-Wissenschafts-
politik und unserer Politik angedeutet werden. Dies ist nicht nur
in der Sache falsch, sondern auch nach wie vor skandalös, und
für meine Fraktion weise ich dies entschieden zurück.
[Beifall bei der SPD und der AL -
Buwitt (CDU): Somüssen Sie reden! Da kriegen
Sie Beifall von Ihrer
Fraktion! - Kem (SPD); Die Null-Lösung
spricht wieder!]
Ich denke dabei auch an die Fragen, die im Zusammenhang mit
früherer konservativer Berufungspolitik aufgeworfen worden
sind; daß ein Großteil der Emigranten einfach nicht wieder beru
fen wurde, die Deutschland verlassen mußten. Das lag auch dar
an, daß sie nicht berufen werden sollten, hingegen aber andere
wieder sehr wohl in diesen Wissenschaftsapparat eingegliedert
wurden. Ich bitte Sie, da bei Ingo Müller: „Furchtbare Juristen“
nachzulesen.
Ich komme zum Fazit: Die Gründe, die gegen die Gründung
dieser Akademie der Wissenschaften sprechen, sind in ihrer
Mehrheit nicht entkräftet. Eine solide und freiheitliche Wissen
schaftspolitik muß in Berlin Bestandspflege betreiben und inno
vativ zur Verzahnung und Koordination der bestehenden Organi
sationen beitragen, um knappe Ressourcen sinnvoll und verant
wortlich zu nutzen. Wir sind deshalb für die Auflösung der Aka
demie der Wissenschaften und für die gesicherte Fortführung