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Volume Nr. 8, 1. Juni 1989

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989, 11. Wahlperiode, 1.-16. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
8. Sitzung vom 1. Juni 1989 
269 
(A) Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Ich rufe jetzt auf die 
fünfte Mündliche Anfrage der Abgeordneten Kollotschek über 
Stundentafelkürzung 
Bitte schön! 
Frau Kollotschek (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen 
und Herren! Ich frage den Senat: 
1. Trifft es zu, daß der Senat beabsichtigt, zum kommenden 
Schuljahr die Stundentafel in den Klassen 3 und 4 der Grund 
schulen beim vorfachlichen Unterricht um jeweils eine Stunde zu 
kürzen, um damit obskure pädagogische Experimente zu finan 
zieren? 
2. Kann es der Senat verantworten, die pädagogische Situa 
tion für die meisten Berliner Grundschüler zu verschlechtern, 
oder welche Ausgleichsmaßnahmen sind dafür geplant? 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier; Zur Beantwortung hat 
Frau Senatorin Volkholz das Wort. 
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und 
Sport: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beant 
worte die Anfrage wie folgt: 
Zu Punkt 1: Nach den Richtlinien für die Organisation der Ber 
liner Schule für das Schuljahr 1989/1990 ist unter anderem 
beabsichtigt, in Klasse 3 und 4 der Grundschule die Stunden 
tafel im vorfachlichen Unterricht um jeweils eine Stunde zu kür 
zen. Die dadurch freiwerdenden 47 Lehrerstellen sind vorgese 
hen für pädagogische Verbesserungen und für die Weiterent 
wicklung im Bereich der gemeinsamen Erziehung behinderter 
und nichtbehinderten Kinder, ferner für die zweisprachliche 
Alphabetisierung sowie für den Ausgleich standortspezifischer 
Nachteile asbestbelasteter Schulen. 
Ich finde es mehr als befremdlich, wenn die Integration 
behinderter Kinder wie die Ausweitung der gemeinsamen 
Erziehung ebenso wie auch das Lesen- und Schreibenlernen 
ausländischer Kinder in ihrer Muttersprache als „obskure päd 
agogische Experimente“ bezeichnet werden. 
[Beifall bei der SPD] 
Zur zweiten Frage: Durch die geplante Maßnahme tritt nach 
Auffassung des Senats keine Verschlechterung ein, weil durch 
integrative Maßnahmen für Behinderte und durch die Ausdeh 
nung der zweisprachlichen Alphabetisierung die pädagogische 
Situation in einer Vielzahl von Grundschulen deutlich verbessert 
wird. Generelle Ausgleichsmaßnahmen für die 3. und 4. Klasse 
sind dementsprechend nicht vorgesehen. Im übrigen bleiben die 
beabsichtigten Kürzungen bei weitem hinter der vom vorigen 
Senat im Zusammenhang mit der Arbeitszeitverkürzung der 
Lehrer geplanten Kürzung der Stundentafel zurück, zu der von 
der damaligen CDU-Fraktion keine entsprechenden Befürchtun 
gen zu hören waren. 
[Beifall bei der SPD] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Zur ersten Zusatzfrage 
hat die Fragestellerin das Wort. 
Frau Kollotschek (CDU): Frau Senatorin! Ist Ihnen in 
diesem Zusammenhang die Auffassung der GEW, deren stell 
vertretende Vorsitzende Sie damals waren, bekannt, daß die Kür 
zung des vorfachlichen Unterrichts bei unveränderten Rahmen 
plänen zu einer Arbeitsverdichtung bei den Grundschülern führt 
und die ca. 80 Unterrichtsstunden pro Schuljahr, die dadurch 
wegfallen, den Leistungsdruck an der Grundschule erhöhen? 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Frau Volkholz! 
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und 
Sport: Ich leide nicht unter einem derartigen Verlust des 
Gedächtnisses, daß mir diese Argumentation nicht mehr in (C) 
Erinnerung wäre. 
Die damalige Argumentation hatte zwei Positionen als Aus 
gangspunkt, einmal, daß eine pädagogische Maßnahme wie die 
Kürzung der Stundentafel mit der Arbeitszeitverkürzung von 
Lehrkräften nichts zu tun hat. Ferner: Sie erfordert eine aus 
schließlich pädagogische Begründung. Diese habe ich eben zu 
geben versucht. Außerdem ist es richtig, daß diese Befürchtun 
gen damals auch von mir geäußert worden sind, daß nämlich 
ohne eine Veränderung von Rahmenplänen dies zu einer Lei 
stungsverdichtung führen müßte. Demzufolge habe ich die ent 
sprechenden Konsequenzen gezogen. Der zuständige Schulauf 
sichtsbeamte hat bereits ein Rundschreiben in Arbeit, das eine 
Veränderung, eine Öffnungsklausel für die Rahmenpläne vorse 
hen wird. Ferner ist beabsichtigt, die Anzahl der schriftlichen 
Arbeiten in den 3. und 4. Klassen natürlich entsprechend zu 
reduzieren. 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Eine weitere Zusatz 
frage - Frau Kollotschek! 
Frau Kollotschek (CDU): Wie versteht die Senatorin in 
diesem Zusammenhang ihre Forderung nach mehr Demokrati 
sierung in der Schule, wenn die Betroffenen vor Ort überhaupt 
nicht gehört wurden, und teilt sie die Auffassung des heutigen 
Staatssekretärs und damaligen Abgeordneten Kuhn, daß sich 
Schüler und Lehrer, auch Eltern, mit Recht gegen willkürliche 
Stundenplankürzung ohne weiterführendes pädagogisches Kon 
zept zur Wehr setzen dürfen? 
[Beifall bei der CDU] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Zur Beantwortung - 
Frau Volkholz! 
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und 
Sport: Das Organisationsrundschreiben, in dem diese Maß 
nahme beabsichtigt ist, hat dem Landesschulbeirat Vorgelegen, 
in dem, auch Ihnen sicherlich bekannt, Lehrer und Lehrerinnen 
sowie Eltern und Schüler vertreten sind. Der Landesschulbeirat 
hat diesem Entwurf zugestimmt. 
[Beifall bei der SPD] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Die nächste Zusatzfrage 
wird durch die Kollegin Schneider gestellt. 
Frau Schneider (SPD): Frau Senatorin! Wissen Sie, wie wir 
den Eltern behinderter Kinder, die verzweifelt nach einem Platz in 
der wohnortnahen Schule oder nach einem Platz in einer Integra 
tionsklasse suchen, erklären können, daß die CDU diese 
Beschulung als „obskure pädagogische Experimente“ bezeich 
net? 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Frau Senatorin! 
Frau Voikholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und 
Sport: Nein, ich weiß das auch nicht. Deswegen würde ich diese 
Eltern mit ihren Fragen an diejenigen weiterverweisen, die diese 
Formulierung wählen. 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Nächste Zusatzfrage - 
Kollege Dr. Franz! 
Dr. Franz (CDU): Frau Senatorin! Ich frage Sie; Warum wol 
len Sie denn die von Ihnen vorgesehene schleichende Zerschla 
gung des funktionierenden Berliner Sonderschulsystems für 
Behinderte noch mit Stundentafelkürzungen finanzieren? 
[Zurufe von der SPD und der AL]
	        
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