Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
1. Sitzung vom 2. März 1989
Dr. Köppl
muß man sich damit auseinandersetzen, was unsere Ziele sind
und wo unser gesellschaftliches Engagement liegt.
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Fragen Sie mal
Herrn Croissant!]
Ich sage Ihnen, Herr Diepgen: Wir haben in den letzten acht
Jahren, seitdem wir hier im Landesparlament sind, damit ausei
nandergesetzt, wo wir Probleme auf die Tagesordnung bringen,
die in der Gesellschaft schon längst erkannt, aber hier im Parla
ment ignoriert worden waren. Wir haben Ihnen die ökologischen
Probleme, die sichtbar waren, hier vorgetragen und nahezubrin
gen versucht, daß es Änderungsnotwendigkeiten gibt, die das
gesamte Parlament bis dahin nicht gesehen hatte.
[Zuruf des Abg. Buwitt (CDU)]
- Schonen Sie Ihre Nerven hier vorn, Sie brauchen sie noch vier
Jahre lang!
[Beifall bei der AL und der SPD]
Wir haben an den brennendsten Fragen der Verkehrspolitik, der
Sozialpolitik, der ökologischen Zerstörung, der Vergiftungspolitik
der Berliner Industrie versucht, Ihnen Lösungskonzeptionen vor
zutragen und sogar mit Ihnen gemeinsam nach Lösungen
gesucht.
[Zurufe von der CDU]
Das ist unsere linke und fortschrittliche Politik in dieser
Gesellschaft
[Fortgesetzte Zurufe von der CDU]
- Mein Gott, was ist nur mit Ihnen los! Verkraften Sie doch erst
einmal Ihre Wahlniederlage und hören Sie sich das geduldig an!
Vielleicht können Sie etwas lernen.
[Beifall bei der AL und der SPD -
Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Werden Sie jetzt bloß
nicht zu radikal!]
Auf diese linke und fortschrittliche Politik sind wir stolz, das
muß ich Ihnen sagen. Diese Politik hat auch an Einfluß gewon
nen. Wenn man daran denkt, daß die Sozialdemokraten vor acht
Jahren noch eine Betonpartei und in den angesprochenen Punk
ten mit unsere schärfsten inhaltlichen Gegner waren, so sind wir
der Meinung, daß unser Einfluß dazu geführt hat, daß wir heute
berechtigterweise mit ihnen über eine gemeinsame Regie
rungspolitik verhandeln können. Wie Sie alle wissen, wurden
die Einflüsse, die von uns und den Bürgerinitiativen ausgegan
gen sind, von der SPD produktiv aufgenommen. Diesen Lernpro
zeß, meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hau
ses, haben Sie noch vor sich.
Die CDU war in diesen Punkten nicht lernfähig, und nach mei
ner Meinung ist das der Hauptgrund Ihrer Wahlniederlage.
[Zurufe von der CDU]
Sie haben auf die Zukunftsprobleme dieser Stadt keine adä
quate Antwort außer zu feiern oder zu prügeln. Das ist keine
Antwort. Bei Ihnen ist nichts als die Prügelorgie Ihres Innensena
tors und die Feierseite des Regierenden Bürgermeisters. So
kann man keine moderne Stadtpolitik machen.
[Beifall bei der AL und der SPD]
Noch ein kurzes Wort - damit ich meine Zeit nicht überziehe
- zu den Republikanern. Die Republikaner sind eine gewählte
Partei. Wir werden sie in allen Gremien akzeptieren; sie haben
ihren Sitz in den Ausschüssen. Wir werden mit ihnen eine
genaue Auseinandersetzung über ihr Programm und ihre Politik
führen. Ausländerfeindlichkeit ist zwar in der deutschen Bevöl
kerung gegenwärtig populär, aber Ausländerfeindlichkeit ist kein
Programm für eine Stadtpolitik und nicht tragfähig für vier Jahre
inhaltlicher Auseinandersetzung. Wenn es gelingt, diese Partei
in die inhaltliche Auseinandersetzung über Frauenfragen, ökolo
gische Fragen, soziale Fragen, Baupolitik usw.
[Dr. Wruck (CDU): Die Aussiedler sparen Sie aus?]
einzubeziehen, werden wir feststellen, welche Substanz diese
Partei hat. Meine Fraktionsvorsitzende hat heute klipp und klar
erklärt: Wenn sie vernünftige Anworten auf die Fragen liefern, die (C)
wir aufgeworfen haben, dann werden sie weiter ihre Möglichkeit
haben, hier im Parlament ihre Politik zu vertreten.
[Landowsky (CDU): Danke!]
[Landowsky (CDU): Dann schmeißen Sie uns raus!]
wenn die Republikaner nur auf dümmlichen Populismus machen
und gestärkt durch den ebenso vorhandenen rechtspopulisti
schen Flügel der CDU mit Lummer ihren Rückenwind erhalten,
sieht die Politik allerdings anders aus.
[Landowsky (CDU): Dann schmeißen Sie uns raus!]
Aber ich hoffe, wir führen die inhaltliche Auseinandersetzung
so, daß wir die männerbündlerische Ebene dieses REP-Vereins
nachweisen können. - Danke schön!
[Beifall bei der AL und der SPD]
Präsident Wohlrabe: Weitere Wortmeldungen liegen mir
nicht vor. Ich schließe damit die Aktuelle Stunde.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 8:
Wahl der Mitglieder zur Bundesversammlung
Ich bitte, hier sehr genau zuzuhören, denn wir wollen keinen Feh
ler machen. Es kommt auch nur alle fünf Jahre vor. Die Fraktionen
haben sich darauf verständigt, die auf das Land Berlin entfallen
den 16 Mitglieder zur Bundesversammlung nach Vorschlags
listen zu wählen. Die vier Vorschlagslisten liegen Ihnen vor. Gibt
es zu den Vorschlagslisten Wortmeldungen? - Das ist nicht der (p)
Fall.
Zur Wahl der Mitglieder der Bundesversammlung möchte ich
auf folgendes hinweisen: Die Sitzverteilung der 16 Bewerber
richtet sich nach den für die einzelnen Listen abgegebenen Stim
men. Das Ergebnis wird nach dem d’Hondtschen Höchstzahl
verfahren ermittelt. Sofern sich gleiche Höchstzahlen ergeben,
muß ein Losentscheid herbeigeführt werden. Die Stimmzettel,
auf denen die vier Vorschlagslisten aufgeführt sind, werden
Ihnen nach Namensaufruf hier vorn ausgehändigt. Es ist nur eine
Liste anzukreuzen. Die Stimmzettel sind dann - mit oder ohne
Umschlag, darüber reden wir gleich - in den Zettelkasten zu
werfen. Ein leerer Stimmzettel, auf dem also keine Liste ange
kreuzt ist, zählt als Stimmenthaltung. Anders gekennzeichnete
Stimmzettel, auch solche, auf denen das Wort „nein“ steht, wer
den als ungültige Stimmen bewertet. Stimmzettel mit zusätz
lichen Vermerken werden ebenfalls als ungültig angesehen.
Darf ich fragen; Mit oder ohne Umschlag? - Wir hatten ur
sprünglich verabredet: ohne Umschlag. Wollen wir dabei blei
ben?
[Zurufe: Ja!]
- Gut, dann verfahren wir so. Das geht auch schneller. Ich bitte
nunmehr die verehrten Kollegen Beisitzer mitzuhelfen, die
Stimmzettel vorn einzusammeln. Kollege Vetter möge doch bitte
mit seiner guten Stimme die Namen aufrufen. Die Kollegen Frau
Müller und Führer bitte ich, zur Ausgabe der Stimmzettel vor den
Stenographenplätzen Aufstellung zu nehmen. Herr Kollege
Bayer möge bitte an der Wahlurne Aufstellung nehmen. Herr
Kollege Vetter, wir können mit dem Aufruf der Namen beginnen.
[Aufruf der Namen und Abgabe der Wahlzettel]
Ich darf nunmehr feststellen, daß alle Namen aufgerufen wur
den. Jetzt ist das Wahlergebnis unter Hinzuziehung der Beisitzer
festzustellen. Ich unterbreche daher die Sitzung für einen
Moment.
[Auszählung]
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich bitte, Platz zu nehmen.
Wenn sie das nicht können,