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Volume Nr. 4, 27. April 1989

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1989, 11. Wahlperiode, 1.-16. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
4. Sitzung vom 27. April 1989 
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(A) Wohnungsvorhaben, die mit Hilfe von Generalübernehmern 
abgewickelt werden sollen, werden künftig nicht mehr 
öffentlich gefördert. Ab sofort werden öffentliche Woh 
nungsbaugrundstücke ausschließlich an städtische und 
gemeinnützige Gesellschaften, Genossenschaften und 
kommunale Bauträger vergeben. Der Senat strebt im Rah 
men einer bundesweiten Mietrechtsreform in Berlin eine 
neue Form der Mietpreisbindung an, die eine dauerhafte 
und wirksame Mietbegrenzung sichert. 
6. Ziele der Wirtschaftspolitik des Senats sind der Abbau der 
Arbeitslosigkeit, die Stärkung der Leistungsfähigkeit der 
Wirtschaft, die Förderung einer umweit- und zukunftsge 
rechten Produktionsweise, die ökologische Erneuerung und 
die Nutzung aller Chancen für eine verstärkte Kooperation 
zwischen West und Ost. Mit dem umfangreichen Programm 
„Arbeit und ökologischer Stadtumbau“ wird mehr Beschäfti 
gung geschaffen werden und die Stadt umweltgerecht 
erneuert. Es wird eine Sonderkommission „Arbeitsplätze für 
Berlin“ unter Leitung des Regierenden Bürgermeisters 
gebildet. Alle öffentlich geförderten Arbeitsmarktpro 
gramme sollen in ein mittelfristig angelegtes Konzept inte 
griert werden. Die Anstrengungen im Bereich der Qualifizie 
rung und der Weiterbildung werden verstärkt. 
Der Senat wird die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes 
Berlin durch berechenbare und stabile Rahmenbedingun 
gen fördern. Zu Beginn der 90er Jahre werden nach einer 
Effizienzanalyse der Berlin-Förderung Korrekturvorschläge 
für das jetzige Fördersystem vorgelegt werden, mit denen 
— eine stärkere Ausrichtung aller Fördermaßnahmen auf 
eine zukunftsträchtige Wirtschaftsstruktur; 
— der Ersatz umweltproblematischer Formen von Produk 
tion und Konsum durch umweltverträgliche; 
— eine stärkere Förderung technischer Innovationen für 
umweltverträglichere Produkte und Produktionsverfah 
ren und 
(B) — die Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze 
ermöglicht werden soll. 
Der Senat wird ein europapolitisches Arbeitsprogramm ent 
wickeln, das unter anderem die Berliner Wirtschaft auf den 
Europäischen Binnenmarkt 1992/93 vorbereiten hilft und 
die Außenvertretung und -darstellung des Wirtschafts 
standortes Berlin verstärkt. 
7. Der Senat wird die Verwaltung entsprechend den Vorschlä 
gen der Enquete-Kommission „Verwaltungsreform“ ein 
schließlich ihrer Minderheitsvoten bürgerfreundlicher und 
unbürokratischer gestalten. Bevormundung wird zurückge 
drängt. Verwaltungshandeln ist Kundendienst für die Bürge 
rinnen und Bürger. Ein grundsätzliches Akteneinsichtsrecht 
wird eingeführt. 
8. Ziel des Senats ist, die Ursachen von Gewalt zu bekämpfen 
und gesellschaftliche Konflikte politisch zu lösen. Gewalt 
produzierende soziale Verhältnisse und Strukturen werden 
zurückgedrängt. Die Polizei hat auch in schwierigen Situa 
tionen die Bürger besonnen, diszipliniert und ohne Über 
griffe zu schützen; dies gilt auch, wenn Bürgerinnen und 
Bürger ihr Grundrecht auf Demonstrations- und Versamm 
lungsfreiheit wahrnehmen. 
Sicherheit ist für jeden Bürger ein hohes Gut. Bei Straftaten 
muß die Polizei das rechtsstaatlich Gebotene tun. Sie hat 
ihr Augenmerk besonders auf Rechtsbrecher zu richten, die 
sich kriminell bereichern und der Allgemeinheit schweren 
Schaden zufügen und vielfach auch die Politik zu kaufen ver 
suchen. 
Die schwerwiegenden Fehlentwicklungen beim Verfas 
sungsschutz werden offengelegt und beseitigt, die Struktu 
ren des Verfassungsschutzes gründlich reformiert. 
Durch eine gesetzliche Neuregelung soll der Umfang der 
Datenerhebung reduziert und den Bürgerinnen und Bürgern 
ein grundsätzliches Auskunftsrecht über ihre Daten gewährt 
werden. 
9. Grundlage der Ausländerpolitik ist die Solidarität mit den (C) 
hier lebenden Ausländern/innen und das Bekenntnis zu 
einer multikulturellen Gesellschaft ohne Zwang zur Assimi 
lation. Der Senat wird sich jeder Form von Ausländerfeind 
lichkeit widersetzen. Länger in Berlin lebende Ausländer/ 
innen erhalten das kommunale Wahlrecht. Familiennachzug 
und Rückkehroption werden erleichtert. 
Die Lebensbedingungen der Flüchtlinge werden verbes 
sert. Flüchtlinge, die seit fünf Jahren hier leben, erhalten eine 
Aufenthaltserlaubnis. Bei negativem Abschluß des Asylver 
fahrens sind die Betroffenen zur Ausreise verpflichtet. Das 
gilt nicht, wenn Leben oder Freiheit bei Abschiebung in das 
Herkunftsland bedroht sind oder sonst ein Fall unzumut 
barer Härte vorliegt. 
10. Schwerpunkte der Rechtspolitik des Senats werden sein: 
Die Errichtung eines Verfassungsgerichts in Berlin, die Neu 
orientierung der Kriminalpolitik und die Wiederaufnahme 
der Justizvollzugsreform. 
Der Senat wird Gespräche mit den Drei Mächten mit dem 
Ziel aufnehmen, das alliierte Recht zu bereinigen, zu 
beschränken und an eine fortschrittliche Rechtsentwicklüng 
anzupassen. 
11. Eine Gesellschaft, die Frauen immer noch in allen Lebens 
bereichen benachteiligt, wird ihren demokratischen Ansprü 
chen nicht gerecht. Der Senat sieht in der Schaffung einer 
rechtlichen Grundlage zum Abbau von Diskriminierungen 
und zur Verwirklichung der Gleichberechtigung einen 
wesentlichen Schritt zur Verbesserung der Situation von 
Frauen in Berlin. Ein Gesetz zur Aufhebung von Diskriminie 
rungen und zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von 
Frauen soll eine Quotierung bei der Vergabe von Ausbil 
dungsplätzen, bei Einstellung, Beförderung und Teilnahme 
an beruflichen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im 
öffentlichen Dienst und in Eigenbetrieben sicherstellen und 
eine aktive Frauenförderungspolitik gewährleisten. 
12. Wissenschaft und Forschung schaffen wichtige Grundla- (D) 
gen für die Zukunftsentwicklung Berlins. Die Autonomie der 
Hochschulen gegenüber dem Staat wird gestärkt. Die Ent 
scheidungsprozesse in den Hochschulen werden demokra 
tisiert. Zur Herstellung besserer Lehr- und Lernbedingun 
gen werden den Hochschulen zusätzliche Mittel zur Verfü 
gung gestellt. Frauenforschung wird gefördert. Natur-, Gei 
stes-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften müssen interdis 
ziplinär Zusammenarbeiten. Bei der Forschungsförderung 
auf Landesebene müssen soziale und ökologische Frage 
stellungen stärker berücksichtigt werden. 
13. Entbürokratisierung und Demokratisierung sowie Auswei 
tung und Stärkung reformpädagogischer Ansätze sind die 
Ziele der Schulpolitik. Ein Schulentwicklungsplan wird erar 
beitet. Die Arbeitszeitverkürzung für Lehrer und Lehrerinnen 
wird zum Schuljahresbeginn 1989/90 realisiert und 
beschäftigungswirksam umgesetzt. Dem Auftreten von ras 
sistischen und rechtsextremistischen Gruppen in Schulen 
soll durch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Zie 
len solcher Gruppen und den Reaktionen von Schüler/innen 
entgegengetreten werden. 
14. Die Rahmenbedingungen für den Breiten- und Freizeitsport 
werden verbessert. Das Sportförderungsgesetz wird ent 
sprechend novelliert. 
15. Berlin ist ein europäisches Kulturzentrum, das sich durch 
ein einzigartiges Spannungsverhältnis zwischen den ver 
schiedenen Kulturszenen und Kunstsparten auszeichnet. 
Die Kulturpolitik wird Kooperation und Erfahrungsaustausch 
fördern und damit die kulturelle Lebendigkeit der Stadt stei 
gern. Deshalb werden neben vorhandenen Kultureinrichtun 
gen verstärkt freie Kulturinitiativen und Künstler unterstützt. 
Geschichte und Lage Berlins verpflichten die Stadt, die kul 
turelle Tradition der europäischen Mitte zu beleben und 
über Grenzen hinweg künstlerische Begegnung und kultu 
rellen Austausch zu fördern. Besondere Aufgabe ist es 
auch, Menschen durch den Umgang und die Auseinander 
setzung mit Kunst und Kultur zu befähigen, Selbstbestim-
	        
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