Path:
Volume Nr. 91, 19. Januar 1989

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1988/89, 10. Wahlperiode, Band VI, 82.-92. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
91. Sitzung vom 19. Januar 1989 
Wieland 
(A) darüber Vermerke geschrieben, und den, der sie Ihnen 
besorgt hat, in keiner Weise davon abgehalten, in keiner 
Weise zurückgehalten, ihm auch nicht in höflichster, in ent 
ferntester Form zu verstehen gegeben, er solle das unterlas 
sen, er solle nicht mehr zu Pätzold gehen. Nichts dergleichen 
ist geschehen. Sie haben hier gehandelt durch Unterlassen, 
HerrSenator! Von dieser Verantwortung kommen Sie nicht los. 
Wir müssen heute als Ceterum censeo, auch wenn es das 
fünfte, sechste oder siebente Mal ist, wieder Ihren Rücktritt 
fordern. 
[Beifall bei der AL - 
vereinzelter Beifall bei der SPD] 
Es macht die Sache auch nicht besser, daß Sie zusammen 
mit Dr. Wagner und dem Staatssekretär Müllenbrock, diesem 
Einschleuser oder Schleusenwärter für V-Leute, in einem 
Verband der Versager gesegelt sind, daß Sie gemeinsam 
sozusagen eine Troika der Nieten gebildet haben. Das macht 
die Sache nicht besser, das macht die Sache schlimmer. Das 
kann Sie nicht retten. 
Dr. Wagner, der hier immer von allen, auch von Ihnen, 
beschrieben wurde, als langgedientester Chef eines Landes 
amtes, als penibler schwäbischer Beamter, gab ein Bild ab, 
das vollständig unnachvollziehbar ist. Er gab das Bild ab eines 
dummen Schuljungen, der vom Senator gefragt wird: Was ist 
denn an einem Vorgang dran? -, der genauestens informiert 
ist über diesen Vorgang, deram Vortrag noch einen Vermerk 
abgezeichnet hat, in dem ihm minuziös alles geschildert wird, 
der sich hinstellt, mit den Schultern zuckt und sagt: Ja, ich 
werde das prüfen! - Was ist das für ein Bild eines Spitzenbe 
amten? Was ist das für ein Bild eines treuewidrigen Verhaltens 
gegenüber dem Senator? Und - die SPD hat das schon 
ausgeführt - es ist nicht zu fassen: Nichts ist daraufhin 
(B) geschehen. Er hat sich im Ausschuß - es wurde so definiert - 
als Offiziersopfer angeboten. Die Alternative Liste ist so frei zu 
sagen: Dieses Offiziersopfer sollte sofort angenommen wer 
den. Dieser Beamte muß sofort in den Ruhestand versetzt 
werden. 
[Beifall bei der AL - 
vereinzelter Beifall bei der SPD] 
Wir wissen noch, wie disziplinarisch Frau Bürgermeisterin 
mit den Friedenslehrern umgegangen ist. Wir haben nicht 
vergessen, was mit dem Polizeibeamten Bruder geschehen 
ist, der es sich erlaubt hatte, an einer Hausbesetzer-Demon 
stration teilzunehmen. Und wir wissen, daß dieser Senator 
seinen Parteifreund Eggert Schwan aus dem Amt drängen 
wollte, nur weil dieser seine Meinung zum Datenschutz 
geäußert hatte. Hier wird eindeutig mit zweierlei Maß gemes 
sen. Hier wird eindeutig an einem Beamten festgehalten, den 
wir von Anfang an für eine Fehlbesetzung hielten, überden wir 
wiederholt sagen mußten, daß man hier den Bock zum Gärtner 
auf dem Mistbeet des Berliner Verfassungsschutzes gemacht 
hat. Ihn hat offenbar das Tollhaus in der Clayallee vollständig 
geschafft. Diese Mischung-die Senator Kewenig bestreitet- 
aus Irrenhaus, Kindergarten, Vorposten des kalten Krieges 
und nicht zuletzt aus High-Tech-Tscheka, diese Behörde hat 
ihn offenbar restlos geschafft. 
Der zweite, der hier beteiligt war bzw. sehr wenig beteiligt 
war nach eigenen Angaben, ist Staatssekretär Müllenbrock. 
Er vertrat als Zeuge vor dem Ausschuß das Prinzip, daß nicht 
sein kann, was nicht sein darf. Man hatte eine Weisung 
gegeben; also konnte es gar nicht sein, also mußte Pätzold ein 
Querulantsein, den kannte man sowieso, den nahm man nicht 
ernst. Da ging man gar nicht hin, nachzuprüfen, ob das 
vielleicht in Ansätzen stimmen könnte. Auf die Idee kam er gar 
nicht. Er ist an sich das, was man den klassischen Juristen 
nennt, der nach dem Motto vorgeht: Quod non est in actis, non 
est in mundo - was nicht im Papier steht, gibt es nicht in der 
Welt, ist nicht da -, aber er hat sich noch nicht einmal die Mühe 
gemacht, in die Akten zu gucken. Er hat nichts nachgeprüft, er 
hat nichts angefordert, er hat sich - nach seiner Aussage - in 
dieser Affäre wie ein Bürobote verhalten, bestenfallswie der 
Bürovorsteher des Herrn Senators. Dazu sagen wir: Er ist 
überbezahlt! 
[Beifall bei der AL - 
vereinzelter Beifall bei der SPD] 
Ein solcher Tiefststapler sollte Herrn Scholz nach Bonn folgen 
und sehen, ob dieser Tiefstflieger dort auch für ihn eine 
Verwendung hat. 
[Beifall bei der AL] 
Und nun zu dem im deutschen Sprachraum meistzitierten 
Verfassungsrechtler des vergangenen Jahres, zu Senator 
Kewenig. Er hatte in dieser Zeit wieder einmal Grundlegendes 
vergessen, nämlich daß die Staatsgewalt vom Volk auszuge 
hen hat und daß in einer parlamentarischen Demokratie die 
Parlamentarier die Exekutive kontrollieren. Auch er hielt 
schlicht für absurd, was ihm von Erich Pätzold vorgetragen 
wurde. Mit der ihm eigenen unnachahmlichen Arroganz hielt 
er es nicht für nötig, es selbst einmal nachzuprüfen. Er sprach 
- man kann es sich förmlich von der Mimik her vorstellen - Dr. 
Wagner darauf an und sagte: Sehen Sie sich mal an, was mir 
Pätzold hier wieder erzählt. - Mehr zu tun, hielt er nicht für 
nötig. Dem Parlament, der Opposition und der Öffentlichkeit 
gegenüber hat er alles aktiv vertuscht. Er ist wiederholt auf 
den Steinewerfer angesprochen worden. Er wußte seit dem 4. 
Oktober, was es mit dem Steinewerfer auf sich hatte. Er hat 
nichts, aber auch gar nichts an Konsequenzen gezogen. Er 
hat, als hier in einer Mündlichen Anfrage am 27. Oktober nach 
einem steinewerfenden Polizisten gefragt wurde, sich gera 
dezu ins Fäustchen gelacht, daß er die Parlamentarier in die 
Irre führen und desinformieren kann und daß die dumme 
Opposition nach einer anderen Bezeichnung bei dem gleichen 
Mann fragt. Er hat noch nach dem Krisensitzungswochenende 
am 27. November einen Tag später im Innenausschuß zur 
Desinformation ein Tonband mit einem Telschow-Interview 
abgespielt und verteilt, in dem dieser Telschow klipp und klar 
bestreitet, mit dem Verfassungsschutz überhaupt etwas zu tun 
zu haben. Wenn es der „taz“ nicht gelungen wäre, Telschow 
zum Reden zu bringen und mit ihm ein Interview zu führen, in 
dem er zugab, Verfassungsschutzmitarbeiter zu sein, wüßte 
niemand in dieser Stadt bis heute, ob er es nun ist oder nicht. 
Die Aufklärung durch die Exekutive, durch den Senator kam 
nicht. Sie mußte mit der Brechstange durchgesetzt und 
erkämpft werden. 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Abschließend fragt man sich bei dieser ganzen Affäre 
natürlich, wo eigentlich der Mann blieb, den diese Stadt 
angeblich braucht. Wir haben von ihm nichts gesehen. Sein 
Gebrauchswert in dieser Affäre ging gegen null. 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Aber das ist noch nicht alles. Er ließ es geschehen, daß 
dieser Ausschuß bis heute nur einen kleinen Teil dessen 
untersuchen konnte, was er eigentlich untersuchen wollte. 
Der Ausschuß kam mit der Bespitzelung der Abgeordneten 
und der Journalisten nicht weiter, weil vom Innensenator und 
vom Landesamt massiv gemauert wird, die Listen nicht 
übersandt werden, Aufstellungen nicht gemacht werden, trotz 
angeblich gebildeter Arbeitsgruppen und angeblich vorhan 
dener Überstunden und Urlaubssperre uns noch nicht einmal 
ein Teilergebnis gegeben wurde. Das hat der Regierende 
Bürgermeister zu verantworten. 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
5432
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.