Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
88. Sitzung vom 9. Dezember 1988
Wieland
(A) natürlich zurück bis in die fünfziger und sechziger Jahre. So
dumm sind die von der Koalition ja nun nicht, daß sie diese ange
botene Hilfsbrücke nicht benutzen würden und nicht genau dies
täten. Diese Gefahr hätten Sie sehen müssen und mit dem Text
des Untersuchungsauftrags ausschließen müssen.
Genau das gleiche ist, daß Ihr Antrag - und natürlich der
Antrag der Koalition - Formulierungen enthält, zum Beispiel bei
der Koalition: Wie wurden unerlaubte Erkenntnisse über Abge
ordnete gewonnen? Wie wurden unerlaubte Errenntnisse über
Journalisten gewonnen? - Bei Ihnen, Herr Kollege Lorenz, steht;
Wie wurden dem gesetzlichen Auftrag entsprechend Erkennt
nisse gewonnen ...
[Zuruf von der F.D.P.: Nicht dem gesetzlichen
Auftrag entsprechend!]
- Beides wird dazu führen, das sehe ich ganz genauso! „Uner
laubt“ und „nicht dem gesetzlichen Auftrag entsprechend“. Und
dann wird Dr. Wagner kommen und sagen: Wir gewinnen
keinerlei unerlaubte Erkenntnisse über Journalisten! Alles, was
wir tun, ist erlaubt. Wir agieren überhaupt nicht außerhalb des
Gesetzes. Alles was wir tun, entspricht unserem gesetzlichen
Auftrag.
Wie kann man den solch einen Schwachsinn in einen Unter
suchungsauftrag hineinschreiben? Wie kann man denn diese
Gefahren nicht sehen? Man hätte, ich habe es gestern schon
gesagt, formulieren müssen:
1. Welche Erkenntnisse hat das Landesamt gewonnen?
2. Wurden diese Erkenntnisse auf rechtlicher Grundlage ge
wonnen oder wurden die rechtlichen Schranken überschritten?
Aber doch nicht diese Kombination I Das ist doch geradezu das
Angebot, zu mauern und zu sagen; Wir haben alles ganz formal
richtig gewonnen! - Und Landowsky wird dann seinen Leuten
sagen, wo sie die Mauer errichten müssen. Er ist dann der
Libero.
® [Beifall bei der AL]
Es sind natürlich erkennbar hier Interessen im Spiel; die muß
man mal aussprechen. Die SPD hat das Interesse, die Machen
schaften der Koalition aufzuzeigen. Das ist politisch völlig
legitim, ist notwendig, ist auch im Interesse der Bürgerinnen und
Bürger dieser Stadt, denn die sind es ja, die die Bespähungs-
und Bespitzelungsobjekte dieses Geheimdienstes sind. Es geht
hier nicht nur um einen Parteienstreit, es geht vor allen Dingen
darum, das, was wir die „krakenhafte Durchdringung dieser Ge
sellschaft“ genannt haben, die Bespitzelung von allen Organisa
tionen und Menschen, die links von der CDU sind, abzustellen
als Folge dieses Untersuchungsauftrages. Das müßte das Ziel
dieses Auftrags sein. Ihr Ziel ist es - ich habe es gesagt -, her
auszubekommen, wer der Informant von Erich Pätzold ist. Das ist
Ihr einziges Ziel.
[Widerspruch bei der CDU]
Das legitime Interesse der SPD ist natürlich zu sagen: Die
CDU hat dieses Landesamt von uns übernommen und kalt
schnäuzig innerhalb kürzester Frist zu einem parteitaktischen
Mißbrauchinstrument entwickelt. - Das ist Ihr Interesse. Völlig
vorhersehbar und klar war, daß die Koalition jetzt kontert und
sagt; Dann wollen wir doch mal die Vorgänge untersuchen, die
zu SPD-Zeiten geschehen sind. - Und wir alle wissen doch, daß
zum Beispiel die Bespitzelung der AL schon begann bei ihrer
Gründung im Jahre 1978 unter dem Innensenator Ulrich; und wir
wissen natürlich auch, daß die Bespitzelung auch der „taz“ im
gleichen Jahr zur gleichen Zeit begann, auch unter einem SPD-
Innensenator. Und weil das bekannt ist, verstehen wir auch nicht,
warum Sie nun gerade die Frage der AL-Bespitzelung hier raus
halten wollen. Landowsky ist sofort darauf eingegangen und hat
gesagt: AL schenken wir euch auch! - in seiner großzügigen
Art. Er hat natürlich kein Interesse daran, denn wir wissen auch,
daß es Lummer war, der ins Landesamt gelaufen ist und gesagt
hat: Mich interessieren vor allen Dingen zwei Dinge, nämlich die
AL- und die „taz“-Berichte. Wir wissen auch, daß im Landesamt
der Spruch herumgeht: Mach' das gut, mach' das gründlich, das
ist die Lieblingslektüre unseres Senators. - Das wissen wir, und
weil es so war, haben Sie beide das Interesse, die AL rauszu- (C)
lassen. Aber das ist vordergründig, das ist durchschaubar, und
das ist vor allem - das muß ich auch mal sagen -, wenn Sie
immer von Minderheitenrechten hier reden, auch eine Verletzung
unseres Rechtes als politische Organisation, als politische
Partei, wenn Sie das so machen, meine Damen und Herren von
der Fraktion der SPD!
[Beifall bei der AL - Abg. Lorenz (SPD) meldet sich
zu einer Zwischenfrage.]
Präsident Rebsch: Herr Kollege Wieland, gestatten Sie eine
Zwischenfrage des Kollegen Lorenz?
Wieland (AL); Ja!
Präsident Rebsch: Bitte sehr, Herr Lorenz!
Lorenz (SPD); Es ist zwar nicht meine Aufgabe, die CDU zu
schützen, aber haben Sie nicht bemerkt, Herr Wieland, daß in
Punkt 1 des Antrages natürlich auch die Bespitzelung der AL
enthalten ist, wenn Sie ihn annehmen?
[Landowsky (CDU): Richtig! Deshalb haben wir ihn
gestellt!]
Wieland (AL); Kollege Lorenz, ich habe schon mal gesagt:
handwerklich sind diese beiden Anträge eine Katastrophe! In der
Bezugnahme auf den Momper-Brief ist natürlich alles drin - auch
der totale Mißbrauch. Die Mehrheit im Ausschuß kann sich
irgend etwas aus dem Momper-Brief herausgreifen. Wir wissen
doch genau, daß sie sich nicht die AL-Bespitzelung heraus
greifen werden, sondern sie werden sich das heraussuchen, was
für sie parteitaktisch am Geschicktesten ist. Das wissen wir /qx
doch! Wir wollten hier festgeschrieben haben - auch für die
Öffentlichkeit -, daß klar ist, daß die Bespitzelung und Aus
spähung der AL integraler Bestandteil dieses Untersuchungs
ausschusses ist, daß er sich daran messen lassen wird, welche
Ergebnisse er hier gebracht hat und welche Weichenstellung er
vorgenommen hat. Deswegen muß das drin sein, und deswegen
kann man das hier nicht hopplahopp einfach rausstreichen.
[Beifall bei der AL]
Wir möchten uns schließlich auch mal den Hinweis erlauben,
daß auch wir eine Partei sind, die sich in einem Wahlkampf befin
det und die nach wie vor davon ausgehen muß, daß ihre Räume
abgehört werden, daß ihre Post kontrolliert wird und daß ihre
Telefone kontrolliert werden, und die nach wie vor davon aus
gehen muß, daß diese Informationen, die dabei gewonnen wer
den, irgendwann bei Herrn Wienhold in der CDU-Landeszentrale
landen.
[Landowsky (CDU); Sie überschätzen uns!]
Deswegen wollen wir das noch abgestellt haben, selbstver
ständlich. - Wir überschätzen Herrn Wienhold nicht, aber wir
kennen die Wege, die das läuft. Wir wissen auch, woher die
Information bisher immer kam!
[Beifall bei der AL - Simon (CDU);
Wenn Sie alles wissen!]
Wir wollen das abgestellt haben. Es langt nicht, daß wir es
wissen, es muß als Untersuchungsergebnis in einem Unter
suchungsausschuß festgestellt werden, und dann müssen dar
aus politische Konsequenzen gezogen werden. Die Wählerinnen
und Wähler dieser Stadt müssen das auch noch vor dem
29.1. 89 wissen. Diese gesicherten Informationen müssen vor
handen sein! Es muß die Feststellung eines Untersuchungsaus
schusses seinl Darauf kommt es an! Es ist unglaublich, wie Sie
sich dem hier widersetzen und wie Sie dieses gerade raushaben
wollen.
[Beifall bei der AL - Simon (CDU):
Sie sagen es hier doch schon!]
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