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Volume Nr. 82, 20. Oktober 1988

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1988/89, 10. Wahlperiode, Band VI, 82.-92. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
82. Sitzung vom 20. Oktober 1988 
Wieland 
(A) Und hier ist ein Wort auch an die SPD zu richten: Nicht, daß 
ein Abwahlantrag, der vor zwei Wochen - weil von der AL ge 
stellt - noch taktisch falsch war, nun heute taktisch richtig ist; 
das sei mal dahingestellt! Auch nicht, daß die Forderung nach 
Auflösung der EbLT - von uns damals nach dem 1. Mai gestellt - 
damals nicht Ihre Zustimmung fand. Da ist jede Häme über 
einen Schulterschluß von SPD und AL fehl am Platz. Man muß 
vielmehr sagen: Wenn heute schon die SPD, die so gerne kon 
struktive Opposition macht, die so gerne den Regierungs 
parteien die Hand reicht, wenn die heute gezwungen ist, hier 
geradezu ein Feuerwerk an Anträgen einzubringen, dann muß es 
in der Tat schlimm aussehen in dieser Stadt; und es sieht 
schlimm aus in dieser Stadt. 
Aber wir erwarten, daß die SPD nicht nur gegen häßliche Ge 
walt und gegen häßliche Sprüche vorgeht - zu Recht vorgeht -, 
sondern daß sie ihren deutlichen Worten auch einmal deutliche 
Taten folgen läßt, sprich, daß auch sie endlich die Kennzeich 
nung der Berliner Polizeibeamten mit durchsetzt, daß auch sie 
die nach Ansicht aller, die sich auskennen, einzig greifende Maß 
nahme mit trägt, die es verhindert, daß auch in Zukunft so mit den 
Bürgerinnen und Bürgern, mit Demonstranten, mit Beteiligten 
und Unbeteiligten, nicht zuletzt mit Journalisten umgesprungen 
wird. Nur wenn Sie dies tun, sind Sie glaubwürdig, nur wenn Sie 
dies tun, hat tatsächlich ein Entwicklungsprozeß der SPD weg 
von der Partei des öffentlichen Dienstes und der Polizei hin zu 
einer Partei der Bürgerrechte stattgefunden. Auf diese Glaub 
würdigkeitsprobe warten wir noch! 
[Beifall bei der AL] 
Die EbLT - dieses Kürzel: Einsatzbereitschaft für besondere 
Lagen und einsatzbezogenes Training - ist nun wirklich in aller 
kürzester Zeit zur bundesweit verrufensten Polizeitruppe gewor 
den. Der SPD-Oppositionsführer Schöfberger nannte sie zu 
Recht einen paramilitärischen Trupp! Die EbLT hat spätestens 
nach ihrem Wackersdorf-Einsatz gezeigt, daß sie nichts anderes 
ist als eine materialisierte Rache für die so empfundene polizei- 
(B) liehe Niederlage des letztjährigen 1. Mai, daß sie das ausbügeln 
sollte, was damals die Polizeibeamten empfanden, nämlich eine 
schmähliche Niederlage. Nichts klappte, das Alarmsystem funk 
tionierte nicht, man traute sich nicht mehr, aus den Mannschafts 
wagen auszusteigen, Beamte bekamen Weinkrämpfe, 
[Dr. Krähe (CDU): Haben Sie ihn gesehen?] 
dies sollte ganz anders werden. Angeblich geht es um beweis 
kräftige Festnahmen; in Wirklichkeit geht es darum, daß diese 
Truppe, wo auch immer sie eingesetzt wurde, eine Blutspur 
gezogen hat, 
[Dr. Krähe (CDU): Ach du lieber Gott!] 
nicht Menschen festgenommen hat, sondern sie verprügelt hat, 
daß - einmalig in der Polizeigeschichte - diese Truppe sogar 
ihre eigenen Vorgesetzten am diesjährigen 1. Mai verprügelt hat 
und immer noch nicht ermittelt wurde, wer denn nun eigentlich 
die Täter dieses Verprügelns gewesen sind. Immer noch nicht, 
denn auch sie sind total vermummt, denn hier herrscht ein Korps 
geist, der es offenbar ausschließt, daß auch nur einer mal gegen 
den anderen die Wahrheit sagt, auch wenn er staatsanwalt- 
schaftlich vernommen wird; ein Korpsgeist, der dazu führt, daß 
von 19 in Wackersdorf anhängigen Ermittlungsverfahren gegen 
EbLT-Beamte 17 schon eingestellt wurden und die letzten 
beiden vermutlich demnächst eingestellt werden, weil ein Jour 
nalist der „Mittelbayerischen Zeitung“ bei Gegenüberstellung 
natürlich nicht in der Lage war, die zu identifizieren, die ihn da 
mißhandelt hatten. Das ist das Problem mit der EbLT. 
Kewenig sagt dazu: Unsere Polizei ist vorzüglich, 
[Dr. Krähe (CDU): Immer Kewenig!] 
die anderen Bundesländer beneiden uns um diese EbLT, und 
Gauweiler - nicht faul - hat nach ihrem Beispiel seine Unterstüt 
zungskommandos, seine USKs gegründet, die hier auch wäh 
rend der Weltbanktagung in vorderster Front eingesetzt wurden, 
die das haben, was die EbLT gerne noch haben möchte, nämlich 
diese Karate-Schlagstöcke, diese Tonfas, die sie drehen können, 
mit denen sie stoßen können, die halbe Totschlagsinstrumente 
sind. EbLT nach Wackersdorf, dafür USKs hierher, das ist in der (C) 
Tat der Polizeiimport und -export, der unerträglich ist, der uner 
träglich für diese Stadt ist, der unerträglich für dieses Land ist. 
Und wenn nun noch bekannt wird, daß diese EbLT sich eine 
eigene nachrichtendienstliche Abteilung zugelegt hat, daß sie 
verdeckte Ermittler hat - als quasi Polizei in der Polizei -, sie ein 
schleust zum Ausspähen der gesamten autonomen Szene, dann 
kann man nur sagen, daß hier auch noch gleichzeitig das Tren 
nungsgebot der Alliierten - das der Trennung von Geheimdienst 
und Polizei - aufgehoben wird; hier wird auch noch gleichzeitig 
eine Art geheimdienstliche Polizei geschaffen oder ist bereits ge 
schaffen worden. Und das soll offenbar nicht auf die EbLT be 
schränkt bleiben; wir konnten es gestern erleben, daß von der 
Eb 43, das ist nach der EbLT die zweite Truppe, die hier beson 
dere Aufmerksamkeit verdient mit ihrem Song „Hoch auf dem 
grünen Wagen“, mit ihren T-Shirts - „Veni, vidi, vici“ -, daß aus 
dieser Eb 43 gestern sage und schreibe 30 Zivilbeamte in einer 
Demonstration mitliefen, fast alle auf der gleichen Stelle, so daß 
dann schließlich mehr Zivilbeamte als Demonstranten sich dort 
aufhielten. Das heißt, auch dies ist offenbar neue Taktik, neues 
Vorgehen, immer mehr Beamten die Uniform auszuziehen, ein 
Zusammenwirken von uniformierten und nichtuniformierten 
Beamten zu schaffen. Noch nicht einmal der ASOG-Schub- 
iadenentwurf zu Änderung des Berliner Polizeigesetzes, der uns 
noch nicht offiziell zur Verfügung steht, läßt ein solches Total- 
Ausspähen einer ganzen Szene durch Polizei zu. 
Abschließend muß ich noch auf die einzig erfreuliche Nach 
richt dieser Woche eingehen; Herr Gauweiler ist seit gestern 
nicht mehr für Polizei zuständig, muß auch keine Aids-Tests mehr 
für bayerische Beamte durchführen, wenn sie aus Preußen zu 
rückkehren, 
[Beifall bei der AL - vereinzelter Beifall bei der 
SPD - Zuruf des Abg. Dr. Krähe CDU)] 
aber uns als Opposition kann man ja nun in der Tat nicht zu 
muten, daß wir immer - und das wollen wir auch nicht - auf das 
Ableben von Regierungschefs warten; das können wir nicht, und 
das wollen wir nicht. Wir müssen das forcieren; wir stellen hier 
den Abwahlantrag für diesen Senator und sind guter Dinge, sind 
zuversichtlich, daß der Satz sich bewahrheiten wird: Auch Kewe 
nig bleibt ewig nich’l 
[Beifall bei der AL - vereinzelter Beifall bei der SPD - 
Beifallskundgebungen auf der Zuhörertribüne] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Meine Damen und Her 
ren! Bevor ich Herrn Rasch das Wort erteile, darf ich darauf hin- 
weisen, daß auf der Tribüne Beifalls- oder Mißfallensäußerungen 
nach unserer Geschäftsordnung nicht erlaubt sind; ich bitte, 
sich künftig danach zu richten. - Bitte schön, Herr Abgeordneter 
Rasch I 
Rasch (F.D.P.); Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten 
Damen und Herren! Ich möchte den Gesamtrahmen unserer 
Debatte wiederherstellen, wie wir ihn eigentlich angelegt haben 
wollten, die Weltbanktagung und ihr Erfolg. Erst im Zusammen 
hang damit möchte ich die Auseinandersetzungen, die bis jetzt 
im Mittelpunkt der Debatte gestanden haben, wieder anspre 
chen. 
Ich möchte dem Haus in Erinnerung rufen, daß es eigentlich 
einmal um die Frage ging, als wir hier vor der Weltbanktagung 
über diesen Kongreß sprachen, ob Berlin als Kongreßstadt, als 
Ausrichter einer solch großen Veranstaltung überhaupt noch 
eine Zukunft haben würde. Anhand der Ankündigungen, die 
allenthalben zu hören und zu lesen waren, mußten wir ja befürch 
ten, daß es genau das politische Ziel war, diese Weltbanktagung 
in der Stadt Berlin und damit auch weitere große Kongresse zu 
verhindern. Wenn wir heute zurückblicken, dann können wir fest 
stellen, daß erfreulicherweise diese offen und verdeckt geäu 
ßerte Zielsetzung nicht erfolgreich war. Der Kongreß war ein 
Erfolg, und darüber freuen wir uns! 
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU - 
Härtig (AL): Hatten wir schon!] 
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