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Volume Nr. 87, 8. Dezember 1988

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1988/89, 10. Wahlperiode, Band VI, 82.-92. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
87. Sitzung vom 8. Dezember 1988 
(A) Präsident Rebsch; Wir fahren nunmehr in der Aussprache 
fort. Das Wort hat für die SPD der Abgeordnete Schneider. 
Schneider (SPD): Herr Präsident! Meine restverbliebenen 
Damen und Herren! 
[Biederbick (F.D.P.): Wir sind die kritische Masse!] 
Finanzpolitiker sind eben relativ einsame Menschen nach 
dem Motto: einer gegen alle! 
[Rasch (F.D.P.): Und solidarisch sind wir!] 
- Das weiß ich zu schätzen! 
[Buwitt (CDU): Normalerweise! Nun wollen 
wir hören, was Sie uns sagen!] 
Der Regierende Bürgermeister hat am Ende seiner Rede 
einen fernsehgerechten Appell an die Fairneß in der Diskus 
sion und in der vor uns liegenden Wahlkampfauseinanderset 
zung gerichtet. Das ist auch gut so. Fairneß im Wahlkampf, 
egal, wo wir aufeinandertreffen! Ich muß allerdings sagen: 
Der Glaube an die Ehrlichkeit dieses Appells wäre mir leichter 
gefallen, wenn er wenigstens am Ende die Chance genutzt 
hätte, sich für seinen ungeheuerlichen Vergleich zu Beginn 
seiner Rede zu entschuldigen. 
[Beifall bei der SPD] 
Es fällt schwer, einem Appell zur Fairneß in der Auseinander 
setzung zu folgen, wenn man von demselben Mann zu Beginn 
seiner Rede hören muß, die Sprache der Opposition in diesem 
Hause gleiche der Sprache von Diktaturen. - Ich hoffe, daß er 
noch die Gelegenheit wahrnimmt, sich hierfür bei uns, der 
Opposition, einem wichtigen Bestandteil der demokratischen 
(B) Volksvertretung, zu entschuldigen. 
[Beifall bei der SPD und der AL - 
Barthel (SPD): Die Größe hat er nicht!] 
Der Regierende Bürgermeister hat sich bei mir nach seiner 
Rede entschuldigt, daß er weggeht; es geht ihm gesundheit 
lich nicht so gut. Ich akzeptiere diese Enschuldigung. 
[Wieland (AL): Haben sich denn 
die anderen Senatsmitgiieder auch entschuldigt?] 
Ich bedauere sein Weggehen insofern, als ich allerdings 
gerade nach seiner Rede eine Reihe von Fragen an ihn habe, 
Fragen, die wir hier in aller Öffentlichkeit gern mit ihm erörtert 
und diskutiert hätten; zum Beispiel die Frage, warum er 
Bertram gefördert, bei Antes die Augen geschlossen und 
keine Konsequenzen aus dem Skandal gezogen hat. Hierzu 
hat er kein Wort gesagt. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Ich hatte die Frage an ihn, warum er eigentlich so tatenlos dem 
Anwachsen der Arbeitslosigkeit von 45000 im Jahr 1981 über 
80000 im Jahr auf jetzt - in diesem Monat - 97000 zusieht. 
Warum er nicht - wenn er schon sagt: Die Arbeit liegt auf der 
Straße! - endlich unser Programm „Arbeit und Umwelt" 
aneignet und umsetzt. Ich wollte ihn fragen, warum er 
eigentlich bei der Steuerreform Berlin insofern verraten hat, 
als er zwar einerseits die Steuerbefreiung für Flugbenzin 
zugestimmt hat, aber andererseits auch der unverantwortli 
chen Kürzung der Berlinförderung um 800 Millionen DM. 
[Beifall bei der SPD] 
Ich wollte ihn fragen, warum er bei der Diskussion um die 
Aufhebung der Mietpreisbindung die Berliner Mieter mit 
offensichtlich falschen Zahlen getäuscht und in die Irre geführt 
hat. Ich wollte ihn fragen, warum er eigentlich dieser von ihm 
vorhin so gelobten Gesundheitsreform in der nächsten Woche 
im Bundesrat zustimmen will, 
[Beifall bei der SPD] 
einer Gesundheitsreform, die eindeutig aut Kosten der Kran 
ken geht, und hier wiederum auf Kosten der Kranken, die 
etwas weniger Geld in der Tasche haben, um ihre vielfach 
erhöhten Beiträge und Kostenbeteiligungen zu leisten. 
[Beifall bei der SPD - Buwitt (CDU): 
So einen Quatsch, den Sie da erzählen! Das 
entspricht überhaupt nicht den Tatsachen! - 
Momper (SPD): Sie haben doch keine Ahnung, 
Herr Buwitt! - Frau Korthaase (SPD); Sie sind 
wahrscheinlich privat versichert, Herr Buwitt! - 
Weitere Zurufe von der SPD] 
Ich wollte ihn auch fragen, warum er sich eigentlich so an 
einen Innensenator und dessen Staatssekretär klammert, die 
in zunehmendem Maße mit Verfassungsrechten mehr als lax 
und bedenklich umgehen. 
[Beifall bei der SPD und der AL - Momper (SPD): 
Das ist viel zu nett gesagt!] 
Ich wollte ihn eigentlich fragen, wie er das so mit dem 
Wohnungsbau weiterhin hält. Jahrelang haben wir gemahnt; 
Hier muß mehr geschehen! - Jahrelang hat er die Strukturen 
bestehen lassen. Jetzt redet er bei Strukturen, die keine 
Ausweitung ermöglichen, von 30000 Wohnungen, von Sonder 
programmen. - Wir brauchen keine Sonderprogramme, wir 
brauchen Wohnungen für alle Berliner. Es darf kein Berliner 
dafür bestraft werden, nur weil er in dieser Stadt gelebt hat, 
[Beifall bei der SPD und der AL - Buwitt (CDU): 
Sie bauen sich Ihre Pappkameraden selbst auf, 
Herr Schneider!] 
nur weil er von zu Hause ausziehen will, weil er sich 
selbständig machen will. Das ist ein unmöglicher Zustand, der 
bei uns in Berlin insbesondere auf dem Wohnungsmarkt 
herrscht. 
Ich hoffe, wir können die Diskussion in einer anderen Zelt 
fortsetzen und erhalten Antworten auf die Fragen. 
Jetzt zu Ihnen, Herr Finanzsenator; Hochinteressant war 
das, was Sie gesagt haben, schon; diesem Konglomerat, 
diesem Gemisch einer trotzigen Schadensleugnung und einer 
besorgen Beschwörung. Wer Augen hat, die Finanzplanung zu 
lesen, und wer Ohren hatte, Zwischentöne zu hören, konnte 
wirklich feststellen, daß der Kassensturz am Ende dieser 
Legislaturperiode, weiß Gott, keine Jubelstürme auslöst. Noch 
nie sah ein Berliner Senat am Ende einer Legislaturperiode, 
vor allem auch finanzpolitisch, so alt aus wie heute. 
[Beifall bei der SPD] 
Die Perspektiven sind auch nicht gerade rosig, sondern in 
jeder Hinsicht triste. Ohne einschneidende Umverteilung der 
vorhandenen Haushaltsmasse in der Zukunft können Sie doch 
nichts mehr gestalten, sondern bestenfalls verwalten. 
[Beifall bei der SPD] 
Sie hinterlassen ein finanzielles Torso! Jeder Nachfolgesenat 
wird zu Recht von einer finanziellen Erblast sprechen können. 
Wer auch immer den Senat bildet, er kann das Geld, das Sie 
leichtfertig mit der Steuerreform verspielt haben, nicht noch 
einmal ausgeben. Eine ganz betrübliche Feststellung, die hier 
zu treffen ist! 
[Starker Beifall bei der SPD] 
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