Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
86. Sitzung vom 1. Dezember 1988
Dr. Rüter
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diese Entwicklung nicht vertuschen. Bertram hat die Bau
kosten jedenfalls nicht gesenkt.
Über diesen Skandal ist zu schnell Gras gewachsen,
bevor er politisch formal abgeschlossen war. Das ist ein
böses Indiz für die Politik, die Baupolitik im besonderen.
Skandale, über die Gras wächst, sind nicht aufgearbeitet,
weder politisch noch moralisch. Was nicht aufgearbeitet
wird, birgt den Kern für weitere Skandale in sich. Das sind
böse Perspektiven für Berlin.
Stellv. Präsident Longolius: Jetzt hat der Kollege Rebsch
das Wort.
Rebsch (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In
wenigen Minuten wird der amtierende Präsident feststellen, daß
der Ausschuß seine Arbeit beendet hat. Dies mag auch formell
so sein, aber ich meine, für uns Parlamentarier darf die Sache
dadurch nicht erledigt sein. Wir müssen auch in Zukunft alle Vor
gänge wesentlich durchschaubarer und für den Bürger nachvoll
ziehbarer gestalten. Wir müssen - darauf hat der Kollege
Schneider zu Recht hingewiesen - insgesamt eine größere Sen
sibilität bei der Behandlung derartiger Fragen an den Tag legen.
Allerdings wende ich mich ganz entschieden dagegen, wenn
in diesem Zusammenhang mit den Fehlentwicklungen im Bau
bereich Spendenzahlungen an Parteien als ehrenrührig abqualifi
ziert werden. Ich halte sie im Interesse der Staatsunabhängigkeit
sogar für staatspolitisch wünschenswert.
Was auch hier zu ändern ist, das ist das Verfahren. Transpa
renz nach innen und außen auf der einen Seite und klar erkenn
bare Entscheidungsabläufe auf der anderen Seite, dann wird der
Verdacht von vornherein ausgeschlossen, hier sei das indivi
duelle Fehlverhalten einzelner für das System insgesamt mit
entscheidend. Unsere Mitbürger sind in ihrem Anspruch an
Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit der Politiker gerade in den
vergangenen Jahren oftmals enttäuscht worden. Die genannten
Affären und Skandale, in die Mandatsträger aller Parteien verwik-
kelt waren, haben einmal mehr die Neigung gefördert, die Politi
ker schlechthin zu verurteilen.
(Wieland (AL): Also, von uns war kein Mandatsträger
beteiligt!]
Die Gefahr, die daraus erwachsen kann, liegt in der Tendenz zur
Vereinfachung und zu Pauschalurteilen; sie liegt aber auch in der
Neigung, derartige Fälle als Ausgangspunkt für Kritik an unserem
politischen System generell zu nehmen. Es wäre verhängnisvoll,
würde die Kritik am politischen Fehlverhalten einzelner auf die
Demokratie insgesamt übertragen. Dabei ist unser Regierungs
system - wie sich auch an diesem Untersuchungsausschuß er
wiesen hat - durchaus imstande, seine Kontrollmechanismen
einzusetzen und einen Prozeß der Selbstreinigung durchzu
führen. Wo die Maßstäbe politischer Kultur aus dem Blickfeld
geraten waren, hat sie in vielen Fällen ein parlamentarischer
Untersuchungsausschuß wieder sichtbar gemacht.
Aber ich möchte gleichzeitig auf eine Gefahr aufmerksam
machen: Ein Untersuchungsausschuß kann nur dann gut arbei
ten, wenn er rechtzeitig konzipiert und eingesetzt wird und ohne
Zeitdruck - wie hier geschehen - die komplizierten Vorgänge
aufklären und erörtern kann. Bereits mit der recht frühzeitigen
Einsetzung dieses Gremiums hat das Parlament erneut von
einem seiner wirksamsten Instrumente Gebrauch gemacht. Ein
mal mehr haben wir erlebt, daß bereits die Arbeit des Ausschus
ses selbst die Politik in unserer Stadt beeinflußt hat. Wer den
Bericht liest und auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses
zurückblickt, kann mit Genugtuung feststellen, daß auf parlamen
tarischer Ebene ein wesentlicher Beitrag zu mehr Transparenz in
Verwaltungsentscheidungen und Verwaltungshandeln geleistet
worden ist.
Das Parlament hat seine Kontrollaufgabe erfolgreich wahr
genommen ; und dabei haben alle vier Fraktionen - wie der Vor
sitzende des Ausschusses mit Recht bestätigt hat - sehr sach
bezogen, fair und engagiert zusammengearbeitet. So wird es
auch in Zukunft sein können, wenn wir uns davor hüten, das
Instrument eines Untersuchungsausschusses zu mißbrauchen
und als Wahlkampfmittel zu entwerten.
Wir alle sind aufgerufen, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger
noch besser über politische Zusammenhänge und Wechselwir
kungen und über den großen Rahmen, in den sie einzuordnen
sind, zu informieren. Die Verwaltungsstrukturen, aber auch so
mancher parlamentarische Vorgang müssen noch transparenter
gemacht werden. Der Bürger muß die Gewißheit haben, daß
Mißstände behoben und undurchsichtiges Handeln durchleuch
tet werden. Unser parlamentarisches Regierungssystem ist von
der Glaubwürdigkeit seiner Mandatsträger und vom Vertrauen
der Bürger zu den Institutionen der Exekutive und Legislative ab
hängig. Nur wenn es über eine breite Basis der Glaubwürdigkeit
verfügt, kann es auf Dauer stabil bleiben. Ich glaube, auch die
heutige Debatte über den Bericht des Untersuchungsausschus
ses hat etwas bewirkt, wenn es uns gelungen ist, deutlich zu
machen, daß erforderlichenfalls alle Fraktionen dieses Hauses im
Interesse der Bürger auch einmal zum Zusammenarbeiten bereit
sind.
[Beifall bei der CDU, der F.D.P. und des
Abg. Heß (SPD)]
Stellv. Präsident Longolius: Weitere Wortmeldungen lie
gen nicht vor. Ich stelle fest, daß die Besprechung der Großen
Anfrage und die Besprechung des Berichts erledigt sind.
Ich kann daher aufrufen
lfd. Nr. 7, Drucksache 10/2568:
Bericht des 3. Untersuchungsausschusses - 10.
Wahlperiode - zur Aufklärung von Kontakten zu
rechtsradikalen Organisationen
Das Wort zur zusätzlichen mündlichen Berichterstattung hat der
Kollege Dr. Gerl.
Dr. Gerl (SPD), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Der 3. Untersuchungsausschuß dieser
Wahlperiode hat nach sieben Sitzungen seine Arbeit abge
schlossen und legt Ihnen heute den Abschlußbericht vor. Mit
diesem Bericht sind die parlamentarischen Untersuchungen der
Kontakte zwischen dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der
CDU, Bürgermeister und Innensenator Heinrich Lummer, und
der rechtsextremen Szene Berlins zum Abschluß gekommen.
Dieser Abschluß hätte bereits mit dem 2. Untersuchungsaus
schuß erreicht werden können, der sich ebenfalls mit den Kon
takten Heinrich Lummers zur rechtsextremen Szene Berlins und
insbesondere mit der Zahlung von 2 000 DM an einen ihrer Ver
treter befaßt hatte. Wie Sie alle wissen, hatte es dieses Haus
jedoch in seiner 59. Sitzung am 24. September 1987 abgelehnt,
gemäß einem Antrag der Fraktion der SPD den Auftrag des
2. Untersuchungsausschusses um die Kontakte Heinrich Lum
mers zu Frau Dr. Ursula Schaffer, einem langjährigen Mitglied
des Landesvorstands und einer Vorsitzenden des Kreisverbands
Berlin Süd-West der NPD, zu erweitern, so daß sich die Fraktion
der SPD gezwungen gesehen hatte, diesen 3. Untersuchungs
ausschuß zu beantragen und durchzusetzen.
Bei seiner Aufgabe, die Kontakte zwischen Heinrich Lummer
und Frau Dr. Schaffer aufzuklären, sah sich der 3. Unter
suchungsausschuß vor der Schwierigkeit, in den Besitz des
Schriftwechsels zu gelangen, den beide in den Jahren 1972 bis
1984 miteinander geführt hatten. Obwohl Heinrich Lummer nach
einer eigenen früheren Aussage gegenüber der „Süddeut
schen Zeitung“ 15 Briefe von Frau Dr. Schaffer erhalten und
selbst 11 Briefe an sie geschrieben hat, lagen dem Unter
suchungsausschuß lediglich zwei Briefe von Frau Dr. Schaffer
an Heinrich Lummer und ein Brief von Heinrich Lummer in seiner
Funktion als Innensenator an Frau Dr. Schaffer vor. Zusätzlich
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