Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
86. Sitzung vom 1. Dezember 1988
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Stellv. Präsidentin Wiechatzek; Meine Damen und Her
ren, vielleicht könnten Sie Ihre Gespräche nach draußen ver
legen oder sich hinsetzen und ruhig sein. Das verkürzte nämlich
das Verfahren. Ich darf Ihren Blick einmal auf die Uhr lenken und
darauf hinweisen, daß wir noch sehr viele Tagesordnungspunkte
vor uns haben.
Bitte schön, Herr Schützei
Schütze (CDU), Berichterstatter; Nur diese drei statistischen
Angaben für das bisher längste und umfangreichste parlamen
tarische Untersuchungsverfahren in der Geschichte des Abge
ordnetenhauses von Berlin machen schon hinreichend deutlich,
welche Arbeit sich hinter den insgesamt 1 100 Schreibmaschi
nenseiten verbirgt, die die beiden Berichte ausmachen.
Die Untersuchungen waren mühsam; sie waren in weniger als
32 Monaten nicht zu bewältigen. Sie waren vor allem deshalb nur
zu leisten, weil alle maßgeblich Beteiligten, Ausschußmitglieder
wie auch Mitarbeiter, sehr sachbezogen, sehr engagiert, sehr
kooperativ zusammengearbeitet haben. Gerade als Vorsitzender
des Untersuchungsausschusses, der fast drei Jahre lang mit
dem Ausschußsekretariat eng zusammengearbeitet hat, halte ich
es für selbstverständlich, zunächst den Mitarbeiterinnen und Mit
arbeitern sehr herzlich für ihre Arbeit und ihren Einsatz zu
danken.
[Beifall bei allen Fraktionen]
Ich möchte - gestatten Sie mir das - ausdrücklich namentlich
Herrn Dr. Vetter und Frau Peter-Günzel erwähnen, die auf der
Verwaltungsseite kontinuierlich die Hauptbelastung der Arbeit
zu tragen hatten. Herr Dr. Vetter hat das Ausschußsekretariat
geleitet, den Untersuchungsausschuß in juristischer Hinsicht
sehr qualifiziert beraten und die Vorschläge für den Zwischen-
und Abschlußbericht vorgelegt, die vom Ausschuß in weitem
Umfang unverändert akzeptiert worden sind. Frau Peter-Günzel
hat die verwaltungstechnische Seite der Ausschußarbeit bewäl
tigt und maßgeblich mit dafür gesorgt, daß dieser Bericht gerade
noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode vorgelegt werden
konnte.
Mein Dank gilt aber auch den vielen sonstigen Helfern, die
durch ihren Einsatz die reibungslose Durchführung dieses Unter
suchungsverfahrens ermöglicht haben. Seien es die Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen des Stenographischen Dienstes, seien es
die Mitarbeiter der Drucksachenverteilungsstelle des Abgeord
netenhauses und der Verwaltungsdruckerei oder seien es die
Angehörigen des Ordnungsdienstes des Bezirksamtes Schöne
berg - alle haben ihren Beitrag zu einem sachgerechten Unter
suchungsverfahren geleistet. Dafür unseren herzlichen Dank!
[Beifall bei der CDU -
Vereinzelter Beifall bei der SPD]
Meinen Dank darf ich aber auch den Kolleginnen und Kollegen
im Untersuchungsausschuß selbst aussprechen, insbesondere
dem stellvertretenden Vorsitzenden, dem Kollegen Schneider. Er
hat - wie auch andere Kollegen - erheblich dazu beigetragen,
daß von Beginn an in der Ausschußarbeit ein faires und sach
bezogenes Klima geherrscht hat. Dies war angesichts der teil
weisen Brisanz der Untersuchungen dieses Untersuchungsaus
schusses wie auch der Debatten im Vorfeld - ich erinnere nur an
die Frage, welche Fraktion den Ausschußvorsitzenden stellen
solle - keineswegs selbstverständlich. Ich glaube daher, sagen
zu können, daß alle Fraktionen bemüht waren, rückhaltlos und
ohne Ansehen der Person Sachverhalte aufzuklären, was letzt
lich - darauf kann man, glaube ich, auch ein wenig stolz sein - zu
einem einstimmig verabschiedeten Abschlußbericht geführt hat.
[Wagner, Horst (SPD): Sehr gut!]
Ich betone dies ausdrücklich und möchte vor Beginn der nach
folgenden Debatte über den Bericht die Hoffnung zum Ausdruck
bringen, daß dieses Stück überparteilicher Gemeinsamkeit trotz
des beginnenden Wahlkampfs nicht einer kurzatmigen Wahl
kampfpolemik geopfert wird. Dafür ist meines Erachtens das
Thema zu ernst, und dafür sind die von uns festgestellten Mängel
zu gravierend, als daß Sachverstand in einer Debatte heute
durch inhaltsleere Floskeln ersetzt werden darf.
Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zum Verfahren und (C)
zum Ergebnis der Arbeit dieses Untersuchungsausschusses.
Der Ausschuß hatte einen sehr umfangreichen Auftrag: er konn
te aber nicht in der Lage sein, umfassend und lückenlos die Bau
tätigkeit in Berlin zu untersuchen. Das machen wiederum einige
Zahlenangaben zu nur einem der 35 Objekte deutlich: über
21 000 Seiten Aktenmaterial, 31 Zeugen, 48 Stunden Beweis
aufnahme zum Projekt „Krumme Straße 11 und 13“ - wohl
gemerkt zu einem einzigen von 35 Bauprojekten! Der Ausschuß
mußte sich daher darauf konzentrieren, anhand exemplarischer
Einzelfäile schwerpunktmäßig nachzuprüfen, ob es nachweisbar
sachfremde Erwägungen bei der Durchsetzung öffentlicher Ent
scheidungen im Berliner Bau- und Grundstücksbereich gegeben
hat. Er hatte diese Entscheidungen am geltenden Recht zu mes
sen und insbesondere im Hinblick aut eine rechtmäßig han
delnde und effizient arbeitende Verwaltung zu überprüfen.
Dieser Aufgabenstellung ist der Ausschuß nach meiner Auffas
sung in sachgerechter Weise nachgekommen - wie Sie dies im
einzelnen dem Bericht entnehmen können. Denn ich meine, es
ist dem Ausschuß gelungen, anhand der untersuchten exempla
rischen Einzelfälle nachweisbare Zusammenhänge zwischen
Subventionen, Provisionen und Bestechlichkeit im Baubereich
aufzuzeigen, Schwachstellen des Systems der öffentlichen
Wohnungsbauförderung zu beschreiben und insbesondere
auch zu verdeutlichen, welche Gewinnspannen im öffentlichen
Wohnungsbau in Berlin - der immerhin aus Steuermitteln finan
ziert wird - zu erzielen waren, wobei in diesem Zusammenhang
darauf hingewiesen werden muß, daß die Kostenmieten in den
letzten Jahren kontinuierlich gesunken sind.
Ich möchte in diesem Zusammenhang ferner deutlich machen,
daß Bestechlichkeit kein spezifisches Berliner Problem ist. Wir
kennen derartige Fälle auch aus anderen Ballungsgebieten und
Großstädten. Es ist auch nicht das Problem nur einer Partei;
denn dazu waren zu viele Mitglieder aus verschiedenen Parteien
betroffen. Viel entscheidender ist, daß es dem Untersuchungs
ausschuß weithin gelungen ist, deutlich zu machen, wo Verwal
tungshandeln ineffektiv und nicht sachgerecht abgelaufen ist ' (D)
und wo Verbesserungen nötig sind. Ein Teil der Erkenntnisse aus
der Arbeit des Ausschusses ist bereits umgesetzt worden; der
Ausschuß erwartet jedoch von Senat und Parlament, daß auch
zukünftig Verbesserungen in Angriff genommen werden.
Wesentlich beeinflußt waren die Untersuchungen von der
Parallelität von Strafverfahren und Untersuchungsverfahren. Wie
Sie wissen, ist gegen einige der vom Ausschuß gehörten Zeu
gen strafrechtlich ermittelt worden. Dies hatte zur Konsequenz,
daß ein Großteil der gleichermaßen die strafrechtlichen Ermitt
lungen wie die Untersuchungen des Ausschusses betreffenden
Beweismittel nicht in jedem Fall dann zur Verfügung standen,
wenn der Ausschuß sie benötigte. Weiterhin haben sich - da
durch bedingt - Zeugen vielfach auf ein Auskunftsvenweige
rungsrecht berufen und Bezug genommen auf gegen sie oder
nahe Angehörige geführte strafrechtliche Ermittlungen. Auch
dies mußte der Ausschuß im Interesse eines rechtsstaatlich
geführten Verfahrens hinnehmen. Schließlich ist die restlose Auf
klärung von Sachverhalten vielfach an dem mangelnden Erinne
rungsvermögen vor allem derjenigen Zeugen gescheitert, die in
der betreffenden Angelegenheit „Schlüsselpositionen“ inne
hatten. Allerdings möchte ich auch hier anmerken, daß die zu
untersuchenden Vorgänge zum Zeitpunkt der Vernehmungen bis
zu sechs Jahre zurücklagen. Berücksichtigt man die vielen Kon
takte, Gespräche, Briefe und andere Kommunikationsformen, die
wir als Politiker' ständig durchführen und pflegen - und im Inter
esse einer sachgerechten und bürgernahen Ausübung des Man
dats auch pflegen müssen -, dann habe ich zumindest teilweise
Verständnis für die eine oder andere Erinnerungslücke eines
Zeugen aus dem politischen Bereich.
[Wieland (AL): Ja, zum Beispiel bei Herrn Lummer!]
Man wird jedenfalls nicht pauschal davon reden können - wie
das manchmal gemutmaßt wurde -, da habe sich nahezu jeder
Zeuge absichtlich oder bewußt nicht erinnern wollen. So einfach
kann man sich das nicht machen.
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