Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
86. Sitzung vom 1. Dezember 1988
Sen Dr. Kewenig
etwas also nicht gegeben und wird es auch nicht geben. Im
Hinblick auf die besondere anwaltliche Stellung hält der
gegenwärtige Senat eine solche Vorgehensweise für nicht
vertretbar und würde sie deshalb auch nicht zulassen.
[Anhaltender Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Ziffer 5 Ihrer Anlage - „Unterlagen und Aussagen“: Unter
dieser Überschrift wird von Herrn Momper insinuiert, daß der
Verfassungschutz und der für ihn verantwortliche Innensenator
nach dem Motto „Lügen für Deutschland“ oder „der Zweck hei
ligt die Mittel“ verfahre und Unterlagen bewußt vernichte oder
unzutreffend Auskunft gäbe. Dazu darf ich noch einmal feststel
len; Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ebenso wie der In
nensenator Gesetz und Recht verpflichtet und unterliegt bei
seiner Arbeit auch in diesem schwierigen Gebiet eindeutig
rechtlichen Grenzen und Schranken. Selbstverständlich achte
ich diese Grenzen und Schranken.
[Eggert (AL): Ich auch!]
Ich habe außerdem keine Veranlassung zu der Annahme, daß
das Landesamt für Verfassungsschutz anders verfährt. Sollte
sich in dem einen oder anderen Fall infolge - so hoffe ich doch
wenigstens - gemeinsamer Bemühungen um Aufklärung heraus-
stellen, daß diese Grenzen in der tagtäglichen Arbeit nicht
beachtet worden sind, so wird dem in jedem einzelnen Fall nach
gegangen und die notwendige Konsequenz gezogen.
Nächste und letzte Überschrift in Ihrer Anlage - „Täuschungs
versuche“: Unter dieser Überschrift werden als „neue Täu
schungsversuche“ zwei Vorgänge geschildert. Der erste Vor
gang betrifft den in den letzten Tagen vielfach erörterten Fall des
sogenannten „Steinewerfers“. Dazu habe ich nun schon mehr
fach ausführlich Stellung genommen, soweit ich das ohne Ver
letzung entsprechender Schweigeverpflichtungen kann. Wenn
allerdings unter dieser Überschrift erneut - und heute steht es
noch einmal im „Stern“ - die Behauptung aufgestellt wird - und
ich zitiere jetzt Herrn Momper -, „daß der Verfassungsschutz
einen mit ihm zusammenarbeitenden, verurteilten Gewalttäter
mehrfach bei einem PKK-Abgeordneten vorsprechen und dort
mit einer Tarnstory verkünden ließ, er habe mit dem Verfassungs
schutz nichts zu tun ...“, so stelle ich noch einmal fest: Der
Verfassungsschutz hat keinen mit ihm zusammenarbeitenden,
verurteilten Gewaltäter mehrfach zu dem SPD-Abgeordneten
Pätzold geschickt. Diese Behauptung ist unwahr.
[Momper (SPD): Wir haben es verstanden; .
er ist von allein gegangen!
Er ist aus eigener Initiative hingegangen!]
Der zweite unter dieser Überschrift angesprochene Fall ist der
schon zitierte Fall des Verteidigers aus dem Schmücker-Ver-
fahren, der nicht nur nicht zu unserer Zeit stattgefunden hat, son
dern zu dem ich - einschließlich der Presseerklärung - schon
das Notwendige vorgelesen habe.
Ich fasse meine Bemerkungen zu Ziffer 1 der Großen Anfrage
zusammen: Die von Herrn Momper in der Anlage zum Brief vom
21. November dargestellten „schwerwiegenden Fehlentwicklun
gen beim Berliner Verfassungsschutz“ erweisen sich bei nähe
rem Zusehen als eine auch für die bisherige Diskussion in der
Öffentlichkeit geradezu typische Mischung aus alten und neuen,
wahren und unwahren, kritikwürdigen und völlig einwandfreien
Vorgängen und Behauptungen. Diese offenbar ganz bewußt her
beigeführte Mischung macht es sehr schwer, die einzelnen Vor
würfe exakt zu unterscheiden und je nach Rechtslage öffentlich
oder unter gebotener Geheimhaltung zu beantworten und gege
benenfalls zu wiederlegen. Vor allem aber eröffnet diese
Mischung die von dem SPD-Abgeordneten Pätzold in den letz
ten Jahre geradezu zur Methode entwickelte Möglichkeit, immer
wieder zu behaupten, es seien noch unendlich viele Frage offen
geblieben und die bisherigen Antworten völlig unzureichend.
Ich kann nur noch einmal feststellen, daß die Innenverwaltung
und das Landesamt für Verfassungsschutz in den letzten Jahren
mehr denn jemals zuvor bemüht waren, alle an sie herangetrage
nen Fragen zu beantworten, wobei allerdings, wie die SPD weiß,
das geltende Recht im Interesse der Institution und der betroffe
nen Personen deutliche Schranken setzt. Außerdem sollte bei
den inquisitorischen Fragen der SPD nicht völlig außer Sicht (C)
geraten, daß das Berliner Amt für Verfassungsschutz über Jahr
zehnte - nämlich etwa dreißig Jahre - unter sozialdemokrati
scher Führung und Verantwortung aufgebaut worden ist und daß
nicht nur die von diesem Amt angewendeten Methoden, sondern
auch die diese Methoden anwendenden Menschen von Sozial
demokraten ausgesucht und geführt worden sind. Es ist deshalb
unverantwortlich - so meine ich -, in der Öffentlichkeit den Ein
druck zu erwecken, als ob hier ein Instrument zur Begründung
und Erhaltung der politischen Macht für die gegenwärtige Koali
tion entwickelt und mißbraucht worden wäre.
In dem Bemühen, trotz der gegenwärtigen harten Ausein
andersetzung, die zum Schaden des Amtes in aller Öffentlichkeit
geführt wird, den eingetretenen Schaden möglichst zu begren
zen, darf ich noch einmal an Sie, Herr Momper, appellieren, in die
PKK zurückzukehren und dort eine sinnvolle Kontrolle des Ver
fassungsschutzes weiterhin zu gewährleisten. Außerdem muß
ich Sie mit Nachdruck auffordern, den Vorwurf im Brief vom
21. November an den Regierenden Bürgermeister zu konkreti
sieren, es gäbe - und ich zitiere Sie - „neue gravierende
Erkenntnisse“ und „die SPD-Fraktion wisse um die Sachverhalte
im einzelnen, um die aktiv oder passiv betroffenen Personen, ihre
Namen, Tarn- und Klarnamen, um Beeinflussungsversuche mög
licher Zeugen und um die Unterlagen, wenn sie nicht - alles
andere als unüblich - bereits vernichtet oder umgeschrieben
worden sind oder jetzt noch werden“. - Herr Momper, ich for
dere Sie auch von diesem Platze auch aut, nennen Sie Roß und
Reiter; und zwar, falls möglich öffentlich oder in der zur Kontrolle
des Landesamtes berufenen PKK.
[Beifall bei 1 der CDU und der F.D.P. -
Momper (SPD): Im Untersuchungsausschuß! -
Landowsky (CDU): Hören Sie doch einmal zu!]
Es erscheint mir im höchsten Maße unfair gegenüber Ihrem politi
schen Gegner und insbesondere, Herr Momper, gegenüber dem
Landesamt für Verfassungsschutz und seinen Mitarbeitern, die ja
auch Menschen sind, daß in dieser Weise pauschale Vorwürfe
erhoben und Verdächtigungen ausgesprochen werden, ohne
dann auch wirklich die Fakten auf den Tisch zu legen. Tun Sie
dieses nicht in kürzester Zeit, so wird noch deutlicher als bisher,
daß hier unter dem Deckmantel der Sorge um den Verfassungs
schutz und seine demokratische Kontrolle Wahlkampf, und zwar
in einer besonders abstoßenden Form, betrieben wird.
[Anhaltender Beifall bei der CDU und der F.D.P. -
Frau Abg. Vonnekold (AL)
meldet sich zu einer Zwischenfrage:]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Herr Senator! Gestatten
Sie jetzt eine Zwischenfrage?
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Nein, ich bin noch nicht
fertig.
[Frau Vonnekold (AL); Gibt es denn am Ende
eine Frage?]
Ich komme nun zur Frage 2 der dringlichen Großen Anfrage.
[Eggert (AL): Was?]
- Ja, das war alles zu Unterpunkt 1. - Ich darf sie, damit alle
wissen, worum es geht, vorlesen:
Trifft es zu, daß der überwiegende Teil der darin
- nämlich in der Anlage -
genannten Vorgänge Sachverhalte betrifft, die in die Amts
zeit von SPD-geführten Senaten, SPD-Innensenatoren,
[Zurufe von der SPD und der AL: Das ist Wahlkampf!]
- ich warte, bis ich wieder Gelegenheit habe, in Ruhe vorzu
tragen -
[Wagner, Horst (SPD): Da kommen Sie hübsch ins Bild,
wenn Sie warten!]
der SPD angehörenden Leitern des Landesamtes für Ver
fassungsschutz fallen und exemplarisch die Äußerung des