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Volume Nr. 86, 1. Dezember 1988

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1988/89, 10. Wahlperiode, Band VI, 82.-92. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
86. Sitzung vom 1. Dezember 1988 
(A) 
(B) 
Frau Saß-Viehweger 
es kann nicht nachgewiesen werden, daß sie unrichtig sind. 
Jedenfalls kann man dies dann nicht tun, wenn man die Aufgabe 
des Amtes und die Geheimhaltungspflichten ernst nimmt. Sie 
wissen, daß Ihr Gegenüber in der Situation ist, diese Verpflich 
tungen ernst zu nehmen. Das Ergebnis dieser Methode ist, daß 
man seine Behauptungen immer wieder aufstellt, aus Antworten 
nur das heraushört, was die eigene Meinung deckt, daß man 
nicht nur den politisch verantwortlichen Senator, sondern ein 
zelne Mitarbeiter öffentlich unter Namensnennung angreift, die 
sich dagegen nicht wehren können. Das halte ich für ein unred 
liches Verhalten. 
[Vereinzelter Beifall bei der CDU] 
Nun frage ich mich; Warum tut die SPD dieses? Hat sie denn 
sonst keine Themen, mit denen sie sich in der Öffentlichkeit 
gegenüber der Bevölkerung positiv darstellen kann; denn offen 
sichtlich soll das ganze doch der Darstellung dienen, damit die 
Bürger dieses Landes der SPD ihr Vertrauen schenken? - Da 
würde ich - nun steht es mir nicht zu, Ihnen Ratschläge zu ertei 
len - es doch für besser halten, wenn Sie dem Bürger sagten, 
welche konkreten Pläne Sie haben, was in dieser Stadt Positives 
geschehen würde, wenn man Sie Ihre Vorstellungen durch 
setzen ließe. 
[Dr. Gerl (SPD): Sagen Sie doch etwas zum Inhalt!] 
Statt dessen diskutieren Sie Ihre möglichen eigenen Fehler des 
Jahres 1974 ff. - ich überlasse es Ihnen selbst, zu beurteilen, ob 
das wirklich verantwortungsvolle Politik ist. 
Wir jedenfalls nehmen unsere Verantwortung für unsere frei 
heitlich-demokratische Grundordnung und damit auch für das 
Landesamt für Verfassungsschutz ernst. 
[Wagner, Jürgen (SPD): Haha!] 
Wir wollen weg von sensationsheischenden Andeutungen und 
wollen endlich hin zu einer sachlichen Behandlung der Angele 
genheit. Wir wollen dabei wirklich Antworten hören und werfen 
nicht Fragen auf, um dann, wie Sie es tun, später der Beantwor 
tung fernzubleiben. Das tun Sie wahrscheinlich deswegen, weil 
Sie dann gehindert wären, das nächste Kapitel in Ihrem Fortset 
zungsroman zu schreiben. 
Nach unserer Auffassung ist es erforderlich, die tatsächlichen 
und rechtlichen Grundlagen der Arbeit des Landesamtes für Ver 
fassungsschutz darzulegen und sich auch mit den Fragen zu 
beschäftigen, die Herr Momper in seinem Schreiben aufgewor 
fen hat. Deswegen fragen wir den Senat, wie er das von Herrn 
Momper an den Regierenden Bürgermeister gerichtete Schrei 
ben, die darin aufgeführten Vorwürfe wertet. Wir fragen, ob es 
zutrifft, daß der überwiegende Teil der darin genannten Vor 
gänge Sachverhalte betrifft, die sich zu Zeiten einer SPD-geführ- 
ten Regierung ereignet haben. 
[Wieland (AL); Auf die Antwort bin ich gespannt!] 
Wir fragen weiter, woher Herr Momper seine Erkenntnisse hat, 
ob er sie überhaupt veröffentlichen durfte und welche Aufgaben 
sowohl die Parlamentarische Kontrollkommission als auch das 
Landesamt für Verfassungsschutz haben. 
Wir sind der Meinung, daß dies einmal in aller Sachlichkeit 
klargestellt werden muß; denn es ist der Bedeutung dieser 
Angelegenheit - weiß Gott - nicht angemessen, hier im Sinne 
eines Kolportageromans immer wieder neue Schauerlichkeiten 
auszugraben, die man wohlweislich nicht aufklärt, weil sich dann 
alsbald ergeben würde, daß die angeblich unglaublichen Vor 
gänge so gar nicht stattgefunden haben. Wir wehren uns gegen 
eine solche Behandlung dieses Bereichs und dieses Themen 
komplexes, und deswegen bitten wir, nunmehr die von uns 
gestellten Fragen zu beantworten. - Schönen Dank! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Stellv. Präsident Longolius: Zur Beantwortung der Großen 
Anfrage hat Senator Dr. Kewenig das Wort. 
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Herr Präsident! Meine 
sehr verehrten Damen und Herren! Sie, Herr Präsident, haben 
eben darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, der Diskussion zu 
folgen, wenn man vorher nicht Zeit genug hatte, die Anfrage im 
einzelnen in ihrem Wortlaut zu studieren. 
[Wieland (AL): Das ist auch ein Novum hier im Hause! - 
Zurufe von der SPD] 
Ich werde mir deshalb erlauben, die einzelnen Fragen noch ein 
mal vorzulesen, damit sie Ihnen deutlich werden. Im übrigen 
werde ich mir auch erlauben, dabei durchaus Ihre Zeit in 
Anspruch zu nehmen. Nachdem Sie alle - oder viele von Ihnen - 
Gelegenheit genommen haben, in Interviews, Statements und 
langen Briefen die Dinge zu erörtern, scheint es mir notwendig, 
daß auch dieses Hohe Haus einmal im Detail über die Dinge 
informiert wird. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Ich werde bei der Beantwortung der ersten Frage die Über 
schriften aufnehmen, die Herr Momper in der Anlage zu dem 
Brief an den Regierenden Bürgermeister gewählt hat. Ich werde 
diese Überschriften jeweils in Ihre Erinnerung rufen und mich 
dann weitgehend an den Text halten, den ich gestern formuliert 
habe, um die Vorwürfe von Herrn Momper zurückzuweisen. 
Erster Komplex: Überschrift von Herrn Momper - „Rechts 
oder linksextremistische Einwirkungen und Vorkommnisse in 
bezug auf die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien“. Unter 
dieser Überschrift kritisieren die SPD und Herr Momper 
zunächst in sehr allgemeiner Form die angeblich „wirklichkeits 
ferne Wagenburg-Sicht“ des Amtes und seine Einäugigkeit, die 
dem Feld des Linksextremismus größere Aufmerksamkeit schen 
ke als dem des Rechtsextremismus. - Dies sind Ihre Wertungen, 
Herr Momper, der bisherigen Arbeit des Landesamtes, das, wie 
Sie wissen, Zeit seines Bestehens bis zum Dezember 1986, also 
gut 30 Jahre, von Angehörigen der SPD als Amtsleitern geprägt 
wurde. Zu Ihren Wertungen der Arbeit des Landesamtes will ich 
keine Stellung nehmen. Ich beschränke mich auf die Feststel 
lung, daß ich diese jedenfalls in der Form, die sie in Ihrem Schrei 
ben gefunden haben, nicht teile. 
Zweite Unterüberschrift - „Geheime Sonderberichte über die 
SPD“: Ich stelle hier noch einmal fest, es gibt keine geheimen 
Sonderberichte über die SPD. Die SPD und andere Parteien und 
Institutionen, die sich im Rahmen und auf der Grundlage der Ver 
fassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Ber 
liner Verfassung bewegen, sind zu keinem Zeitpunkt in der Ver 
gangenheit und in der Gegenwart Gegenstand der Beobach 
tung durch den Verfassungsschutz gewesen. Es gibt allerdings 
insgesamt fünf Berichte, in denen, wie Herr Momper zutreffend 
formuliert - ich zitiere -, „für einen bestimmten Zeitabschnitt min 
destens die Punkte zusammengestellt wurden, die über die 
.Annäherungen 1 von Seiten der SEW penibel registriert worden 
waren“. Mit meinen Worten: in diesen Berichten sind vom Ver 
fassungsschutz - überwiegend aus öffentlichen Quellen 
[Wagner, Horst (SPD): Aus der „Wahrheit“!] 
stammende - Informationen über Versuche des eindeutig ver 
fassungsfeindlichen oder verfassungswidrigen Umfelds 
[Dr. Heß (SPD): Wessen Umfelds?] 
- insbesondere SEW und Nebenorganisationen - zusammen 
gestellt worden, Kontakte zu Mitgliedern der SPD aufzunehmen 
oder zu pflegen. Die Beobachtung dieser „Annäherungen“ 
gehört zu den gesetzlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes. 
Die systematische Zusammenfassung derartiger Beobachtun 
gen unter Zuordnung zu bestimmten Parteien oder Organisatio 
nen ist zulässig, kann aber - wie sich gezeigt hat - zu Mißver 
ständnissen und zu falschen Schlußfolgerungen führen. Ich habe 
deshalb unverzüglich, nachdem ich von derartigen Zusammen 
fassungen zum ersten Mal erfahren habe, die Weisung erteilt, 
dies in Zukunft zu unterlassen, um jedes mögliche Mißverständ 
nis auszuschließen. 
Die in der Vergangenheit erstellten Infiltrationsberichte sind 
den Mitgliedern der PKK ausnahmslos zur Einsicht zur Ver 
fügung gestellt worden. Wie Sie, Herr Momper, angesichts 
dieser Tatsachen behaupten könnnen, sie seien der SPD vorent 
halten worden, bleibt wie so vieles Ihr Geheimnis. 
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