Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
86. Sitzung vom 1. Dezember 1988
(A)
(B)
Frau Saß-Viehweger
es kann nicht nachgewiesen werden, daß sie unrichtig sind.
Jedenfalls kann man dies dann nicht tun, wenn man die Aufgabe
des Amtes und die Geheimhaltungspflichten ernst nimmt. Sie
wissen, daß Ihr Gegenüber in der Situation ist, diese Verpflich
tungen ernst zu nehmen. Das Ergebnis dieser Methode ist, daß
man seine Behauptungen immer wieder aufstellt, aus Antworten
nur das heraushört, was die eigene Meinung deckt, daß man
nicht nur den politisch verantwortlichen Senator, sondern ein
zelne Mitarbeiter öffentlich unter Namensnennung angreift, die
sich dagegen nicht wehren können. Das halte ich für ein unred
liches Verhalten.
[Vereinzelter Beifall bei der CDU]
Nun frage ich mich; Warum tut die SPD dieses? Hat sie denn
sonst keine Themen, mit denen sie sich in der Öffentlichkeit
gegenüber der Bevölkerung positiv darstellen kann; denn offen
sichtlich soll das ganze doch der Darstellung dienen, damit die
Bürger dieses Landes der SPD ihr Vertrauen schenken? - Da
würde ich - nun steht es mir nicht zu, Ihnen Ratschläge zu ertei
len - es doch für besser halten, wenn Sie dem Bürger sagten,
welche konkreten Pläne Sie haben, was in dieser Stadt Positives
geschehen würde, wenn man Sie Ihre Vorstellungen durch
setzen ließe.
[Dr. Gerl (SPD): Sagen Sie doch etwas zum Inhalt!]
Statt dessen diskutieren Sie Ihre möglichen eigenen Fehler des
Jahres 1974 ff. - ich überlasse es Ihnen selbst, zu beurteilen, ob
das wirklich verantwortungsvolle Politik ist.
Wir jedenfalls nehmen unsere Verantwortung für unsere frei
heitlich-demokratische Grundordnung und damit auch für das
Landesamt für Verfassungsschutz ernst.
[Wagner, Jürgen (SPD): Haha!]
Wir wollen weg von sensationsheischenden Andeutungen und
wollen endlich hin zu einer sachlichen Behandlung der Angele
genheit. Wir wollen dabei wirklich Antworten hören und werfen
nicht Fragen auf, um dann, wie Sie es tun, später der Beantwor
tung fernzubleiben. Das tun Sie wahrscheinlich deswegen, weil
Sie dann gehindert wären, das nächste Kapitel in Ihrem Fortset
zungsroman zu schreiben.
Nach unserer Auffassung ist es erforderlich, die tatsächlichen
und rechtlichen Grundlagen der Arbeit des Landesamtes für Ver
fassungsschutz darzulegen und sich auch mit den Fragen zu
beschäftigen, die Herr Momper in seinem Schreiben aufgewor
fen hat. Deswegen fragen wir den Senat, wie er das von Herrn
Momper an den Regierenden Bürgermeister gerichtete Schrei
ben, die darin aufgeführten Vorwürfe wertet. Wir fragen, ob es
zutrifft, daß der überwiegende Teil der darin genannten Vor
gänge Sachverhalte betrifft, die sich zu Zeiten einer SPD-geführ-
ten Regierung ereignet haben.
[Wieland (AL); Auf die Antwort bin ich gespannt!]
Wir fragen weiter, woher Herr Momper seine Erkenntnisse hat,
ob er sie überhaupt veröffentlichen durfte und welche Aufgaben
sowohl die Parlamentarische Kontrollkommission als auch das
Landesamt für Verfassungsschutz haben.
Wir sind der Meinung, daß dies einmal in aller Sachlichkeit
klargestellt werden muß; denn es ist der Bedeutung dieser
Angelegenheit - weiß Gott - nicht angemessen, hier im Sinne
eines Kolportageromans immer wieder neue Schauerlichkeiten
auszugraben, die man wohlweislich nicht aufklärt, weil sich dann
alsbald ergeben würde, daß die angeblich unglaublichen Vor
gänge so gar nicht stattgefunden haben. Wir wehren uns gegen
eine solche Behandlung dieses Bereichs und dieses Themen
komplexes, und deswegen bitten wir, nunmehr die von uns
gestellten Fragen zu beantworten. - Schönen Dank!
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Stellv. Präsident Longolius: Zur Beantwortung der Großen
Anfrage hat Senator Dr. Kewenig das Wort.
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Sie, Herr Präsident, haben
eben darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, der Diskussion zu
folgen, wenn man vorher nicht Zeit genug hatte, die Anfrage im
einzelnen in ihrem Wortlaut zu studieren.
[Wieland (AL): Das ist auch ein Novum hier im Hause! -
Zurufe von der SPD]
Ich werde mir deshalb erlauben, die einzelnen Fragen noch ein
mal vorzulesen, damit sie Ihnen deutlich werden. Im übrigen
werde ich mir auch erlauben, dabei durchaus Ihre Zeit in
Anspruch zu nehmen. Nachdem Sie alle - oder viele von Ihnen -
Gelegenheit genommen haben, in Interviews, Statements und
langen Briefen die Dinge zu erörtern, scheint es mir notwendig,
daß auch dieses Hohe Haus einmal im Detail über die Dinge
informiert wird.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Ich werde bei der Beantwortung der ersten Frage die Über
schriften aufnehmen, die Herr Momper in der Anlage zu dem
Brief an den Regierenden Bürgermeister gewählt hat. Ich werde
diese Überschriften jeweils in Ihre Erinnerung rufen und mich
dann weitgehend an den Text halten, den ich gestern formuliert
habe, um die Vorwürfe von Herrn Momper zurückzuweisen.
Erster Komplex: Überschrift von Herrn Momper - „Rechts
oder linksextremistische Einwirkungen und Vorkommnisse in
bezug auf die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien“. Unter
dieser Überschrift kritisieren die SPD und Herr Momper
zunächst in sehr allgemeiner Form die angeblich „wirklichkeits
ferne Wagenburg-Sicht“ des Amtes und seine Einäugigkeit, die
dem Feld des Linksextremismus größere Aufmerksamkeit schen
ke als dem des Rechtsextremismus. - Dies sind Ihre Wertungen,
Herr Momper, der bisherigen Arbeit des Landesamtes, das, wie
Sie wissen, Zeit seines Bestehens bis zum Dezember 1986, also
gut 30 Jahre, von Angehörigen der SPD als Amtsleitern geprägt
wurde. Zu Ihren Wertungen der Arbeit des Landesamtes will ich
keine Stellung nehmen. Ich beschränke mich auf die Feststel
lung, daß ich diese jedenfalls in der Form, die sie in Ihrem Schrei
ben gefunden haben, nicht teile.
Zweite Unterüberschrift - „Geheime Sonderberichte über die
SPD“: Ich stelle hier noch einmal fest, es gibt keine geheimen
Sonderberichte über die SPD. Die SPD und andere Parteien und
Institutionen, die sich im Rahmen und auf der Grundlage der Ver
fassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Ber
liner Verfassung bewegen, sind zu keinem Zeitpunkt in der Ver
gangenheit und in der Gegenwart Gegenstand der Beobach
tung durch den Verfassungsschutz gewesen. Es gibt allerdings
insgesamt fünf Berichte, in denen, wie Herr Momper zutreffend
formuliert - ich zitiere -, „für einen bestimmten Zeitabschnitt min
destens die Punkte zusammengestellt wurden, die über die
.Annäherungen 1 von Seiten der SEW penibel registriert worden
waren“. Mit meinen Worten: in diesen Berichten sind vom Ver
fassungsschutz - überwiegend aus öffentlichen Quellen
[Wagner, Horst (SPD): Aus der „Wahrheit“!]
stammende - Informationen über Versuche des eindeutig ver
fassungsfeindlichen oder verfassungswidrigen Umfelds
[Dr. Heß (SPD): Wessen Umfelds?]
- insbesondere SEW und Nebenorganisationen - zusammen
gestellt worden, Kontakte zu Mitgliedern der SPD aufzunehmen
oder zu pflegen. Die Beobachtung dieser „Annäherungen“
gehört zu den gesetzlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes.
Die systematische Zusammenfassung derartiger Beobachtun
gen unter Zuordnung zu bestimmten Parteien oder Organisatio
nen ist zulässig, kann aber - wie sich gezeigt hat - zu Mißver
ständnissen und zu falschen Schlußfolgerungen führen. Ich habe
deshalb unverzüglich, nachdem ich von derartigen Zusammen
fassungen zum ersten Mal erfahren habe, die Weisung erteilt,
dies in Zukunft zu unterlassen, um jedes mögliche Mißverständ
nis auszuschließen.
Die in der Vergangenheit erstellten Infiltrationsberichte sind
den Mitgliedern der PKK ausnahmslos zur Einsicht zur Ver
fügung gestellt worden. Wie Sie, Herr Momper, angesichts
dieser Tatsachen behaupten könnnen, sie seien der SPD vorent
halten worden, bleibt wie so vieles Ihr Geheimnis.
5142