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Volume Nr. 82, 20. Oktober 1988

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1988/89, 10. Wahlperiode, Band VI, 82.-92. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
82. Sitzung vom 20. Oktober 1988 
(A) Präsident Rebsch: Herr Regierender Bürgermeister! 
Diepgen, Regierender Bürgermeister; Herr Präsident! Meine 
sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete, die 
Grundlagen Ihrer Fragestellung sind aus meiner Kenntnis nicht 
richtig. Im Gesamtzusammenhang darf ich darauf verweisen, daß 
wir vor genau einem Jahr im Zusammenhang mit einer Großen 
Anfrage eine Debatte über ein ähnliches Thema hatten, und 
dabei konnten Vertreter des Senats, damals insbesondere der 
Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten, dem Abgeord 
netenhaus berichten, daß bei vielfältigen Gesprächen mit Mit 
gliedern der Regierung der Türkei, damals auch schon mit dem 
Staatspräsidenten, erstens deutlich gemacht worden ist, daß es 
in der Tat aus der Sicht der Funktionsträger in der Türkei und 
auch nach Presseberichterstattung in der Türkei zu Menschen 
rechtverletzungen gekommen ist, zweitens, daß Anklagen erho 
ben worden sind, und drittens, daß Verurteilungen erfolgt sind. 
Und gerade aus dieser Tatsache können Sie die Schlußfolge 
rung ziehen, die ich eben auch gezogen habe, daß der Weg der 
Türkei in die richtige Richtung weist. 
Präsident Rebsch: Frau Apel - zu einer weiteren Zusatz 
frage! 
Frau Apel (AL): Ich möchte darum bitten, die nächste Frage 
ganz konkret zu beantworten und nicht zuviel zu reden. Eben war 
das nicht der Fall! 
[Zurufe von der CDU: Na, nal] 
Wie gedenkt der Senat darauf zu reagieren, daß in dieser 
Stadt Kinder dazu mißbraucht wurden, eine Jubelkulisse für 
einen Foltergeneral zu bilden, und wie läßt es sich mit dem Erzie 
hungsauftrag der Schulen, die ja Kinder zu mündigen Bürgern 
und Demokraten erziehen sollen, vereinbaren, wenn es für 
diesen Zweck sogar noch schulfrei gibt? 
(B) 
Präsident Rebsch: Herr Regierender Bürgermeister! 
Diepgen, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident! Meine 
sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete, ich weise 
zurück, daß Sie Unterstellungen in Form von Fragen vortragen 
und dann fordern, der Senat solle dazu im einzelnen Stellung 
nehmen. Ich sage Ihnen: Alles das, was Sie hier behauptet 
haben, ist nicht geschehen. 
[Wieland (AL): Es gab doch schließlich schulfrei!] 
Präsident Rebsch: Herr Giesel - Sie haben eine weitere 
Zusatzfrage! 
Giesel (CDU): Herr Regierender Bürgermeister, teilen Sie 
meine Meinung, daß - unabhängig von den in der Frage 
gebrauchten Formulierungen und unabhängig von dem konkre 
ten Besuch des türkischen Staatspräsidenten -, wenn man dem 
Sinn der Mündlichen Anfrage folgte, es auch nicht sinnvoll wäre, 
mit hochrangigen Vertretern der Ostblockstaaten oder manchen 
Ländern der Dritten Welt zusammenzukommen bzw. diese hier in 
Berlin zu empfangen? 
Wie gesagt: Ich löse die Frage vom konkreten Anlaß und 
beziehe mich nur auf den Sinn der hier gestellten Mündlichen 
Anfrage. 
[Beifall bei der CDU] 
Präsident Rebsch: Herr Regierender Bürgermeister! 
Diepgen, Regierender Bürgermeister; Herr Präsident! Meine 
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter, ich halte 
es nicht für sinnvoll, Vergleiche dieser Art, die Sie in Ihrer Frage 
mir gegenüber anraten, vorzunehmen. Mein Bemühen ist - egal, 
wo auch immer einen Beitrag dazu zu leisten, daß Menschen 
rechte gewahrt werden, einen Beitrag dazu zu leisten, daß Fort 
schritte erzielt werden im Sinne unserer freiheitlichen Überlegun 
gen. Dabei weiß ich, daß man gegebenenfalls auch Differenzie- (C) 
rungen vornehmen muß im Hinblick auf moralischen Rigorismus 
bei der Auswahl von Gesprächspartnern. Das fällt nicht immer 
leicht! 
Aber, Herr Kollege, ich bin nicht bereit, jetzt hier diese meine 
Aussage über die abstrakte Feststellung hinaus in irgendeiner 
Weise zu erläutern, weil ich dann den Fehler machte, den ich 
nicht machen möchte, wenn ich für Menschen etwas erreichen 
will. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Präsident Rebsch: Nächste Zusatzfrage - Frau Qelebi- 
Gottschlich! 
Frau Celebi-Gottschlich (AL): Warum wurde die einzige 
türkischstämmige Abgeordnete nicht eingeladen zur Eintragung 
des türkischen Staatspräsidenten Evren ins Goldene Buch der 
Stadt Berlin? 
Wie begründet der Senat, daß ich - nachdem ich als Vertrete 
rin des Fraktionsvorsitzenden dort anwesend war - auf Anwei 
sung des Regierenden Bürgermeisters Diepgen von Sicherheits 
kräften eng umzingelt und zum Ausgang gedrängt wurde? Auf 
welcher Rechtsgrundlage erfolgte dieser Rausschmiß? 
Ist dem Senat bewußt, daß ein solches Verhalten den Ein 
druck erweckt, ich wäre eine Kriminelle? War genau das beab 
sichtigt? 
Präsident Rebsch: Herr Regierender Bürgermeister! 
Diepgen, Regierender Bürgermeister; Herr Präsident! Meine 
sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete! 
1. Zur Eintragung des türkischen Staatspräsidenten ins Gol 
dene Buch wurde der Fraktionsvorsitzende nach meiner Kennt- (D) 
nis eingeladen. 
2. Wenn Sie als Vertreterin des Fraktionsvorsitzenden an den 
Veranstaltungen teilgenommen haben, so lag dieses in Ihren 
Möglichkeiten. 
3. Die Polizei überlegt in der Tat, von wem gegebenenfalls 
Störungen ausgehen können. 
[Beifall bei der CDU - 
Unruhe bei der SPD und der AL] 
Präsident Rebsch: Die nächste Zusatzfrage kommt vom 
Abgeordneten Krüger. 
Krüger (CDU): Herr Regierender Bürgermeister, ich gehe auf 
das ein, was Sie vorhin hier schon angesprochen haben, daß Sie 
nämlich im Interesse von Menschen bereit sind, mit allen Men 
schen guten Willens zu reden. Wir wissen gerade auch aufgrund 
unserer Besuche in der Türkei, daß dort ein Demokratisierungs- 
prozeß längst in Gang gekommen ist und daß das türkische Mili 
tär, wann auch immer es - bei Atatürk angefangen - Macht auf 
Zeit übernommen hat, sie immer wieder an zivile Regierungen 
abgetreten hat. Dieser Prozeß ist ja längst eingeleitet. 
[Kern (SPD): Das war aber schwach!] 
Diepgen, Regierender Bürgermeister; Herr Präsident! Meine 
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter, Sie 
haben einige Hinweise auf die Geschichte der Türkei gegeben. 
Sie ließen sich ergänzen, sie ließen sich allerdings auch noch 
konkretisieren oder interpretieren im Hinblick auf einzelne Vor 
gänge. Insofern war das keine Frage, sondern eine Feststellung. 
Da wir keinen historischen Exkurs hier machen wollen, hoffe ich, 
daß Sie mit meiner Bemerkung zufrieden sind. 
[Frau Qelebi-Gottschlich (AL): Sie haben meine Fragen 
nicht beantwortet! - Lorenz (SPD): Doch, doch, die 
hat er schon beantwortet!] 
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