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Volume Nr. 85, 24. November 1988

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1988/89, 10. Wahlperiode, Band VI, 82.-92. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
85. Sitzung vom 24. November 1988 
Frau Saß-Viehweger 
(A) Familien mit einbeziehen, dann kann man sie grundlos zu 
allen möglichen Zeiten anrufen und viele ähnliche Dinge mehr 
tun, die von vielen schon angedroht wurden, wenn man nur 
endlich wüßte, wie man sie erreichen könnte. Da gibt es eine 
ganze Reihe von Flugblättern, die kennen Sie sicherlich auch. 
Anstatt die Presseerklärungen von Herrn Rasch zu sammeln, 
sollten Sie vielleicht diese Dinge hier vortragen, dann wüßte 
man, worum es Ihnen in Wirklichkeit geht. 
Wir sind der Auffassung, daß sie mit diesem Gesetzesvor 
schlag keinen sachdienlichen Vorschlag unterbreiten wollen, 
sondern nur weiter die Polizei in Mißkredit bringen wollen. 
Dem können wir uns nicht anschließen. - Danke schön! 
[Beifall bei der CDU] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort hat nun der 
Abgeordnete Pätzold. 
Pätzold (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten 
Damen und Herren! Ich wollte den Antragstellern eigentlich 
bescheinigen, daß sie mit der Vorlage dieses Gesetzentwur 
fes keine Wahlkampfaktionen unternommen hätten, denn es 
gab ja bei der IWF- und Weltbanktagung genügend Beglei 
tumstände, die auch bei vielen außerhalb der Parteien neue 
Nachdenklichkeit hervorgerufen haben. Aber nach Ihrem sehr 
polemischen Auftritt, Herr Wieland, kann ich Ihnen das nun 
nicht mehr bescheinigen, sondern muß sagen, daß es eine 
reine Wahlkampfaktion war, die Sie hier unternommen haben, 
und zwar in der Art. wie Sie Ihren Gesetzesantrag begründen. 
[Beifall bei der SPD] 
Wenn Sie meinen, die SPD solle sich mal äußern, wessen 
Partei sie denn sei, die Partei der Bürgerrechte oder was 
sonst, dann muß ich Ihnen sagen; Ja, die SPD ist die Partei der 
Bürgerrechte, aber die SPD ist nicht die Partei der AL - damit 
das einmal völlig klar ist-, und die Art und Weise, wie wir zu 
Positionen Stellung nehmen, könne Sie nicht daran messen, 
ob wir auch Ihre Überzeugung vertreten. Wir vertreten unsere 
eigenen Überzeugungen! 
[Beifall bei der SPD] 
Es bleibt übrig, daß die Alternative Liste hier mit einem 
Schnellschuß versucht - und nun noch mit einer nachgescho 
benen Vorlage über einen Poiizeibeauftragten -, dem Parla 
ment etwas abzuverlangen, was es nun wirklich nicht mehr 
leisten kann. Jeder weiß, daß am nächsten Donnerstag die 
letzte Sachthemen gewidmete Sitzung des Abgeordnetenhau 
ses stattfinden wird. Wer ein wenig ernsthaft an die Dinge 
herangeht, der macht es sich nicht so einfach, daß er für 
bestimmte Fehlentwicklungen monokausal nur die eine Ursa 
che verantwortlich macht und alles andere aus dem Blickfeld 
verliert, sondern muß doch sehen, daß hier eine ganze Reihe 
von Problemen noch einmal gründlich und in Ruhe überdacht 
werden muß. 
Was wir brauchen, isi weniger Aufgeheiztheit vor bestimm 
ten Ereignissen - Aufgeheiztheit auf allen Seiten -, weniger 
Gewaltbereitschaft - bei den einen wie bei den anderen -. 
Weiter brauchen wir die Sicherung der Friedfertigkeit von 
Demonstrationen in jedem Fall - auch durch alle Seiten. Wir 
brauchen keine falschen politischen, parteipolitischen, Vorga 
be und Erwartungshaltungen an die Polizei, wie wir das 
diesmal von dem verantwortlichen Senator und seinem 
Staatssekretär erlebt haben. Was wir weiter brauchen, ist die 
Verhinderung jeglicher Form von Polizeiübergritfen. Dazu 
gehört, daß vor allen Dingen auch, wenn solche unseligen 
Übergriffe geschehen sind, sie nachher auch wirklich aufge 
klärt und nicht nur Lippenbekenntnisse geäußert werden, bei 
denen jeder schon merkt, daß es eigentlich nicht so ernst 
gemeint ist. 
Das alles ist ganz gewiß nur in einem längeren Prozeß 
möglich und nicht in einer Woche dieser alten, auslaufenden 
Wahlperiode. Meine Fraktion wird sich solchen Fragen stel 
len. Ich hoffe sehr, daß die anderen Fraktionen das auch tun 
werden. 
Die denkbare Kennzeichnung von Polizeibeamten ist sicher 
nur eine unter vielen Möglichkeiten. Ich bin nicht einmal 
sicher, ob sie - obwohl für viele naheliegend erscheinend - 
die wirksamste Möglichkeit wäre. Sie hat für mich auch einen 
entscheidenden Nachteil, und diesen Nachteil, Herr Wieland, 
müßten Sie auch sehen. Ich glaube immer noch, daß für das, 
was hier geschehen ist in der Vielzahl der auch vom Senat 
eingeräumten Übergriffe, eben dieser Senat selbst mit seinen 
falschen Vorgaben und Erwartungshaltungen verantwortlich 
ist. Ich habe gar keine Lust, junge Polizeibeamte, die mögli 
cherweise hier und da auch in der Hektik des Einsatzes 
Schlimmes galan haben, verantwortlich zu machen, aber die 
Schreibtischtäter, die eigentlich an diesen Dingen schuld sind, 
davonkommen zu lassen. Das ist doch nicht nur das Problem 
einzelner Polizeibeamten, sondern vor allen Dingen auch das 
Problem einer verfehlten Politik in dieser Stadt. 
[Beifall bei der SPD] 
Im übrigen bleibt immer richtig - in jeder Lebenssituation -, 
daß das, was einzelne betrifft, nie zu verallgemeinernden 
Diskriminierungen gegenüber Bürger werden darf. Deshalb 
ist meine Sorge folgende: Es kann hier bitteres Unrecht ge 
schehen - ich habe das selbst hautnah aus der Nähe erlebt-, 
wenn ein Polizeibeamter, den man später nicht mehr heraus 
zufinden vermag, einem Bürger Leid antut. Wir müssen sehen, 
wie wir das künftig verhindern. Es bringt aber auch nichts, 
wenn man dieses potentielle Unrecht nur umkehrt und wenn 
künftig - wie das ja in der Tat in der Vergangenheit schon 
geschehen ist-bestimmte Kräfte in unserer Gesellschaft, von 
denen wir wissen, daß sie sehr bewußt nicht rechtstreu und 
nicht staatstreu sind, sich dahin verständigen, daß sie einen 
unschuldigen Polizeibeamten, dessen Nummern- oder Na 
mensschild sie sehen, später wegen einer bestimmten Straftat 
anzuzeigen versuchen. Das eine ist so schlimm wie das 
andere. Man löst ein Problem nicht dadurch, daß man Unrecht 
von einer Seite schlicht nur auf eine andere Seite verlagert, 
ohne es abzuschaffen. Deshalb werden wir uns wohl sehr viel 
mehr einfallen lassen müssen als nur das, was in Ihrem 
Vorstoß zum Ausdruck kommt. 
Ich habe auch mit Aufmerksamkeit gehört, daß ein sehr 
angesehener Journalist dieser Stadt im Fernsehen geäußert 
hat, vielleicht könne man das mit wechselnden Nummern 
bewerkstelligen. Der Fall, an den ich denke, wäre mit wech 
selnden Nummern nicht zu bewerkstelligen. Da genügt eine 
einzige Einsatzsituation, wo mehrere fälschlich sagen: Wir 
haben gemeinsam gesehen, wie dieser Polizist Unrecht 
verübt hat. - Auch Sie werden nicht verhindern, daß es Leute 
in dieser Gesellschaft gibt, die das tun. In solche Situation 
möchte ich jedenfalls die vielen rechtstreuen, ordentlichen 
Polizeibeamten auch nicht gebracht sehen. 
Deshalb muß ich hier noch einmal klarstellen, daß wir-als 
einzige Fraktion übrigens - schon früher gegen die Kenn 
zeichnung der Polizeibeamten gestimmt haben. Die Haltung 
der AL dazu war immer klar - mindestens das muß man 
anerkennen. Die F.D.P. hat die CDU mit auf den Weg genom 
men, beim letzten Mal für die Kennzeichnung der Polizeibe 
amten - und da völlig unsinnigerweise für die Kennzeichnung 
von Kontaktbereichsbeamten - zu stimmen. Das sollen diese 
Parteien einmal ihren Wählern und auch den Polizeibeamten 
erklären. 
Wir haben immer deutlich gemacht, daß wir uns eine andere 
Lösung vorstellen können. Es ist eigentlich beglückend, wenn 
man in Bereiche der privaten Wirtschaft kommt — Kunden 
dienst, Werkstätten und ähnliches -, mit welcher Selbstver- 
(C) 
(D) 
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