Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
85. Sitzung vom 24. November 1988
Frau Saß-Viehweger
(A) Familien mit einbeziehen, dann kann man sie grundlos zu
allen möglichen Zeiten anrufen und viele ähnliche Dinge mehr
tun, die von vielen schon angedroht wurden, wenn man nur
endlich wüßte, wie man sie erreichen könnte. Da gibt es eine
ganze Reihe von Flugblättern, die kennen Sie sicherlich auch.
Anstatt die Presseerklärungen von Herrn Rasch zu sammeln,
sollten Sie vielleicht diese Dinge hier vortragen, dann wüßte
man, worum es Ihnen in Wirklichkeit geht.
Wir sind der Auffassung, daß sie mit diesem Gesetzesvor
schlag keinen sachdienlichen Vorschlag unterbreiten wollen,
sondern nur weiter die Polizei in Mißkredit bringen wollen.
Dem können wir uns nicht anschließen. - Danke schön!
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort hat nun der
Abgeordnete Pätzold.
Pätzold (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich wollte den Antragstellern eigentlich
bescheinigen, daß sie mit der Vorlage dieses Gesetzentwur
fes keine Wahlkampfaktionen unternommen hätten, denn es
gab ja bei der IWF- und Weltbanktagung genügend Beglei
tumstände, die auch bei vielen außerhalb der Parteien neue
Nachdenklichkeit hervorgerufen haben. Aber nach Ihrem sehr
polemischen Auftritt, Herr Wieland, kann ich Ihnen das nun
nicht mehr bescheinigen, sondern muß sagen, daß es eine
reine Wahlkampfaktion war, die Sie hier unternommen haben,
und zwar in der Art. wie Sie Ihren Gesetzesantrag begründen.
[Beifall bei der SPD]
Wenn Sie meinen, die SPD solle sich mal äußern, wessen
Partei sie denn sei, die Partei der Bürgerrechte oder was
sonst, dann muß ich Ihnen sagen; Ja, die SPD ist die Partei der
Bürgerrechte, aber die SPD ist nicht die Partei der AL - damit
das einmal völlig klar ist-, und die Art und Weise, wie wir zu
Positionen Stellung nehmen, könne Sie nicht daran messen,
ob wir auch Ihre Überzeugung vertreten. Wir vertreten unsere
eigenen Überzeugungen!
[Beifall bei der SPD]
Es bleibt übrig, daß die Alternative Liste hier mit einem
Schnellschuß versucht - und nun noch mit einer nachgescho
benen Vorlage über einen Poiizeibeauftragten -, dem Parla
ment etwas abzuverlangen, was es nun wirklich nicht mehr
leisten kann. Jeder weiß, daß am nächsten Donnerstag die
letzte Sachthemen gewidmete Sitzung des Abgeordnetenhau
ses stattfinden wird. Wer ein wenig ernsthaft an die Dinge
herangeht, der macht es sich nicht so einfach, daß er für
bestimmte Fehlentwicklungen monokausal nur die eine Ursa
che verantwortlich macht und alles andere aus dem Blickfeld
verliert, sondern muß doch sehen, daß hier eine ganze Reihe
von Problemen noch einmal gründlich und in Ruhe überdacht
werden muß.
Was wir brauchen, isi weniger Aufgeheiztheit vor bestimm
ten Ereignissen - Aufgeheiztheit auf allen Seiten -, weniger
Gewaltbereitschaft - bei den einen wie bei den anderen -.
Weiter brauchen wir die Sicherung der Friedfertigkeit von
Demonstrationen in jedem Fall - auch durch alle Seiten. Wir
brauchen keine falschen politischen, parteipolitischen, Vorga
be und Erwartungshaltungen an die Polizei, wie wir das
diesmal von dem verantwortlichen Senator und seinem
Staatssekretär erlebt haben. Was wir weiter brauchen, ist die
Verhinderung jeglicher Form von Polizeiübergritfen. Dazu
gehört, daß vor allen Dingen auch, wenn solche unseligen
Übergriffe geschehen sind, sie nachher auch wirklich aufge
klärt und nicht nur Lippenbekenntnisse geäußert werden, bei
denen jeder schon merkt, daß es eigentlich nicht so ernst
gemeint ist.
Das alles ist ganz gewiß nur in einem längeren Prozeß
möglich und nicht in einer Woche dieser alten, auslaufenden
Wahlperiode. Meine Fraktion wird sich solchen Fragen stel
len. Ich hoffe sehr, daß die anderen Fraktionen das auch tun
werden.
Die denkbare Kennzeichnung von Polizeibeamten ist sicher
nur eine unter vielen Möglichkeiten. Ich bin nicht einmal
sicher, ob sie - obwohl für viele naheliegend erscheinend -
die wirksamste Möglichkeit wäre. Sie hat für mich auch einen
entscheidenden Nachteil, und diesen Nachteil, Herr Wieland,
müßten Sie auch sehen. Ich glaube immer noch, daß für das,
was hier geschehen ist in der Vielzahl der auch vom Senat
eingeräumten Übergriffe, eben dieser Senat selbst mit seinen
falschen Vorgaben und Erwartungshaltungen verantwortlich
ist. Ich habe gar keine Lust, junge Polizeibeamte, die mögli
cherweise hier und da auch in der Hektik des Einsatzes
Schlimmes galan haben, verantwortlich zu machen, aber die
Schreibtischtäter, die eigentlich an diesen Dingen schuld sind,
davonkommen zu lassen. Das ist doch nicht nur das Problem
einzelner Polizeibeamten, sondern vor allen Dingen auch das
Problem einer verfehlten Politik in dieser Stadt.
[Beifall bei der SPD]
Im übrigen bleibt immer richtig - in jeder Lebenssituation -,
daß das, was einzelne betrifft, nie zu verallgemeinernden
Diskriminierungen gegenüber Bürger werden darf. Deshalb
ist meine Sorge folgende: Es kann hier bitteres Unrecht ge
schehen - ich habe das selbst hautnah aus der Nähe erlebt-,
wenn ein Polizeibeamter, den man später nicht mehr heraus
zufinden vermag, einem Bürger Leid antut. Wir müssen sehen,
wie wir das künftig verhindern. Es bringt aber auch nichts,
wenn man dieses potentielle Unrecht nur umkehrt und wenn
künftig - wie das ja in der Tat in der Vergangenheit schon
geschehen ist-bestimmte Kräfte in unserer Gesellschaft, von
denen wir wissen, daß sie sehr bewußt nicht rechtstreu und
nicht staatstreu sind, sich dahin verständigen, daß sie einen
unschuldigen Polizeibeamten, dessen Nummern- oder Na
mensschild sie sehen, später wegen einer bestimmten Straftat
anzuzeigen versuchen. Das eine ist so schlimm wie das
andere. Man löst ein Problem nicht dadurch, daß man Unrecht
von einer Seite schlicht nur auf eine andere Seite verlagert,
ohne es abzuschaffen. Deshalb werden wir uns wohl sehr viel
mehr einfallen lassen müssen als nur das, was in Ihrem
Vorstoß zum Ausdruck kommt.
Ich habe auch mit Aufmerksamkeit gehört, daß ein sehr
angesehener Journalist dieser Stadt im Fernsehen geäußert
hat, vielleicht könne man das mit wechselnden Nummern
bewerkstelligen. Der Fall, an den ich denke, wäre mit wech
selnden Nummern nicht zu bewerkstelligen. Da genügt eine
einzige Einsatzsituation, wo mehrere fälschlich sagen: Wir
haben gemeinsam gesehen, wie dieser Polizist Unrecht
verübt hat. - Auch Sie werden nicht verhindern, daß es Leute
in dieser Gesellschaft gibt, die das tun. In solche Situation
möchte ich jedenfalls die vielen rechtstreuen, ordentlichen
Polizeibeamten auch nicht gebracht sehen.
Deshalb muß ich hier noch einmal klarstellen, daß wir-als
einzige Fraktion übrigens - schon früher gegen die Kenn
zeichnung der Polizeibeamten gestimmt haben. Die Haltung
der AL dazu war immer klar - mindestens das muß man
anerkennen. Die F.D.P. hat die CDU mit auf den Weg genom
men, beim letzten Mal für die Kennzeichnung der Polizeibe
amten - und da völlig unsinnigerweise für die Kennzeichnung
von Kontaktbereichsbeamten - zu stimmen. Das sollen diese
Parteien einmal ihren Wählern und auch den Polizeibeamten
erklären.
Wir haben immer deutlich gemacht, daß wir uns eine andere
Lösung vorstellen können. Es ist eigentlich beglückend, wenn
man in Bereiche der privaten Wirtschaft kommt — Kunden
dienst, Werkstätten und ähnliches -, mit welcher Selbstver-
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