Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
84. Sitzung vom 10. November 1988
(A) Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Nächste Zusatzfrage -
Herr Abgeordneter Roß!
Roß (SPD): Frau Präsidentin! Herr Senator, nachdem Sie nun
in einer kabarettreifen Inszenierung zusammen mit Herrn Schicks
die parlamentarische Fragestunde benutzen, um die Opposition
zu beschimpfen,
[Widerspruch bei der CDU]
frage ich Sie: Was ist eigentlich aus Ihren hehren Ankündigun
gen im Plenum dieses Hauses geworden, wo Sie erklärt haben,
Sie seien gegen die 0,6prozentige VoKvegkürzung der Renten
für die Erhöhung des Krankenkassenzuschusses der Rentner?
Was ist aus Ihren Ankündigungen geworden, Sie wollten sich für
einen länderübergreifenden Ausgleich zwischen den Kranken
kassen einsetzen, und was ist aus Ihren anderen Kritikpunkten
gegen die Gesundheitsreform geworden? Welche Anträge
haben Sie im Bundesrat dazu eingebracht? Wie kommt es
eigentlich, daß man darüber nur etwas in der Zeitung liest, aber
später, wenn diese Dinge vom Bundeskabinett und der CDU-
Fraktion in Bonn beschlossen worden sind, nichts mehr von
Ihren dicken Sprüchen, die man in der Presse lesen konnte,
übriggeblieben ist?
Stellv. Präsidentin Wiechatzek Ich hoffe, daß nun zur
Beantwortung nicht die ganze Fragestunde dabei draufgeht,
Herr Senator Fink.
[Wagner, Jürgen (SPD): Das kann passieren!]
Fink, Senator für Gesundheit und Soziales: Herr Abgeord
neter Roß, ich bin gern bereit, Ihre etwas umfängliche Frage zu
beantworten. Ich habe vorhin darauf aufmerksam gemacht, daß
sich der Senat von Berlin bereits seit dem Jahr 1981 dafür ein
setzt, daß das ambulante Pflegefallrisiko abgesichert wird - mit
/g. der Konsequenz, daß nunmehr in dem Leistungskatalog der
' gesetzlichen Krankenversicherung zusätzlich 6 Milliarden DM für
Prävention und Absicherung des ambulanten Pflegefallrisikos
vorgesehen werden.
[Beifall bei der CDU]
Wenn das kein Erfolg ist, dann weiß ich nicht, was überhaupt ein
Erfolg sein soll.
Noch ein zweites, Herr Abgeordneter Roß: Wir nehmen die
Anliegen der Versicherten sehr ernst, wir nehmen die Anliegen
der Menschen bei uns sehr ernst,
[Roß (SPD): Sie sollen nicht ernst nehmen,
Sie sollen sich durchsetzen!]
und deshalb achten wir sehr sorgsam darauf, daß niemand mit
Belastungen belegt wird, die er selbst nicht tragen kann. Des
halb habe ich Ihnen gerade etwas ausführlicher zum einen die
Sozialstaatklausel und zum anderen die Überforderungsklausel
dieses Gesetzes erläutert. In Wirklichkeit wissen Sie ja Bescheid
- Herr Egert ist der Vorsitzende des betreffenden Bundestags
ausschusses -, Sie wissen also, daß es eine Sozialstaatklausel
und eine Überforderungsklausel gibt. Statt dessen sehe ich ein
Flugblatt der SPD - ich habe eines mitgebracht -, in dem Herr
Egert unter der Überschrift: „Ab 1. Januar 1989 dürfen Sie nicht
mehr krank werden“ den Leuten einzureden versucht, sie könn
ten sich zukünftig eine Krankheit nicht mehr leisten.
[Beifall bei der SPD - Momper (SPD);
Das ist leider Wahrheit!]
Das ist unverantwortliche Demagogie der SPD an dieser Stelle.
Ich sage Ihnen noch einmal: Wenn Sie meinen, mit den Leuten
Schindluder treiben zu können, dann täuschen Sie sich; denn
die sind viel klüger, sie glauben Ihren Lügen nicht.
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Letzte Zusatzfrage - Herr
Abgeordneter Vetter!
Vetter (CDU): Herr Senator, ich frage Sie aufgrund der
unsachlichen Frage des Kollegen Roß, dem es anscheinend
peinlich ist nach den erwähnten 13 Jahren; Wann und von wem
wurde die Selbstbeteiligung für Patienten eigentlich eingeführt?
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Herr Senator!
Fink, Senator für Gesundheit und Soziales: Herr Abgeord
neter Vetter, diese Frage stößt mitten in das zentrale Problem der
Glaubwürdigkeit der SPD. Tatsache ist, daß die Rezeptblatt
gebühr - also die Zuzahlung für Medikamente - in den 13 Jahren
der Regierung der Sozialdemokraten eingeführt worden ist. Und
es ist in dieser Zeit auch die Beteiligung an den Kosten des Auf
enthalts im Krankenhaus eingeführt worden. Tatsache ist, daß
fast alle Formen der Selbstbeteiligung von der SPD eingeführt
worden sind oder die Beteiligung zum Teil noch verstärkt worden
ist.
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Wir kommen jetzt zur
Mündlichen Anfrage über
Finanzierung des zusätzlichen
Wohnungsbauprogramms durch Miet
erhöhungen
ln Vertretung des Abgeordneten Nagel stellt diese Frage der
Abgeordnete Edel.
Edel (SPD): Frau Präsidentin I Meine Damen und Herren I Ich
frage den Senat:
1. Trifft es zu, daß in einem Spitzengespräch zwischen dem
Senator für Bau- und Wohnungswesen und dem Senator für
Finanzen die folgenden Möglichkeiten zur Deckung des erhöh
ten Finanzbedarfs für den Bau zusätzlicher Wohnungen erörtert
wurden:
— ein schnellerer Subventionsabbau für bereits fertiggestellte
Sozialwohnungen,
— die Anhebung der Mietobergrenzen beim Ausführungs
gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung im Woh
nungsbau (AFWoG),
— die teilweise Erhöhung der Fehlbelegungsabgabe auf
3 DM/qm,
— Zinserhöhungen bei mit Baudarlehen errichteten Sozial
wohnungen des Ersten Wohnungsbauprogramms,
— die Anhebung der Mietobergrenzen beim Mietausgleich?
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort zur Beantwor
tung hat —
Edel (SPD): Ich habe den zweiten Absatz vergessen:
2. Welche der angedachten Möglichkeiten wird der Senat
wann realisieren? - Das ist ja wohl die wichtigste Frage.
[Franke (CDU): Das werden Sie schon merkenI]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort zur Beantwor
tung hat Herr Senator Wittwer.
Wittwer, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Frau Präsi
dentin I Meine Damen und Herren I - Herr Abgeordneter Edel, ich
dachte mir doch, daß Sie die zweite Hälfte der Frage vergessen
hatten. - Der Senat hat am 25. Oktober 1988 die Aufstockung
des Wohnungsbauprogramms beschlossen, die eine realisier
bare Ausweitung des bisherigen Volumens um 3 200 Wohnein
heiten bis 1990 beinhaltet. Mit diesem erhöhten Programmvolu
men wird gleichzeitig ein weiterer Schritt zur Versorgung der
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