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Volume Nr. 83, 27. Oktober 1988

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1988/89, 10. Wahlperiode, Band VI, 82.-92. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
83. Sitzung vom 27. Oktober 1988 
Barthel 
(A) Ich möchte jetzt einmal das aufgreifen, was der Senat als posi 
tiv aus diesem Umfrageergebnis herausliest. Das eine sehe ich 
genauso, den Satz - ich zitiere ihn noch einmal 
Bewohnern in Bezirken mit höheren Ausländeranteilen 
stehen den ausländischen Berlinern am verständnisvollsten 
gegenüber. 
Ich halte das für eine ganz wichtige Aussage, und ich hoffe, daß 
das auch in der Öffentlichkeitsarbeit vom Senat transportiert 
wird, weil damit eine Menge Vorurteile beseitigt werden könnten. 
Aber welche Konsequenzen der Senat aus diesen Umfrage 
ergebnissen zieht, das habe ich nicht gehört. Herr Senator, Sie 
haben Ihre Ausländerpolitik hier vorgetragen. Aber wenn diese 
Umfrage, die auch Geld gekostet hat, einen Sinn haben soll, 
dann müßten doch daraus Konsequenzen gezogen werden, und 
diese hätte ich gern gehört. Darüber ist heute aber nichts gesagt 
worden. 
Die Konsequenz aus dieser von mir eben genannten Feststel 
lung wäre doch, daß man mehr Kontaktmöglichkeiten schafft. 
Um bei der Umfrage zu bleiben, und weil das häufiger hier 
erwähnt worden ist: Zum Beispiel für die ausländischen Jugend 
lichen in Diskotheken das Zutrittsverbot abzuschaffen. 
Nun will ich zu der Frage - weil Herr Schicks auch aus der 
Umfrage zitiert hat und nur positiv zitiert hat - auch einmal etwas 
zitieren, wobei ich die CDU und die F.D.P. bitte, sich diese Zah 
len zu vergegenwärtigen - ich meine das nicht polemisch, Sie 
werden von mir heute zwar Kritisches, aber nichts Polemisches 
hören, weil ich die Ausländerfeindlichkeit sehr ernst nehme. Was 
ist denn auf die Frage, ob es richtig ist, daß in einige Diskotheken 
Ausländer nicht hineingelassen werden, von Befragten mit CDU- 
und F.D.P.-Präferenz geantwortet worden? - Das will ich Ihnen 
hier einmal nennen - nicht als Anklage, sondern damit Sie dar 
aus Konsequenzen ziehen -, und ich bitte Sie, sich diese Zahlen 
wirklich zu vergegenwärtigen. Von den mit F.D.P.-Präferenz 
Befragten waren 71 % - ich wiederhole, 71 % - der Meinung, 
daß es richtig sei, daß Ausländer in einige Diskotheken nicht hin- 
(B) ein dürfen. Herr Dr. Lange, 71 °/o, das muß für Sie ein Warnsignal 
sein! Bei den befragten Jugendlichen mit CDU-Präferenz waren 
es immerhin noch 53 %, die gesagt haben, es ist richtig, daß 
keine Ausländer in die Diskotheken gelassen werden. 
Und bei dem anderen, was Sie so positiv erwähnt haben, ob 
es richtig sei, daß bei Stellen- und Wohnungsanzeigen die Ein 
schränkung gemacht wird: nur für Deutsche, haben wir bei den 
befragten Jugendlichen mit CDU- und F.D.P.-Präferenz dasselbe 
Ergebnis: 71 % der Leute mit F.D.P.-Präferenz sind der Meinung, 
daß es richtig ist, daß die Stellenausschreibungen und die Woh 
nungsanzeigen versehen werden mit dem Zusatz: „nur für Deut 
sche“; und 51 % der Leute mit CDU-Präferenz sind auch dieser 
Meinung. - Meine Damen und Herren von der CDU und der 
F.D.P., das ist doch für Sie ein erschreckendes Ergebnis; dazu 
schweigen Sie hier, Sie vertuschen dies. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Ich verkenne nicht, und ich habe auch keine Probleme damit, 
wie sich Frau John bemüht hat, diesem Stück Apartheid in der 
Stadt, nämlich dem Nichtzutritt in Diskotheken für Ausländer, 
entgegenzuarbeiten. Aber ich muß auch die Frage stellen: Kann 
ich denn von einem CDU-F.D.P.-Senat, dessen Klientel mit 
solchen Ergebnissen aufwartet, erwarten, daß er diese Apart 
heid wirksam beseitigen kann? Noch einmal zu Frau John: Ein 
christdemokratischer Tropfen höhlt noch lange keinen Stein! Mir 
imponiert, was die Wirtschaftsstadträtin von Charlottenburg 
gemacht hat. Die hat nicht nur geredet und bedauert, sondern 
versucht, mit Konzessionsentzug wirksam gegenzusteuem. Viel 
leicht sind Frauen doch couragierter in der Politik als Männer. 
Zurück zu der Umfrage: Es ist gesagt worden, 70% der 
Befragten seien ausländerfreundlich. Das wird als Erfolg der 
Senatspolitik ausgegeben. Alles ist relativ! Es gibt auch andere 
Umfrageergebnisse; verglichen mit denen ist das in Tat positiv. 
Es hat im vorigen Jahr eine Umfrage gegeben bei jugendlichen 
Fußballanhängern. Da waren 68 % der Befragten der Meinung, 
daß Ausbildungsplätze nur Deutschen Vorbehalten sein sollten. 
Fast die Hälfte der Befragten fanden Parolen wie „Kanaken 
raus!“ richtig und hat dem zugestimmt. Insofern ist die in Rede 
stehende Umfrage positiv. Aber eben nur unter dem Aspekt, daß (C) 
alles relativ ist. Wer weiß, ob wir uns eines Tages nicht noch zu 
Tode relativieren, wenn wir die Tatsache, daß fast 30 % der 
befragten Jugendlichen zumindest ausländerunfreundlich sind, 
noch als Erfolg bewerten. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Daß sich der Senat dieser Personengruppe, die ausländer 
unfreundlich ist, überhaupt nicht widmet, halte ich für sehr 
bedauerlich. Dazu findet der Senator bzw. die Ausländerbeauf 
tragte weder in der Umfrage-Kommentierung noch hier im Ge 
spräch Worte! Dafür macht er aber massiv Polemik gegen die 
sogenannten Pessimisten, die von vorhandener Ausländerfeind 
lichkeit sprechen. Ein merkwürdiges Spiel; Nicht die, die Auslän 
derfeindlichkeit in ihrer Haltung und in ihrer Sprache ausdrücken, 
sind das Problem, sondern das Problem sind die, die darüber 
reden und das Bekämpfen wollen. Eine Umkehrung, die mich ein 
bißchen - im traurigen Sinne - an Heiner Geißler erinnert, der 
den Pazifisten eine Mitschuld an Auschwitz gegeben hat. Ich 
warne vor dieser Ebene! Ich bin nicht dafür, Ausländerfeindlich 
keit herbeizureden. Aber es wird noch schlimmer, wenn man 
dazu schweigt. Das wird hier getan; das bedauere ich außer 
ordentlich. 
[Dr. Wruck (CDU): Nichts als Behauptungen!] 
- Da feteht drin „angebliche Ausländerfeindlichkeit“, das heißt, es 
gibt gar keine. 
[Dr. Wruck (CDU): Aus dem Zusammenhang gerissene 
Zitate!] 
Es gibt aber auch gegensätzliche Äußerungen von Ihren Partei 
freunden, meine Damen und Herren von der CDU. ZurZeit hören 
wir gerade von Lothar Späth, es gebe einen wachsenden blin 
den Ausländerhaß. 
[Dr. Wruck (CDU): Was Ihr Lafontaine sagt, 
ist viel schlimmer! - 
Landowsky (CDU); Ein schlimmer Mann! - (D) 
Weitere Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten] 
- Ich sage noch etwas dazu. 
Offensichtlich wird hier eine Doppelstrategie praktiziert. Der 
Berliner Senat in seinem Bedürfnis nach Harmonie und Ver 
deckung sagt, es gibt nur eine angebliche Ausländerfeindlich 
keit, und der Herr Ministerpräsident Späth, der das Asylrecht 
aushöhlen will, der sagt, es gebe einen wachsenden Ausländer 
haß. Suchen Sie sich etwas aus! Was paßt denn nun? - Jeweils 
so, wie Sie es brauchen! 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Das finde ich bei diesem Thema außerordentlich bedenklich. 
Wir müssen uns davor bewahren, die Ausländerfeindlichkeit 
auf diese klassischen Kategorien wie „Türken raus!“ begrenzt zu 
sehen. Es gibt inzwischen eine viel gefährlichere Ausländerfeind 
lichkeit, die subtiler ist, von der auch liberale und linke Kreise 
angesprochen werden. Dazu ein paar kurze Beispiele. Ein Zitat: 
„Dem Großkapital muß verboten werden, nur um des Profits wil 
len ganze Völkerscharen in Europa zu verschieben.“ Noch ein 
Zitat; „Der Mensch soll nicht zu der Arbeit, sondern die Arbeit zu 
den Menschen gebracht werden.“ Hinter dem, was sich hier so 
anhört wie ein Aufruf zur antikapitalistischen Strukturreform, 
steckt dasselbe Ziel wie hinter dem Spruch „Ausländer raus!“ 
Ein Flugblatt, das die NPD in Schleswig-Holstein verteilt hat: 
„Ausländer wehrt euch gegen die Versuche mancher Politiker, 
euch euere Identität, Sprache und Kultur zu nehmen I“ Wie sollen 
sie sich wehren? - Indem sie zurückgehen! Noch etwas aus 
Berlin, unsere altbekannte Bürgerinitiative „Demokratie und Iden 
tität“ überschreibt ein Plakat mit; „Nicht nur Bäume haben Wur 
zeln“ und sagt dann: „Heimkehr ist besser als Entwurzelung“. - 
Die Sprache hat sich geändert, der Sinn ist geblieben. Gefähr 
lich ist, daß Resonanz und Reaktion auf solche Sprüche anders 
geworden sind. Ich warne vor dieser neuen Art von Ausländer 
feindlichkeit und mache hier ausdrücklich auf sie aufmerksam. 
[Beifall bei der SPD und der AL - Dr. Wruck (CDU): Wie 
schön, daß Sie sich so etwas aufbauen können!] 
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