Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
83. Sitzung vom 27. Oktober 1988
Dr. Heß
Sie haben uns, meine Damen und Herren von den Koalitions
fraktionen, in der letzten Plenarsitzung gerüffelt. Sie haben
gesagt: Ihr wollt das Schulverfassungsgesetz ändern, in letzter
Minute. Das war eine Änderung, die ganze vier Worte umfaßte.
Sie stülpen das gesamte Sportförderungsgesetz um, sind der
Meinung, daß Sie in Übereinstimmung mit dem Landessport
bund sind - was Sie nicht in jedem Punkt sind -, Sie sind der
Meinung, daß Sie mit den Bezirken in Übereinstimmung sind -
das sind Sie mit Sicherheit nicht -, und Sie unterstellen, daß die
Finanzierung dieses Gesetzes gesichert ist - mit Sicherheit ist
sie das nicht! Der Finanzsenator ist leider nicht im Raum, aber
ich bitte die Bürgermeisterin ganz ausdrücklich, zu einigen Finan
zierungspunkten dieses Gesetzes, wo ich meine, daß da erheb
liche Probleme auf den Senat zukämen, Stellung zu nehmen.
Ich frage den Senat: Wie will er denn die sportmedizinische
Betreuung für alle Sporttreibenden sicherstellen mit dem Perso
nal, das bisher da ist? Oder hat er neue Stellen dafür? - Ich bin
doch dafür, daß alle Sporttreibenden sportmedizinisch betreut
werden; aber bisher wurde uns gesagt, daß das überhaupt nicht
machbar ist.
Ich stelle die zweite Frage: Wie ist denn das mit der finanziel
len Grundförderung für alle Sportorganisationen? - Das haben
wir doch jahrelang gefordert! Und jetzt schreiben Sie es in den
Gesetzestext und meinen, daß es damit finanziell abgesichert
sei. Was sagt der Senat dazu? Kann man das annehmen? -
Dann ist das für uns wie Weihnachten, dann nehmen wir das
gern und dankbar an. Ich fürchte, daß dies finanziell nicht mög
lich ist.
Ich frage drittens: Wie ist denn das mit dem gewerbsmäßig
betriebenen Sport? - Sie haben ja die verschämten Formulierun
gen, die wir damals in das alte Sportförderungsgesetz hinein
geschrieben haben, darin gelassen. Sie haben nur etwas getan,
was möglicherweise ein Druckfehler ist; Ich frage nach, und da
müßte der Kollege Preuss Auskunft geben: Wollen Sie jetzt auch
den gewerbsmäßig betriebenen Sport in allen neuen Zwecken
fördern, wie das nach dem Gesetz sonst vorgesehen ist? - Das
hieße doch, daß professioneller Sport künftig auch Trainer
bezahlt erhält, daß er Trainingslager bezahlt erhält, mehr als bis
her Flugkosten und Stadionmiete - wesentlich mehr, erhebliche
Kosten! Ich frage auch, wie sich das eigentlich mit den auf
blühenden Sportstudios und Sportcenter verhält, die ja zuneh
mend Scheinvereine gründen - ich unterstelle einmal, daß sie
das in der Absicht tun, um an Förderung heranzukommen. Nach
dem so gestrickten Text des Gesetzes würde künftig auch ein
Sportstudio, aufgezogen als Verein mit einer kleinen Jugend
abteilung, in den Genuß der Sportförderung kommen. Das kann
doch nicht Ihre Absicht sein?! Unsere Absicht ist das jedenfalls
nicht! Sie werden unsere Zustimmung dazu auch nicht bekom
men!
Ich möchte noch auf einige Punkte zu sprechen kommen, die
nicht nur die Finanzierung, sondern auch andere Fragen, zum
Beispiel die Bezirke, ansprechen. Sie schreiben schon in § 1,
Sie wollen das Ehrenamt im Sport stärken. Prima! Wer will
das nicht. Sie schreiben aber nicht, wie Sie das machen wollen.
Eine Ankündigung in der Präambel - der § 1 hat ja Präambel
charakter - ist schön. Dem muß allerdings auch konkret etwas
folgen; zur Stärkung ehrenamtlichen Engagements finde ich im
Sportförderungsgesetz herzlich wenig, es sei denn zusätzliche
Finanzierung, wenn sie möglich werden wird, doch für den Senat
war sie bisher leider nicht möglich.
Sie ändern den Gesetzestext, indem Sie Behinderte, Ältere
und Ausländer künftig bedürfnisgerecht berücksichtigen wollen.
Das soll künftig so sein. Bisher stand im Sportförderungs
gesetz; Sie sind zu berücksichtigen. Warum verwenden Sie
ausgerechnet für diese besonders schwachen Gruppen diese
wesentliche schwächere Formulierung?
Eine weitere Ungenauigkeit im Gesetz, die wir nicht bereit sind
mitzumachen, bezieht sich auf die Räumlichkeiten für soziale und
Verwaltungszwecke, die künftig wie Sportanlagen behandelt
werden sollen. Wir wissen aus der Arbeit der Enquete-Kommis
sion, daß darunter unter anderem Clubhäuser zu verstehen sind. (C)
Ich bezweifle, daß die Definition, die Sie gewählt haben, aus
reichend ist, um dies juristisch einwandfrei klarzustellen.
Ich frage mich auch, welchen Sinneswandel Sie im Senat
bewirkt haben, daß der Senat - er muß doch bereit sein, wenn
die Koalitionsfraktionen dies einbringen - die Vermietung und
Verpachtung sonstiger, also nicht Sportzwecken dienender lan
deseigener Grundstücke reklamieren soll, und zwar gesetzlich
gesichert. Ich habe vor gar nicht so langer Zeit eine Anfrage ein
gebracht, ob man nicht brachliegende Industrieflächen vorüber
gehend als Zwischennutzung für Sportzwecke verwenden kann.
Die Antwort des Senats war klar, aber abschmettemd; Nein, das
geht nicht, da kann ja jeder kommen, die vielen rechtlichen Pro
bleme! - Nun soll das plötzlich möglich sein. Ich begrüße das,
aber ich frage doch, ob die Realisierung sichergestellt ist.
Ich frage mich auch, ob der Sportbericht, den Sie nach dem
Gesetz einmal in der Legislaturperiode anfordem, uns viel bringt,
ob es nicht besser wäre, eine ständige, lebendige Debatte mit
dem Senat und mit den Sportorganisationen in einem besonde
ren Ausschuß dieses Abgeordnetenhauses zu führen und auch
bei einer Senatsbildung zu überlegen, wie man da anders, für
den Sport günstiger schneiden kann. Dies ist jedenfalls wesent
lich wichtiger und besser als der Versuch, das mit einem papie
renen Bericht zu Fragen des Sports zu regeln.
Ein weiterer Punkt: Ich begrüße ausdrücklich, daß Sie zur
Überwindung der bürokratischen Hemmnisse eine zentrale
Stelle einrichten bzw. das dem Senat übertragen wollen, alle
Genehmigungen für eine Amateursportveranstaltung zu
beschaffen. Ich erinnere einmal - ich hoffe, der Kollege Preuss
sagt uns etwas dazu, auch der Senat - an den Berlin-Marathon.
Das ist zweifellos eine sehr wichtige Veranstaltung. Es gibt unter
den vielen unwahrscheinlich Engagierten besonders einen, den
Konditor Milde, der mindestens ein Vierteljahr seines jährlichen
Lebens daran arbeitet, um diesen Marathon zu realisieren. Der
rennt von einer Behörde zur anderen, von einer unteren Natur-
Schutzbehörde zum Gartenbauamt des nächsten Bezirksamtes.
Der muß einen Wust von Schreibarbeiten erledigen. Sie wollen
ihm das in Zukunft abnehmen, was ich großartig finde, dem stim
men wir zu. Will der Senat das auch? Kann er das auch? Gibt es
dafür Mittel? Gibt es dafür Stellen? Wie sieht das dann mit den
Bezirken aus? - Darüber sind Sie uns Rechenschaft schuldig.
Letztes Beispiel - wir werden im Ausschuß Gelegenheit
haben, noch viele Punkte zu behandeln, ich nenne nur die beson
ders typischen Punkte -: Sie wollen bei Sportanlagen mit
überbezirklichen Belangen künftig vom Senat bestimmen lassen,
für welchen Zweck diese verwendet werden. Ist das im Rat der
Bürgermeister abgestimmt, und was sagt es dazu? Reichen Ver
waltungsvorschriften aus, um die Verfassung außer Kraft zu
setzen?
[Buwitt (CDU): Haben Sie das mal überlegt - es kann
doch nicht die Aufgabe der Fraktionen sein, etwas
mit dem Rat der Bürgermeister abzustimmen!]
- Herr Buwitt, ich danke für Ihren Zuruf. Ihre Frage richtet sich
hoffentlich wie meine an die Bürgermeisterin und an den Senat,
ob sie das —
[Buwitt (CDU); Das ist keine Senatsvorlage,
die Sie diskutieren!]
- Formal ist es keine Senatsvorlage, sie ist aber von den Koali
tionsfraktionen eingebracht worden. Alles, was ich hier zu tun
versuche, ist, zu entlarven, den Schleier wegzureißen, deutlich zu
machen, daß diese Dinge nicht realisierbar sind und daß das
offenbar Wahlkampfgeklingel ist. Es ist ein Strauß vieler Dinge,
die der Sport lange wollte, und ich frage hier nach, ob und
warum das jetzt realisierbar ist, und ich frage nach, ob der Rat
der Bezirksbürgermeister dazu sein Plazet gibt, daß man mit Ver
waltungsvorschrift bestimmt, welche Sportanlage in jedem
Bezirk künftig für überbezirkliche Belange reklamiert werden
kann. Muß man dazu nicht mit klareren Rechtsbestimmungen
arbeiten, muß man nicht deutlicher definieren und muß man das
nicht mindestens durch eine Rechtsverordnung machen, die das
Abgeordnetenhaus zu behandeln hat? - Das ist die Frage. Herr